Streit ums NPD-Verbot

Nazis, schämt euch

Wenn die Falschen aus den falschen Gründen das Richtige tun, sollte man sie nicht daran hindern. Wenn der Bundesinnenminister Schily, dessen Ausländer- und Asylpolitik alles andere als erfreulich ist, die NPD verbieten lassen will, damit man ihm nicht vorwerfen kann, er habe gegen den gewalttätigen Rechtsextremismus nichts unternommen, so sollte man ihm ausnahmsweise zustimmen.

Denn keins der Argumente, die gegen den Verbotsantrag vorgebracht werden, vermag zu überzeugen. Das Verfahren dauert zu lange? Dann werden die Bundesverfassungsrichter es beschleunigen können. Sein Ausgang ist ungewiss? Die Richter werden, wenn nur der Wille vorhanden ist, den Verbotsgründen folgen können, die schon seit Jahren im Verfassungsschutzbericht nachzulesen sind. Die NPD wird sich unter einem anderen Namen neu gründen? Mit der NPD werden auch alle Nachfolgeorganisationen verboten sein, und um eine solche Nachfolge festzustellen, braucht es nur geringen juristischen Aufwand. Die DVU und die Republikaner werden gleichsam zu staatlich geprüften rechtsextremen Parteien aufgewertet? Dann wird man überlegen müssen, ob sich nicht zumindest auch die DVU verbieten lässt.

Diese Argumente werden von der FDP und ausgerechnet vom hessischen Ministerpräsidenten Koch angeführt, und sie sind immerhin erwägenswert. Seit langem nur noch blöd sind - in welchem Zusammenhang auch immer - die Argumente Thomas Schmids, der neulich nach Frankfurt heimkehrte und nun in der dortigen Allgemeinen Zeitung kolumniert. Mit dem Verbotsantrag gegen die NPD versichere sich die Mehrheit der Gutmenschen ihrer Gutmenschlichkeit. Da es offenbar nur noch Gutmenschen und Arschgeigen gibt, fällt die Entscheidung leicht, zu welcher Gruppe man gehören möchte.

Aber halt: Es gibt ja auch noch Burkhard Schröder. In der letzten Woche verteidigte er hier (Jungle World, 44/00) das Bürgerrecht der Nazis. Die ewig »obrigkeitsfreundliche Linke« imitiere die Methoden der Rechten, wenn sie die bürgerliche Justiz auffordert, eine rechtsextreme Partei zu verbieten. Schröder empfiehlt, in jedem Falle für die Freiheit der Andersdenkenden einzutreten, wer auch immer sie seien. Dann nämlich, so ist zu vermuten, schämen sie sich. Und halten ein und kehren um.

Zur Illustration seines Arguments erzählte Schröder von US-amerikanischen Nazis, die 1977 eine Demonstration in der Kleinstadt Skokie planten. Niemand dachte daran, ihren Aufmarsch zu verhindern, nicht mit juristischen und erst recht nicht mit traditionell antifaschistischen Mitteln. Und siehe, »die Methode, den Obrigkeitsstaat nicht gegen die Bösen zu bemühen, war und ist effektiv. Die Nazis trauten sich nicht nach Skokie, obwohl sie gedurft hätten.« Was also tut man gegen Nazis? Am besten nichts. Denn dann trauen sie sich auch nicht.

Statt liberale Staatsphilosophie zu treiben, die schon im Gemeinschaftskundeunterricht nicht sonderlich überzeugte, statt sich um die Reinheit der Linken zu sorgen und um die Freiheit derer, die ihre Meinung immer wieder zum Totschlag verdichten, sollte Schröder an die Opfer dieser Meinungsfreiheit denken. Ausländer, die in Deutschland leben (müssen), fühlen sich womöglich ein wenig sicherer und ein wenig freier, wenn die NPD nicht mehr durch die Straßen marschiert und zu Wahlen kandidiert, von denen sie selbst ausgeschlossen sind.