EU-Sanktionen gegen Österreich

Gipfel der Peinlichkeit

Die EU-Regierungschefs haben in Feira die Sanktionen gegen Österreich vorerst bestätigt. Jetzt droht die schwarz-blaue Regierung in Wien mit einer Volksbefragung.

Die Charmeoffensive war gut vorbereitet. Das kleine Österreich präsentierte beim EU-Gipfel Anfang vergangener Woche eine deutlich größere Delegation als in den Jahren zuvor. Neben dem Wiener Kanzler Wolfgang Schüssel, seiner Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und dem Finanzminister Karl-Heinz Grasser marschierten auch 20 Jugendliche aus einigen europäischen Ländern in Feira auf.

In einem Bus mit der Aufschrift »Fairness for Austria« pilgerten sie nach Portugal, um mit erprobten österreichischen Tugenden Gutwetter für die schwarz-blaue Isolationsregierung zu machen: Eine Sachertorte wurde überbracht, die am Gipfel akkreditierten Journalisten erhielten Manner-Schnitten und ein paar Gläser österreichischen Weines.

Auch Benita Ferrero-Waldner besuchte den Tourbus der Ösi-Groupies: »Diese Sachertorte schaut so nett aus wie die Österreicher«, meinte die Außenministerin bei der Betrachtung des braunen Stücks. Und: »Die österreichische Torte ist nicht giftig.«

Doch so viel Alkohol und Kalorienbomben kann es gar nicht geben, um die Sinne dermaßen zu trüben, dass Österreich wieder ein beliebtes Mitglied der Union wird. Vielmehr zertrümmerte Schüssel schon vor seinem Abflug nach Feira alle Bemühungen, die so genannten Sanktionen zu lockern: Wenige Tage vor dem EU-Gipfel reiste der Bundeskanzler nach Kärnten, um im Bärental mit dem einfachen FPÖ-Mitglied Jörg Haider ein paar Runden in dessen neuem Porsche Cabriolet zu drehen. Dass Jörg Haider dabei das Steuer nicht Schüssel überließ, hat wohl nicht nur mit mangelndem Vertrauen in die Fahrkünste des Bundeskanzlers zu tun. Mag sein, dass der Medienprofi Haider damit auch signalisieren konnte, dass er in der Regierung das Tempo vorgibt und Schüssel ihm immer noch mehr oder minder hilflos ausgeliefert ist.

Tatsächlich wird die ungleiche Machtverteilung vor allem bei der von Wien angedrohten Volksbefragung über die EU-Sanktionen deutlich: Jörg Haider ließ einige Tage nach seinem Trip mit Schüssel im portugiesischen Fernsehen verlauten, wenn es kein Signal für eine Aufhebung der Sanktionen gebe, solle die Regierung mit den konkreten Vorbereitungen für eine Volksbefragung beginnen.

Auch FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler macht Druck: Schon in der ersten Juliwoche möchte er im Parlament über die konkreten Fragen an die Österreicher nachdenken, um spätestens im Herbst die Befragung durchführen zu können.

Doch was da gefragt werden soll, bleibt ein Rätsel. Selbst der niederösterreichische Landeshauptmann, ein Parteifreund Schüssels, hält die Volksbefragung für eine »Geldverschwendung« und eine »sinnlose Provokation der EU«. Selbst die Wähler können offenbar die Gedankengänge der der schwarz-blauen Scharfmacher nicht ganz nachvollziehen: Nach einer Umfrage von vergangener Woche halten 60 Prozent diese Volksbefragung für »weniger sinnvoll«.

Abgesehen davon hat die Regierung auch gewaltige Schwierigkeiten, den Wählern zu erklären, wie sich die Sanktionen auswirken. Denn tatsächlich gibt es gar keine Sanktionen gegen Österreich. Lediglich die Regierung bleibt isoliert, Schüssel wird nicht ins Ausland eingeladen und Außenministerin Ferrero-Waldner wurde bei ihrem London-Besuch vor zwei Wochen weder von ihrem Amtskollegen Robin Cook noch von Regierungschef Anthony Blair empfangen. Dafür herzte sie Margareth Thatcher, aber das hat Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet ja auch schon getan.

Um den Österreichern das diplomatische Desaster als Staatsnotstand verkaufen zu können, kommt der Regierung besonders ein Ausstiegsszenario entgegen, das die EU vorgeschlagen hatte: Die Lage in Österreich werde in einem Monitoring-Verfahren unter die Lupe genommen; erst dann - etwa zum Beginn der schwedischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2001 - könnten die Sanktionen aufgehoben werden.

Den Kompromiss hatte der dieser Regierung nicht unbedingt wohlgesonnene österreichische Bundespräsident Thomas Klestil schon vor einem Monat erreicht, doch Schüssel lässt ihn nun abblitzen: Ein Monitoring-Verfahren »sieht aus wie ein Tierversuch. Wir sind ein freier Staat und lassen uns nicht unter Kuratel stellen«, ereiferte sich Schüssel schon vor seinem Abflug nach Feira. Solche Parolen schweißen zusammen: Obwohl kein einziger Bürger die Sanktionen spürt, wähnen sich doch alle von der diplomatischen Strategie der EU betroffen.

Selbst die politischen Gegner im Parlament werden genötigt, sich mit den Sanktionen herumzuschlagen. Um nicht doch noch als Landesverräter im Knast zu landen, wie Jörg Haider unlängst gefordert hatte, jettet nun auch die international anerkannte Opposition in Europa herum und versucht, das Verhältnis des Auslands gegenüber Österreich wieder ins Lot zu bringen.

Der neue österreichische SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer wird von der Regierung besonders in die Pflicht genommen: Wegen seiner hervorragenden Kontakte zu den sozialdemokratischen Regierungschefs in Europa versucht die schwarz-blaue Koalition, ihn für die Beendigung der Sanktionen verantwortlich zu machen.

Damit wälzen Schüssel und seine blauen Freunde die Folgen der schlechten Performance der Regierung auf die Opposition ab. Ein Mitglied der deutschen Delegation am EU-Gipfel in Feira meinte süffisant: »Am österreichischen Wesen wird Europa nicht genesen.« Das aber ist Wolfgang Schüssel herzlich egal.