Entschädigungen für Zwangsarbeiter

Von den Griechen lernen

Ginge es um Gerechtigkeit, müsste man den juristischen Vertretern der ehemaligen Zwangsarbeiter empfehlen, alle bisher mit der Bundesregierung abgeschlossenen faulen Kompromisse aufzukündigen und alle weiteren Verhandlungen abzubrechen. Dann wäre nach dem griechischen Vorbild zu verfahren: Deutsche Unternehmen, die sich im Dritten Reich an Zwangsarbeit bereicherten, müssten mit Schadensersatzklagen und gegebenenfalls mit Zwangsvollstreckung rechnen, sobald sie einen Fuß auf fremden Boden setzen.

Gewiss ließe sich eine Möglichkeit finden, den deutschen Staat nicht nur für die materielle Wiedergutmachung von Kriegsverbrechen, sondern auch für die Entschädigung von Zwangsarbeit heranzuziehen: etwa indem man die seinerzeit zwangsweise erhobenen Beiträge zur Rentenversicherung einklagt. Die Entschädigungssumme würde dann natürlich die jetzt ausgehandelten zehn Milliarden um einiges übertreffen.

Da es aber nicht um Gerechtigkeit geht, sondern darum, dass möglichst viele ehemalige Zwangsarbeiter möglichst bald möglichst viel Geld bekommen, müssen die noch immer fehlenden zwei Milliarden, die unsere deutschen Unternehmen offenbar partout nicht erübrigen wollen, halt irgendwie zusammengekratzt werden. Wer sie schließlich zahlt, ist dabei unerheblich, solange sie nur in D-Mark gezahlt werden und aus deutschen Kassen kommen.

Denn von der Zwangsarbeit hat seinerzeit nicht nur das böse Kapital profitiert, das sie unmittelbar verwertete, sondern ebenso die gesamte deutsche Volksgemeinschaft - und zwar noch lange Zeit nach dem Ende des Dritten Reichs.

Die evangelische Kirche gibt zehn Millionen? Schönen Dank auch, es hätte aber etwas mehr sein dürfen. Die katholische Kirche gibt nichts? Dann wird man sich vielleicht entschließen, dem Vorschlag des Pfarrers Eppelmann zu folgen, und von ihr fortan keine Hostie mehr annehmen. Die Veröffentlichung der Namen all jener Unternehmen, die Zwangsarbeiter beschäftigten, sich nun aber zahlungsunwillig zeigen, verbunden mit der Empfehlung, bei Gelegenheit doch lieber die Konkurrenz zu berücksichtigen, kann auf keinen Fall schaden. Allerdings wird eine solche Aktion auch nicht viel helfen.

Es brauchte einen bedeutenden Kopf, wie ihn nur der Nobelpreisträger Günter Grass sein Eigen nennt, um die Idee einer individuellen Spende von begrenzter Höhe hervorzubringen. Jeder erwachsene Deutsche soll zwanzig Mark aufs Konto der Stiftungsinitiative einzahlen. Vermutlich deshalb, weil zumindest die Mitglieder der AOK an eine Solidaritätsabgabe in eben dieser Höhe schon gewöhnt sind. Zwanzig Mark seien doch nicht mehr als zwei Kinokarten, gibt Grass zu bedenken. Und vierzig Mark, könnte man entgegnen, wären nicht mehr als der nächste Grass.

Am Ende wird die zwei Milliarden wohl der Finanzminister beisteuern. Aber auf welchen Wegen auch immer das Geld zusammenkommt, die Deutschen werden sich der Gewissheit freuen können, nun sei ein für allemal Schluss mit irgendwelchen Forderungen. Wenn sie freiwillig spenden dürfen, steigt ihr moralischer Gewinn, wenn sie zwangsweise veranlagt werden, nehmen sie es den Juden übel. Wie gesagt, besser wäre die griechische Methode.