Grenzcamp in Forst

Sicher zelten mit den Grünen

Die Polizei musste das Demonstrationsrecht des dritten Antirassistischen Grenzcamps gegen einen Brandenburger Bürgermeister durchsetzen.
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Die Polizei hat damit nichts zu tun! Wir sind doch keine Immobilienmakler.« Den Vorwurf, seine Behörde habe sich über die Entscheidung des Bürgermeisters und der Stadtverordnetenversammlung hinweggesetzt und den autonomen AntirassistInnen eigenhändig einen Platz für das Grenzcamp in Forst verschafft, weist der Cottbusser Polizeipräsident Jürgen Lüth natürlich zurück. Er habe aber »keine Einwände gegen das Camp« und sei »nicht ganz unglücklich« mit dem jetzigen Standort. Kein Wunder: Schließlich ist die Polizei in Sichtweite in einem Hotel einquartiert, sodass die unbequemen DemonstrantInnen immer in Augenhöhe bleiben.

Dennoch ist der Platz im Süden der Stadt auch ein Wunschgelände der Vorbereitungsgruppe des Camps gewesen. Als die Polizei anbot, das Zeltlager bei einer eventuellen Besetzung des Geländes nicht sofort zu räumen, zögerten die Autonomen nicht lange. Dass die Vollzugsorgane damit die zuständigen Instanzen kurzerhand ausgeschaltet haben, kann durchaus als »Polizeistaat, einmal umgekehrt« bewertet werden.

In der Tat hätte das Camp ohne die Intervention der Polizei wohl kaum wie geplant schon am Samstag vergangener Woche beginnen können. Die Stadtverwaltung, allen voran Bürgermeister Gerhard Reinfeld (CDU), hatte sich mit Händen und Füßen gegen das antirassistische Zeltlager gewehrt. Eine Hetzkampagne in den örtlichen Medien hatte in den letzten Wochen massiv Stimmung gegen die anreisenden Autonomen gemacht.

Und so kritisierte Christian Otto, Vorsitzender der PDS-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung: »Der Bürgermeister hat nur Angst geschürt, statt sich um einen sicheren Ablauf des Camps zu kümmern.« Otto war der einzige Abgeordnete, der für das antirassistische Zeltlager gestimmt hatte. Die beiden anderen PDS-Abgeordneten hatten sich enthalten.

Die nicht ganz uneigennützige Hilfe der Polizei ist nicht das einzige Bündnis, das die Autonomen in Verlegenheit bringt. Schon zuvor hatten Unterstützungsangebote der grünen Partei zu Meinungsverschiedenheiten geführt. Die Ausländerbeauftrage der Bundesregierung, Marieluise Beck, hatte sich für das Camp ausgesprochen, die Bundestagsabgeordnete Claudia Roth und die Europa-Parlamentarierin Ilka Schröder hatten jeweils Kundgebungen angemeldet. Schließlich bot sich der grüne Migrationspolitiker Cem Özdemir als Schirrmherr an, was jedoch abgelehnt wurde.

Für die Autonomen stellt sich die Frage, ob man bei Aktionen, die sich auch gegen die herrschende Flüchtlingspolitik der Bundesregierung richten, mit einer Regierungspartei zusammenarbeiten könne. Zumal Roth und Özdemir obendrein zu den BefürworterInnen des Nato-Krieges in Jugoslawien zählen.

Auch über den Umgang mit der polnischen Anarchistischen Förderation (FA) Poznan streitet man heftig. Ihr wird vorgeworfen, mit einer rechtsextremen Gruppierung zusammenzuarbeiten. Außerdem zeichnet sie verantwortlich für ein Plakat, das die Autonomen als eindeutig sexistisch einordnen. Die FA Poznan arbeitet mit der umstrittenen rechten Gruppe Naszosc in einem Bündnis Freier Kaukasus zusammen, das sich gegen den Tschetschenien-Krieg wendet. Naszosc gilt als Befürworter einer Querfrontstrategie und soll zumindest in der Vergangenheit offen rechtsextremistisch und antisemitisch ausgerichtet gewesen sein. Nach Auskunft der FA Poznan habe sich die Gruppe jedoch gewandelt und sei zumindest nicht mehr extrem rechts. Auf die Kritik an ihrer Bündnispolitik reagiert die FA Poznan mit dem Argument, die deutsche Linke arbeite schließlich auch hier und da mit zweifelhaften BündnispartnerInnen zusammen. So etwa mit maoistischen oder stalinistischen Gruppen.

Am Samstag reisten Mitglieder der polnischen Gruppe in Forst an. Nun zeichnen sich spannende Debatten ab. Dass in den ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas der vorherrschende Antikommunismus sowohl für libertäre Linke als auch für Rechte prägend ist, führt immer wieder zu punktuellen Kontakten zwischen Links und Rechts.

Die AnarchistInnen übernehmen damit den herrschenden Totalitarismusdiskurs. Allerdings will ihnen niemand die Erfahrung absprechen, dass viele nominal kommunistische oder sozialistische Organisationen, Parteien, Personen stark autoritär, militaristisch und nationalistisch dominiert sind und damit tatsächlich rechte Wertvorstellungen in linke Strukturen tragen. Es wäre sicher lohnenswert zu untersuchen, inwieweit die Situation in Osteuropa auf Ostdeutschland übertragbar ist, wo ebenfalls oft genug die Grenzen zwischen Rot und Braun zu verschwimmen drohen.

Die deutsche Vorbereitungsgruppe kündigte der FA Poznan jedenfalls die Zusammenarbeit auf. Auch das Camp, das die FA Poznan an der polnischen Ostgrenze organisierte, wurde nicht unterstützt. Die polnischen AnarchistInnen hatten vom 13. bis 19. Juli in Ustrzyki Gorne, im Dreiländereck zwischen der Ukraine und der Slowakei, ebenfalls ein Grenzcamp durchgeführt und dabei gegen die Ausdehnung des Sperrgebiets EU demonstriert. Der Zusammenhang ist ohne Zweifel begründet. Beobachter berichten, dass an der polnischen Ostgrenze nagelneue Landrover der Grenzpolizei mit einem Aufkleber herumfahren: »Finanziert durch die EU«. Ein weiteres Grenzcamp, das im Kontakt zum deutschen Camp entstanden ist, fand Ende Juli in Sizilien statt. Dort richtete man sich ebenfalls gegen Abschottung und die Illegalisierung von Flüchtlingen.

Vom 1. bis 3. September wird es ein Camp in Mexiko geben, direkt an der Grenze zu den USA. Die dortigen InitiatorInnen nennen ihre Aktion »Borderhack« und legen wert darauf, die Grenze nicht in erster Linie zerstören, sondern sie unterlaufen, sie durchdringen zu wollen. Eine solche Klarstellung hätte sicher auch dem Grenzcamp in Forst gut getan. Denn wie im vergangenen Jahr wurde hier die Grenze an sich in Frage gestellt - ausgerechnet im deutschen Osten.

Das Camp, zu dem am Wochenende bereits über 500 TeilnehmerInnen eingetroffen sind, hat aber nicht nur mit inhaltlichen Streitpunkten zu kämpfen. Auch das Wetter macht das Leben schwer. Von Beginn an, seit Freitag vergangener Woche, regnete es fast ununterbrochen. Die Kampagne kein mensch ist illegal ist jedoch fest entschlossen, bis zum Ende dieser Woche in der Niederlausitz gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, das Grenzregime des Bundesgrenzschutzes und den hegemonialen Rassismus der Bevölkerung zu protestieren. In den letzten Jahren haben ähnliche Camps in Rothenburg bei Görlitz und in Zittau stattgefunden.

Trotz einschlägiger Ankündigungen kam es am Wochenende nicht zu größeren Provokationen von Neonazis. Ein von der NPD für Samstag geplanter Aufmarsch blieb verboten. Die TeilnehmerInnen des Grenzcamps führten am selben Tag unter reger Beteiligung von Forster Jugendlichen eine Demonstration durch. An der Neiße richteten sie eine Mahnwache für die beim illegalen Grenzübertritt ums Leben gekommenen Flüchtlinge ein.

Am Sonntag gab es in Forst ein Fußballturnier mit Flüchtlingsgruppen, im nahe gelegenen Guben protestierte man gegen Antisemitismus. Anlässe waren der Sprengstoffanschlag in Düsseldorf sowie die wiederholten Schändungen des jüdischen Friedhofs in Guben. Die Aktion in Form eines Teach-In fand auf einem evangelischen Friedhof statt, auf dem zahlreiche Wehrmachtssoldaten beigesetzt sind. Die Kriegsgräber liegen ganz in der Nähe des geschändeten jüdischen Friedhofs. Das Motto lautete: An den Stätten der Täter der Opfer gedenken.

Für die nächsten Tage sind zahlreiche Diskussionsveranstaltungen und natürlich Aktionen vorgesehen - unter anderem gegen den Abschiebeknast in Eisenhüttenstadt. Die Kampagne kein mensch ist illegal will gemeinsam mit den zahlreich angereisten Flüchtlingen der Organisation The Voice außerdem gegen die Residenzpflicht von AsylbewerberInnen und die Denunziationsbereitschaft der Bevölkerung protestieren.

Zu guter Letzt ist am Samstag eine bisher geheim gehaltene Abschlussaktion geplant, die das ohnehin ausgesprochen rege Medieninteresse noch einmal anheizen soll. Auch in diesem Jahr ist das Hamburger Internetprojekt nadir mit zwei Trucks und acht Terminals angereist und betreibt direkt vom Gelände aus sein Webjournal. Dort kann die aktuelle Entwicklung des Grenzcamps in Forst fortlaufend verfolgt werden.

Weitere Informationen unter www.nadir.org/camp00