Kommunalwahlen in Brasilien

Marta gegen Malufismo

Kein rechter Christenmensch könne für eine Kandidatin stimmen, die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften den staatlichen Segen geben und die Abtreibung erleichtern wolle. Für Paulo Maluf, den Kandidaten des PPB für das Amt des Bürgermeisters von São Paulo, ist göttlicher Beistand beinahe schon die letzte Hoffnung, wenn er Marta Suplicy von der Arbeiterpartei (PT), die den ersten Wahlgang am 1. Oktober mit 38 Prozent der Stimmen gegenüber 17,4 Prozent souverän für sich entschieden hatte, doch noch schlagen will.

Auf die Unterstützung der anderen Regierungsparteien, deren Kandidaten im ersten Wahlgang gescheitert waren, kann Maluf jedenfalls nicht zählen. Die haben sich entweder zur Neutralität verpflichtet oder gar - wie PSDB, die Partei des Staatspräsidenten Fernando Henrique Cardoso - für die Kandidatin der Opposition ausgesprochen. Denn Maluf hat es in den letzten Jahrzehnten durch sein politisches Wirken in São Paulo geschafft, den Malufismo zu einem Synonym für die in höchstem Maße korrupte Führung der Amtsgeschäfte zu machen.

Nicht nur das Ergebnis der Stimmenauszählung in São Paulo, aber vor allem dieses, hat Diskussionen über die künftige parteipolitische Landschaft in Brasilien beflügelt. Insgesamt hat der linke PT, die größte Oppositionspartei im Lande, bei den Kommunalwahlen am meisten zulegen können und in vielen wichtigen Städten die Stichwahl erreicht - negative Ausnahme: Rio de Janeiro. So konnte die Partei nach dem ersten Wahlgang die Zahl der von ihr geführten Rathäuser von 107 auf 173 erhöhen. Im Vergleich dazu stellt der PMDB allerdings mit 1 252 Bürgermeistern erheblich mehr Amtsträger. Die größten Verluste musste die Partei Cardosos, der PSDB, einstecken, der 176 Präfekturen verloren hat und nun nur noch 984 stellt.

Außerdem haben die Wahlen dazu geführt, dass vor allem innerhalb des Regierungsbündnisses die Frontlinien deutlicher markiert wurden. So nutzte beispielsweise Antonio Carlos Magalhães (PFL), Senatspräsident und unangefochtener Herrscher von Bahia, das gute Ergebnis in seinem Bundesstaat, um Fernando Henrique aufzufordern, »die Warnung des Wählers zu beherzigen« und zunächst einmal zwei ihm, Magalhães, nicht genehme Minister zu entlassen. Der Präsident der Republik ließ daraufhin ganz staatsmännisch aus Berlin verlauten, dem Präsidenten der Republik habe niemand etwas zu empfehlen, dünke er sich auch noch so mächtig.

Konkret äußern sich diese Machtkämpfe in den Koalitionen, die in den verschiedenen Städten nun für den zweiten Wahlgang am 29. Oktober geschmiedet werden. Neben São Paulo erhält etwa auch der Kandidat des PT in Curitiba offene Unterstützung durch PSDB und PMDB gegen den Mann des PFL.

Dass diese Neigung zur Kooperation mitunter zu dubiosen Kontakten führen kann, zeigte sich in São Paulo. Dort protestierten PT-Mitglieder gegen die allzu eilfertigen Versuche, eine möglichst breite Koalition gegen Maluf zu bilden, die auch den PFL-Kandidaten einbeziehen sollte, der zu Zeiten der Militärdiktatur (1964 bis 1985) Mitglied der Politischen Polizei war. Aber auch ohne ihn sind die Aussichten von Marta Suplicy, die Wahlen Ende Oktober zu gewinnen, blendend. Haben doch in den letzten Tagen führende Vertreter des Wirtschaftslebens von São Paulo geäußert, die PT habe für sie ihren Schrecken verloren und sei im Zweifelsfall der Korruption Malufs vorzuziehen.