Versteigerung der UMTS-Lizenzen

Enteignung durch die unsichtbare Hand

Die Versteigerung der UMTS-Mobilfunk-Lizenzen ist die neueste sozialdemokratische Variante der Sozialisierung von Unternehmensgewinnen.

Da behaupte noch einmal einer, die rot-grüne Bundesregierung betreibe zuwenig Umverteilung: Über 63 Milliarden Mark waren Bundesfinanzminister Hans Eichel am letzten Wochenende in der Auktion der neuen Lizenzen für den Mobilfunk der dritten Generation (3G) sicher - und am Ende werden es wohl noch ein paar Milliarden mehr sein. Während Mobilfunkanbieter anderswo den Äther gratis um ein paar Funkwellen bereichern dürfen, nutzt der deutsche Staat die Chance, an den Profitmöglichkeiten des Mobilfunkgeschäftes zu partizipieren. Dabei fließen Geldsummen von den Konzernen in die öffentliche Hand, die beispielsweise den Verteidigungsetat (45,46 Milliarden Mark bzw. 9,5 Prozent des Bundeshaushalts) deutlich übertreffen.

Am Freitagabend verließ mit debitel (Swiss Telecom) der erste der sieben Kandidaten wegen der hohen Kosten für eine Lizenz die Mainzer Kaserne, in der die Auktion unter strenger Aufsicht stattfindet. »Die Schmerzgrenze ist erreicht«, begründete ein Firmensprecher den Rückzug. Für den Beginn dieser Woche wurden der Ausstieg eines weiteren Unternehmens und das Ende der Auktion erwartet. Damit wird der Mobilfunk der dritten Generation wahrscheinlich von den bisherigen Anbietern T-Mobil, Vodafone AirTouch, e-plus und Viag Interkom sowie einem Neueinsteiger - Mobilcom oder das Konsortium G3 - dominiert.

Die Konzerne, die um die UMTS-Lizenzen konkurrieren, wollen bis zum Jahreswechsel 2002/2003 die nötigen Umbauten an ihren alten Netzen erledigt haben. Dann wären Verbindungen ins Internet von mobilen Endgeräten aus mit einer Übertragungsgeschwindigkeit möglich, die jene der heute noch üblichen 56k-Modems um ein Vielfaches übersteigt. Nicht so in den USA: Dort wurden die Frequenzbereiche großzügig ans Militär, an Sicherheitsfirmen und vor allem an die zahlreichen Fernsehstationen vergeben. Daher können zwar Lizenzen für den 3G-Mobilfunk versteigert werden, die nötigen Frequenzbereiche, um die High-Tech-Signale auch auszusenden, sind allerdings weitgehend blockiert.

Die astronomischen Summen, die bei den Auktionen um die Lizenzen für den Mobilfunk nach dem UMTS-Standard (Universal Mobile Telecommunication System) erlöst werden - in Großbritannien waren es im März umgerechnet 75 Milliarden Mark -, sorgten im Vorfeld für einige Aufregung. Mobilfunk-Gurus wie der Chef des Handy-Herstellers Nokia, Kurt Hellström, und Nicholas Negroponte vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) warnten, die Europäer könnten durch die Auktionen ihren Vorsprung vor den USA verspielen. Wenn die Firmen schon für die Lizenzen Milliarden ausgeben müssten, seien sie danach eventuell nicht mehr finanzkräftig genug, die nötigen Investitionen in den Netzaufbau zu tätigen. Zudem würden die hohen Lizenzkosten letztlich zu höheren Telefongebühren führen. Die Realisierung der Zukunftsvision vom Handy, mit dem man während einer U-Bahn-Fahrt mal eben seine E-Mails checkt und ein wenig im Internet surft, um sich anschließend auf dem Display einen Film anzusehen, könnte sich zumindest verzögern. Dann wäre vielleicht Zeit genug für amerikanische Firmen, der europäischen Konkurrenz doch die Marktführerschaft streitig zu machen.

Spanien und Finnland haben die Bitten der Industrie und der Standortpolitiker schon umgesetzt: Dort wurden die Lizenzen kostenlos vergeben. In so genannten »Schönheitswettbewerben« wurden diejenigen Unternehmen zugelassen, die nach Ansicht der Regulierungsbehörden am besten geeignet schienen. Der britische Economist und mit ihm eine Heerschar von Spiel- und Auktionstheoretikern hingegen bezweifeln, dass dies auch unbedingt die leistungsfähigsten und effizientesten Firmen waren. »Schönheitswettbewerbe« seien intransparent und anfällig für allerlei Gemauschel. Auktionen hingegen seien das ideale Verfahren um herauszufinden, welche Firmen es sich am ehesten zutrauen, schnell die UMTS-Technologie weiterzuentwickeln, Netze aufzubauen und dann die Kosten wieder einzuspielen. Ohne dass die Staatsbürokratie lange herumgrübeln muss, landen die Lizenzen bei den Betreibern, die sie optimal verwerten können.

Das beste Argument für Auktionen ist natürlich das viele Geld. Warum sollte man der Privatwirtschaft Milliarden lassen, die sie auszugeben bereit ist? Nachdem Enteignung und Verstaatlichung nun wirklich aus der Mode gekommen sind, ist die UMTS-Auktion eine echte Alternative, um die astronomischen Gewinne aus dem Mobilfunkgeschäft zu sozialisieren und als Rente, Sozialleistung oder Bildungsförderung weiterzugeben. Dabei gerät die Regierung nicht einmal in den Verdacht, die heiligen Regeln der freien Marktwirtschaft zu missachten.

Natürlich könnte man auch später die florierenden Mobilfunker besteuern, wie es das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Sorge um die Weiterentwicklung des Mobilfunks vorschlug. Aber es kann auch passieren, dass die hohen Erwartungen an die Mobilfunk-Branche bitter enttäuscht werden. Dann doch lieber ein paar Milliarden heute, mögen sich nicht nur die deutschen, sondern auch die italienischen und französischen Finanzpolitiker gedacht haben.

Je höher die Gebote klettern, desto mehr Ansprüche werden von Politikern und Lobbyisten angemeldet. Das Geld gehöre auch den Ländern, fanden die Ministerpräsidenten Kurt Beck (Rheinland-Pfalz, SPD) und Erwin Teufel (Baden-Württemberg, CDU), außerdem noch dem Mittelstand, ergänzte der Verband der Mittelständler. Überhaupt sollten die »unheimlichen Mehreinnahmen trotz Sozialdemokratie« für die Entlastung der Unternehmen verwendet werden, legte sich der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dietrich Austermann, ins Zeug.

Vom Bundesfinanzminister werden solche Vorschläge seit Wochen mit stoischer Gelassenheit abgeschmettert. Gerne erklärte Hans Eichel seinen steuerpolitischen Widersachern in der Union und der eigenen Partei immer wieder eines der Prinzipien solider Haushaltspolitik: Mit einmaligen Einnahmen könne man nicht andauernde Steuerausfälle ausgleichen. Eichels Finanzpolitik setzt auf Schuldenabbau, deshalb würden die Auktionserlöse vollständig für die Schuldentilgung verwendet, »wie hoch sie auch immer ausfallen werden«, bekräftigte Eichels Sprecher Torsten Albig noch einmal.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Auktionsteilnehmer schon längst die 20 Milliarden Mark überboten, die Eichel in den Bundeshaushalt eingeplant hat. Von den eingesparten Zinsen lässt es sich ganz gut leben. Jede Milliarde mehr für die Schuldentilgung bringt 50 Millionen Mark Zinsersparnis. Bisher sind die frei werdenden Mittel für die Bafög-Finanzierung und die Subvention der Deutschen Bahn vorgesehen. Aber es gibt bereits neue Ideen: Bundeskanzler Gerhard Schröder überlegt nach Angaben der Süddeutschen Zeitung, mit der UMTS-Knete ein großes Anti-Nazi-Programm zu bezahlen.