Mexikos Präsident Vicente Fox auf Deutschland-Tour

Transatlantischer Honeymoon

Bei seinem Europa-Besuch traf der künftige mexikanische Präsident Vicente Fox begeisterte deutsche Investoren.

Vicente Fox ist Profi auf seinem Gebiet. Neuerdings vermarktet der ehemalige Chef von Coca-Cola in Mexiko den Investitionsstandort. Das muss er auch. Denn ab Dezember ist Vicente Fox von der rechtskonservativen Partei des Nationalen Fortschritts (Pan) offiziell »El Presidente« der nach Brasilien zweitgrößten Wirtschaftsmacht in Lateinamerika.

»Ich bin gekommen, um Geschäfte zu machen«, verkündete er mit einem strahlenden Lächeln bei seiner Ankunft in Madrid letzten Dienstag und ließ keinen Zweifel am Sinn seiner Begegnungen mit europäischen Politikern und Wirtschaftseliten. Und ebensowenig an seinen Prioritäten. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Handelspartner des mittelamerikanischen Staates.

Ohne falsche Bescheidenheit warb Fox daher bereits am nächsten Tag beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). »Mexiko ist der beste Investitionsstandort der Welt«, erklärte er der Presse nach einem Treffen mit dem BDI-Präsidenten Hans Olaf Henkel im Haus der deutschen Wirtschaft in Berlin. Das Land bilde wegen seiner geographischen Lage den »Schlüssel für den Eintritt der EU sowohl in den nordamerikanischen als auch in den südamerikanischen Markt«, schwärmte Fox. Als weiteren Vorteil des Standortes Mexiko pries er die »billige, aber sehr produktive mexikanische Arbeitskraft« an. Henkel gab sich ob dieser Aussichten vor der Presse geradezu euphorisiert. In Mexiko sei »alles klar für deutsche Investoren«.

Auch die wenigen Bedenken räumte Fox beseite. Das schlechte Image Mexikos, so versicherte er beim Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, werde seine neue Regierung mit Maßnahmen gegen Korruption, Kriminalität und die schwerfällige Bürokratie bekämpfen, um so für »kurz- und langfristige Investitionssicherheit« zu sorgen.

Bereits vor der Reise hatte der Berater des zukünftigen Präsidenten, Aguilar Zinser, erklärt, Mexiko erstrebe eine Verdopplung ausländischer Direktinvestitionen auf umgerechnet 40 Milliarden D-Mark innerhalb der nächsten sechs Jahre. Vor allem die Staaten der EU sollten viel stärker in Mexiko investieren. Dafür gibt es einen guten Grund: Von der internationalen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, hatte der scheidende mexikanische Staatschef Ernesto Zedillo Ende März im Senat das so genannte Kooperations- und Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und der EU (TLCUE) durchgesetzt, das Anfang Juli in Kraft trat. TLCUE ist für die EU das bisher weitestreichende Abkommen mit einem außereuropäischen Land. Bis 2003 sollen die Zölle für 82 Prozent der aus Mexiko in die EU importierten Produkte entfallen, bis 2007 die mexikanischen Einfuhrgebühren für EU-Waren abgebaut werden.

Um den Großmächten des alten Kontinents das Investitionsziel schmackhaft zu machen, bot Fox den Unternehmensverbänden alle gängigen Liberalisierungsmaßnahmen an. Die bisher weitgehend in staatlicher Hand befindlichen Wirtschaftsbereiche Petrochemie, Telekommunikation, Elektrizität und Transport sollen zum Teil privatisiert werden. Als Bonus versprach er eine Adhoc-Steuerreform, die ausländische Investoren weitgehend von Abgaben befreit.

In den letzten zwei Jahren kurbelte vor allem die Bundesrepublik den Handel mit Mexiko an. Während die Geschäfte mit Südamerika leicht zurückgingen, stiegen deutsche Exporte nach Mexiko um mehr als 17 Prozent auf acht Milliarden Mark. Dennoch ist der Abstand zu den USA in den Augen Henkels »nach wie vor viel zu groß«. Seit Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Nafta) gehen fast 90 Prozent aller mexikanischen Exporte in die USA, während der Anteil europäischer Staaten am Außenhandel Mexikos bislang bei bescheidenen sechs Prozent liegt.

Deshalb öffneten sich für Fox bei seiner Euro-Tour alle Türen. Die Interessen beider Seiten lassen sich auf eine einfache Formel bringen: Mexiko will sich durch eine Zweitehe mit der EU wirtschaftspolitisch von den USA emanzipieren, während die EU in Mexiko eine gute Basis füt die Expansion auf dem lateinamerikanischen Markt sieht.

Fox wusste seine Trümpfe taktisch klug auszuspielen: »Mexiko ist das einzige Land der Welt, das einen Freihandelsvertrag mit der EU und Nordamerika hat. Diese erhöhte Konkurrenzfähigkeit als Standort wollen wir nutzen, um verstärkt europäische Investoren in unser Land zu holen.« Ein Angebot, auf das Henkel sofort reagierte. Innerhalb der nächsten zehn Jahre, so der BDI-Chef, solle der Handel zwischen Mexiko und der EU »die US-amerikanische Dimension erreichen«. Bei ihren Gesprächen vereinbarten Henkel und Fox Investitionen in Milliardenhöhe, insbesondere im Erdöl- und Energiesektor.

Für den künftigen mexikanischen Präsidenten sind die Vereinbarungen sicherlich ein Erfolg. Doch nicht jeder ist begeistert. Menschenrechtsorganisationen sowie mexikanische und internationale Gewerkschaftsverbände kritisieren das Freihandelsabkommen scharf. Alfonso Moro vom Netzwerk gegen den Freihandel (RMALC) moniert, dass die EU von dem neuen Vertrag in mehrfacher Hinsicht profitiere, während Mexiko endgültig zu einem Billiglohnland degradiert werde.

Die Gegner des TLCUE befürchten, dass subventionierte Billigimporte aus den EU-Ländern die Landwirtschaft und Industrie Mexikos drastisch schädigen werden. Vom Freihandel mit den USA sind Bereiche wie die kleinbäuerliche Maisproduktion schon fast verdrängt worden. Die Verarmung hat seit Inkrafttreten des Abkommens stark zugenommen. Mehr als die Hälfte der 100 Millionen MexikanerInnen leben inzwischen unter der Armutsgrenze.

Auch die geplante Aufhebung der Zölle im Rahmen des TLCUE ist vor

allem für die EU von Vorteil. Moro

erklärt, es gebe nur wenige mexikanische Produkte, die auf dem europäischen Markt konkurrieren können. »Außerdem«, fährt er fort, »werden sieben von den zehn wichtigsten Exportprodukten Mexikos in die EU jetzt schon von europäischen Unternehmen in Mexiko hergestellt.«

Vor diesem Hintergrund erscheinen das viel gepriesene mexikanische Wirtschaftswachstum, die hohen Exportquoten sowie die von Fox stets angeführten 1,3 Millionen neuen Arbeitsplätze in einem anderen Licht. Die absolute Mehrheit dieser Arbeitsplätze befindet sich in den Billiglohnfabriken (Maquiladoras) transnationaler Konzerne.

Betrug die Exportquote mexikanischer Produkte, die nicht aus den Maquiladoras stammen, 1982 noch 91 Prozent, beläuft sie sich heute auf rund ein Drittel. Das daraus resultierende Haushaltsdefizit wird vor allem mit den Erträgen des staatlichen Ölförderunternehmens Pemex ausgeglichen. Das hohe Wachstum ist deshalb vor allem auf die steigenden Weltmarktpreise für Erdöl zurückzuführen.

Beim Thema Öl kam es denn auch zur einzigen Missstimmung, die Fox bei seinem Besuch in Europa hinterließ. Man sei zwar Interesse an ausgewogenen Weltmarktpreisen interessiert, weshalb man erwäge, die Produktion sogar kurzfristig zu erhöhen, versuchte Fox, den deutschen Kanzler zu beruhigen. Eine Privatisierung der Pemex stehe aber nicht zur Debatte.