Bombenanschlag auf il manifesto

Kurze Zündung

Auf die italienische Tageszeitung Il Manifesto ist ein Bombenanschlag verübt worden. Der mutmaßliche Täter kommt aus dem Umfeld neofaschistischer Organisationen.

Schon einige Tage zuvor hatte der Manifesto-Redakteur Stefano Chiarini einen anonymen Anruf erhalten. Hörbar aufgebracht beschwerte sich der Anrufer, dass die italienische Linke und die Tageszeitung Il Manifesto sich nicht für Palästina einsetze. Am Donnerstag vor Weihnachten erschien Andrea Insabato in den Redaktionsräumen in der römischen Via Tomacelli und forderte, dass sich die linke Tageszeitung endlich des Themas annähme. Ein Redaktionssekretär erklärte dem schimpfenden Besucher, dass man sich schon seit 30 Jahren mit dem Thema beschäftige, und riet ihm, sich mit Chiarini in Verbindung zu setzen.

Am nächsten Tag explodierte mittags, kurz nach zwölf Uhr, eine ein Kilo schwere Pyrit-Bombe im dritten Stock in der Via Tomacelli 146, direkt vor dem Eingang zur Redaktion. Beschädigt wurden dabei die Vorhalle, der Fahrstuhl und ein Redaktionsraum. Kurz zuvor war der Redakteur Pietro Ingrao zur Mittagspause durch die Eingangstür gegangen. Nur zufällig wurde niemand bei dem Attentat getötet oder verletzt.

Niemand, außer Andrea Insabato. Er wurde durch die Explosion schwer am Bein verletzt und in ein Krankenhaus gebracht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm ein Attentat vor - wer sich beim Zündeln verbrennt, macht sich verdächtig.

Ist Insabato, der als Dog Sitter arbeitet, ein durchgeknallter Einzeltäter? Bei seiner Vernehmung erklärte Insabato, er sei mit einem Redakteur verabredet gewesen, als die Bombe neben ihm explodierte. Bei Manifesto geht man davon aus, dass Insabato sich mit seinem Besuch am Vortag ein dürftiges Alibi schaffen wollte. Tatsächlich ist der mögliche Attentäter ein militanter Rechtsextremist, dem italienischen Nachrichtendienst Sismi ist er seit 1980 als Mitglied der Organisation Terza Posizione kennt. Sein Bruder Carlo sagte gegenüber einer Manifesto-Reporterin, Andrea beschäftige sich nicht mehr mit Politik. Doch den Kampf für Palästina führe er weiter. Offensichtlich interessieren ihn auch andere Themen. Erst Mitte Dezember nahm er an einer Pro-Haider-Demonstration teil, die von der rechtsradikalen Forza Nuova organisiert worden war

Mit Forza Nuova scheint Insabato nicht nur auf die Straße gegangen zu sein. Einem Bericht von Scotland Yard zufolge soll eines der vier englischen Spendenkonten der Organisation auf den Namen Insabato lauten. Sehr schnell nach dem Anschlag hatte sich die Forza Nuova von Insabato distanziert. »Er ist ein Freund«, sagten die Kameraden gegenüber Il Manifesto. »Doch mit unserer Bewegung hat er nichts zu tun.« Tatsächlich ist er mehr als nur ein Freund. Am Morgen des Anschlags machte Insabato seinen fast täglichen Besuch im Laden von Francesco Bianco. Der Zeitschriftenhändler ist Vorsitzender der römischen Forza-Nuova-Gruppe.

Doch nicht nur die rechtsradikale Organisation will seit der Bombe in der Via Tomacelli nichts mehr mit Insabato zu tun haben. Auch Fabrizio Lastei von Militia Christi streitet ab, dass Insabato ein Mitglied der radikal-katholischen Organisation sei. Allerdings habe Insabato häufig an Versammlungen und Demonstrationen teilgenommen.

Je mehr über Insabato bekannt wird, desto mehr Zweifel kommen auf, dass es sich bei ihm um einen Einzeltäter handelt. Es gibt Indizien dafür, dass er in Begleitung in die Via Tomacelli gekommen ist. Und damit gerät auch die Forza Nuova immer stärker unter Verdacht.

Eine scheinbare Lösung ist in solchen Fällen auch in Italien schnell zur Hand. Schon wenige Tage nach dem Attentat wurde die Forderung nach einem Verbot von Forza Nuova laut. »Ich weiß nicht, ob die Organisation illegal ist, aber ihre Aktivitäten sind es ganz bestimmt«, meinte der italinische Innenminister Enzo Bianco letzte Woche zu dem Thema. Auch der Vorsitzende der Linksdemokraten Walter Veltroni unterstützt ein Verbot. Dagegen verhält man sich im »Haus der Freiheit«, dem rechten Oppositionsbündnis, ruhig. Silvio Berlusconi schweigt ebenso wie Umberto Bossi und Gianfranco Fini. Nur der Lega-Fraktionsvorsitzende Beppo Pisanu ist verärgert über die »unerträgliche verbale Gewalt der Linken«.

Die Zurückhaltung ist verständlich. Auch wenn die Forza Nuova ihr Aufgabenfeld seit ihrer Gründung im April 1998 immer jenseits des rechten Parteienrandes gesehen hat, gibt es unzählige Verbindungen zu konservativen Kräften. Kontakte knüpft die außerparlamentarische Organisation beispielsweise über Kampagnen gegen Migration, Abtreibung und die vermeintliche Bedrohung der öffentlichen Sicherheit. Erst im August sprach der nationale Sekretär von Forza Nuova auf einer Konferenz der Laienorganisation Communione e Liberazione unter dem Titel »Abtreibung: Der Völkermord des 20. Jahrhunderts«, an der vor allem Vertreter des konservativen katholischen Spektrums teilnahmen. »Nein zur Gay Pride. Die Familie als Bastion einer gesunden Gesellschaft«, lautetet das Thema einer Veranstaltung von Forza Nuova im vergangenen Juni. Als Sprecher traten neben Roberto Fiore auch Vertreter der katholischen Rechten und der Alleanza Nationale auf.

Auch auf Sommeruniversitäten trifft sich das breite Spektrum der italienischen Rechten. In der »Universitá d Estate 2000« wurde die Versammmlung mit Mitgliedern von Forza Nuova und Alleanza Nazionale »gewürzt durch die Anwesenheit der Lega Nord«, wie sich einer der Organisatoren in der Zeitschrift Orio ausdrückte. Im Veneto ist die Forza Nuova inzwischen zu einem wichtigen Wahlhelfer für die rechte Koalition geworden, die ihren Stimmen zumindest das Bürgermeisteramt in Padova verdankt.

In Rom schlachtet derweil Silvio Berlusconi, der Chef des rechten Oppositionsbündnisses Forza Italia, den Anschlag für den Wahlkampf aus: »Erst eine unsichere, instabile Regierung lässt solche Gewaltakte entstehen, die wiederum weitere Gewalt nach sich ziehen,« erklärte er schon am nächsten Tag und folgerte daraus, dass so schnell wie möglich neu gewählt werden muss.

Berlusconi nutzte den Schock in der Öffentlichkeit, um sich als starken Mann zu präsentieren. Ausgerechnet der alte Craxi-Freund protestierte, dass bei den Ermittlungen nicht sofort die parlamentarische Untersuchungskommission zu den Staatsmassakern hinzugezogen wurde.

Premierminister Giuliano Amato konterte prompt: »Wir müssen prüfen, ob es Verbindungen zwischen den Protagonisten der Wahlkampagne und dem Terrorismus gibt.« Denn offenbar nutze die radikale Rechte die Bombe, um die Stimmung während des Wahlkampfes zu vergiften. Tatsächlich wäre eine genauere Prüfung sicherlich aufschlussreich. Doch mit seiner Aussage hat Amato vermutlich nur seine rhetorische Pflicht erfüllt.