Euro-Schwäche und Zinserhöhung

Von oben nach unten

Die Aussichten könnten nicht besser sein. Seit Monaten weisen alle Daten darauf hin, dass es der Wirtschaft in der Euro-Zone blendend geht. Doch der Euro fällt weiter. Erst vergangene Woche erreichte er einen neuen historischen Tiefstand. Setzt er seinen Weg nach unten fort, könnte diese Entwicklung für das Projekt eines gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraumes fatale Folgen haben.

Der Fall des Euro steht nur auf den ersten Blick in einem Widerspruch zu den guten Konjunkturaussichten. Das deutsche Bruttosozialprodukt wuchs zwar in den ersten sechs Monaten um 3,3 Prozent - so viel, wie in den letzten zehn Jahren nicht mehr. Im gleichen Maße ist aber auch der Anstieg der Inflation rekordverdächtig; höher als im Juli lag sie seit 1991 nicht mehr. Allein die Ölpreise haben sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt.

Folgt die Europäische Zentralbank (EZB) nun ihrem Grundsatz, den Wert des europäischen Geldes stabil zu halten, müsste sie die Zinsen weiter erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen. So wie letzte Woche, als sie den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,5 Prozent hob. Werden die Kredite aber zu teuer, könnte es mit dem Konjunkturhoch bald vorbei sein. Das Dilemma der Währungshüter: Die EZB kann nicht zugleich die Inflation bekämpfen und Investitionen auf dem Binnenmarkt unterstützen - denn dafür müssten die Zinsen gesenkt werden.

Ähnliches gilt auch für den Wechselkurs. Bisher profitierte die deutsche Exportwirtschaft von der schwachen Währung. Die guten Daten, die Bundesfinanzminister Hans Eichel vergangene Woche stolz präsentierte, sind zu einem großen Teil darauf zurückzuführen. So sind die Ausfuhren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in der ersten Jahreshälfte um 12,5 Prozent gestiegen und übertrafen damit deutlich die Steigerung der Importe. Bei den anderen Mitgliedern der Währungsunion - von Frankreich abgesehen - verhält es sich ebenso. Kein Wunder also, dass die elf Staaten der Euro-Zone und Griechenland den Fall des Euro bislang nur vorsichtig kommentierten. Bisher haben sie gegen einen niedrigen Kurs nicht viel einzuwenden.

Das könnte sich jetzt ändern. Der schwache Euro-Kurs begünstigt zwar die Ausfuhren, trägt aber auch dazu bei, dass Kapital aus Europa flieht. Denn im gleichen Zeitraum sind, wie die EZB in ihrem jüngsten Monatsbericht schreibt, auch 74,5 Milliarden Euro für Investitionen und Wertpapierkäufe aus der Euro-Zone abgeflossen. Fällt der Euro weiter, werden die negativen Effekte die Vorteile des Export-Booms überwiegen. Zwischen Hamburg und Palermo würde weniger investiert, während die teuren Importe die Inflation begünstigten.

Profitieren könnten davon vor allem die USA. Dort sind die Zinsen lukrativer, die Profite höher, das Wachstum und die Produktivität stärker als in Europa. Zudem wird die Euro-Zone wirtschaftlich und politisch immer noch nicht als einheitlicher Raum bewertet - vielen Anlegern sind einige nationale Märkte noch nicht genügend liberalisiert.

Und auch bei der Frage nach den Perspektiven des Euro überwiegt die Skepsis. Die Haltung der Bevölkerung in den potenziellen Mitgliedsstaaten der Währungsunion wie Dänemark, Schweden oder Großbritannien ist nur schwer einzuschätzen. Lehnen etwa die Dänen bei ihrem Referendum Ende September die Währung ab, wird es auf absehbare Zeit keine Erweiterung der Euro-Zone geben. Eine Währung, die nicht im gesamten Wirtschaftsraum akzeptiert wird, hat jedoch auf Dauer keine Chance. Der Euro könnte sich dann tatsächlich nur noch in eine Richtung entwickeln: nach unten.