Nationalrevolutionär gegen Hitler

Who is Who im Widerstand

Die Historikerin Susanne Meinl recherchiert die nationalrevolutionäre Opposition gegen Hitler.

Schon viel wurde über die Ideologiegeschichte der Weimarer Republik - und insbesondere ihrer rechter Gegner - geschrieben, aber immer noch scheint dieses Thema nicht ausgeschöpft zu sein. Grund dafür ist nicht nur die umfangreiche Debatte der Weimarer Zeit selbst, sondern vor allem ihr unmittelbarer Bezug zum Nationalsozialismus. In einer neuen Studie hat sich Susanne Meinl mit dem Nationalrevolutionär Friedrich Wilhelm Heinz beschäftigt, einem »Nationalsozialisten gegen Hitler«. Heinz, der nicht gerade zu den bekanntesten Größen dieser Szene gehört, stellt gleichwohl ein höchst repräsentatives Beispiel dar, hatte er doch allen wichtigen rechtsextremen Organisationen der Weimarer Republik, von der Organisation Consul bis zur NSDAP, angehört. Nach der Machtübernahme findet sich Heinz im Widerstandskreis um Hans Oster im Amt Abwehr der Wehrmacht wieder.

Die Studie überzeugt durch ihren Materialreichtum. Meinl zieht einen enorm breiten Quellenbestand heran und erschließt teilweise auch bislang unzugängliches Material. Auf dieser Grundlage entstand ein spannender kriminologischer Bericht über die Machenschaften der extremen Rechten in der Weimarer Republik, über ihre Verflechtungen mit Teilen des Staatsapparates und über ihre Auseinandersetzung mit dem aufkommenden Nationalsozialismus.

Selbst gut informierte Antifaschisten werden vom Ausmaß dieser Verflechtungen verblüfft sein. In diesen beiden Punkten erschöpft sich dann aber auch die innovative Leistung der Studie. Was weitgehend fehlt - und das macht die Arbeit eher zu einem Steinbruch denn zu einem Meilenstein -, ist die politische und gesellschaftstheoretische Einordnung ihrer Ergebnisse.

Im Ergebnis laviert die Autorin bei ihrer Beurteilung der »nationalrevolutionären Opposition« zwischen der schonungslosen Aufdeckung ihres terroristischen Charakters einerseits und dem Versuch einer nachträglichen Ehrenrettung andererseits. Dabei ginge es doch gerade darum, den Zusammenhang von antidemokratischer, ja faschistischer Ideologie und Widerstand zu untersuchen, wie ihn Heinz repräsentiert. Ohne es selbst zu formulieren, liefert Meinl jede Menge Belege dafür, dass der deutsche Widerstand in erheblichen Teilen alles andere als ein fortschrittliches Projekt war. In die Debatte um den Widerstand, die sich genau um diese Problematik dreht, mischt sich die Widerstandsforschung lieber erst gar nicht ein.

Vor allem aber drückt sich die Studie von Meinl so um die eigentlichen Fragen herum. Was für eine politische und soziale Grundlage stellte die Gesellschaft der Weimarer Republik dar, so dass sich auf ihr ein solcher Rechtsextremismus entwickeln konnte? Ist das Verhältnis der Nationalrevolutionäre - und mit ihnen aller Teile der »Konservativen Revolution« - zum Nationalsozialismus wirklich als oppositionell zu kennzeichnen, oder handelt es sich nicht vielmehr um konkurrierende Krisenideologien, von denen sich die nationalsozialistische schließlich durchsetzte? Wie kam es dazu, dass diese dezidierten Faschisten sogar mit Sozialdemokraten und anderen Republikanern zusammenarbeiten konnten? In welchem Bezug muss dann ihre Ideologie zur Ideologie der bürgerlichen Gesellschaft gesehen werden?

Entscheidend ist jedoch die Frage, welche Bedeutung dieser Art von »Opposition« gegen den Nationalsozialismus zugesprochen wird. Meinl wendet sich in ihrer Einleitung gegen »neokonservative« Tendenzen, die diesen Konzepten die Qualität einer begrüßenswerten Alternative zum Nationalsozialismus zusprechen wollen. Nicht aber erwähnt sie den Umstand, dass solche Tendenzen auch in der etablierten Geschichtswissenschaft deutlich werden und dass sie dort eine weit größere Bedeutung entfalten als in den Machwerken von neurechten Pseudo-Historikern.

Bedauerlich ist schließlich der Umstand, dass Meinls Studie mit dem Jahr 1945 endet, während sie in ihrer Einleitung noch betont, dass ihr Protagonist Friedrich Wilhelm Heinz durchaus auch nach dem Krieg eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Er ist nämlich nicht nur am Aufbau des westdeutschen Bundesnachrichtendienstes maßgeblich beteiligt, sondern auch an der Wiedergründung der SPD im Kreis Fürstenwalde.

Zumindest hätte durch solch eine Perspektive die Frage nach der Kompatibilität von nationalsozialistischer und spätbürgerlicher Ideologie - sei sie nun Weimarer oder bundesdeutscher Spielart - eher berücksichtigt werden können. So aber bleibt die Arbeit zwar spannend, aber harmlos.

Susanne Meinl: Nationalsozialisten gegen Hitler. Die nationalrevolutionäre Opposition um Friedrich Wilhelm Heinz. Siedler Verlag, Berlin 2000, 448 S., DM 58