Deutscher wohnen

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Gefährliche Orte CIX: Das Rollbergviertel in Neukölln. Politiker, Medien und Rechtsextremisten beklagen den Ausländeranteil. Nun folgen auch die Wohnungsbaugesellschaften.

Auf keinen Fall soll in der Hauptstadt Berlin ein türkisches China-Town entstehen. Dabei hatte Martina Liebenow, Quartiermanagerin der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land, erst 1998 als Ziel formuliert, das Neuköllner Rollbergviertel zum Gebiet der türkischen Community machen zu wollen. Inzwischen aber wird Ausländern der Zuzug in die Gegend verwehrt. 90 von insgesamt 2 200 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft stehen derzeit leer, weil sich keine Deutschen dafür beworben haben. Und: Höchstens die Hälfte der leer stehenden Wohnungen soll nach dem Willen der Gesellschaft an Menschen ohne deutschen Pass vermietet werden.

»Wenn Deutsche immer wieder ausländische Namen auf Klingelschildern sehen, wird dies als Störung empfunden«, begründete Geschäftsführer Adam Ziel in der Berliner Morgenpost die Zuzugssperre. »Unsere Praxis entspricht einer Erwartungshaltung der deutschen Bevölkerung«, so Adam weiter. Es gehe um die verschiedenen Lebensweisen von Deutschen und Einwanderern, um die angeblichen Unterschiede bei der Kindererziehung, den Schlafenszeiten und der Toleranz bei Lärm.

Empörung schlägt der Wohnungsbaugesellschaft für ihre Maßnahme nicht entgegen. Die rassistischen Töne finden ihre Entsprechung im Berliner Abgeordnetenhaus. Anfang des Jahres hatte die Koalition aus SPD und CDU beschlossen, in den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften den »Zuzug zu steuern«. Vor allem in Kreuzberg, Neukölln, Wedding und Tiergarten müsse sich die Vergabe von Wohnraum stärker an der Sozialstruktur orientieren - es sollten also weniger Wohnungen an Ausländer vermietet werden.

Der CDU-Fraktionschef in der Neu-köllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Robbin Juhnke, begrüßte daher die Praxis der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land. Und die Grünen gaben sich tolerant: »Ich kann mir vorstellen, dass es vor Ort eine Problematik gibt, die den eigentlichen Wünschen entgegensteht«, meinte etwa die grüne BVV-Verordnete Marlis Fuhrmann. Das Ergebnis sieht dann genauso aus wie bei SPD und CDU.

Kein Wunder also, dass die Vergabe von Wohnungen nach dem Kriterium »deutsch oder nicht deutsch« inzwischen anerkannte Praxis bei vielen Wohnungsbaugesellschaften ist. Die GSW - mit 72 000 Wohnungen größte stadteigene Wohnungsbaugesellschaft - achtet genauso darauf, nicht zu viele Ausländer als Mieter zu haben wie ihr Konkurrent Degewo. So soll eine gute »Durchmischung« erreicht werden, erklärt der Degewo-Sprecher Ulrich Fiedler die Nichtvergabe-Praxis seiner Gesellschaft. Zum Wohle des gesamten Bezirks, versteht sich.

Als Diskriminierung wird das nur selten verstanden. Schließlich stört sich kaum jemand daran, dass Ausländer reflexartig als Störer des friedlichen Zusammenlebens der Deutschen wahrgenommen werden. Wohnungsanzeigen mit dem Vermerk »nur für Deutsche« seien keine Seltenheit, beklagt Francesco De Nardis vom Büro gegen Diskriminierung.

In Zeitungen wird von »Verelendung«, »Verslummung« oder »der Bronx von Berlin« gesprochen, wenn vom Rollbergviertel die Rede ist. Auch der Spiegel ließ sich bereits seitenlang über das Viertel aus. Titel: »Endstation Neukölln«.

In den Blättern des konservativen Informationsdienstes jammert der Alt-68er und Meinhof-Gatte Klaus Rainer Röhl, der sich heute bei diversen rechten Gruppierungen tummelt, den guten alten Neuköllner Zeiten hinterher. Damals hätten er und seine Freunde in Gaststätten bei Fanta und Kakao zusammengesessen und seien glücklich gewesen. Doch nun sei dort alles türkisch vereinnahmt. »Gar nicht multikulti und fröhlich, eher provozierend wirken die lärmenden Gruppen türkischer Halbstarker, die, in modische Sportklamotten gekleidet, schon mal untergehakt den ganzen Bürgersteig einnehmen und Selbstbewusstsein demonstrieren. 'Straße frei', sagen ihre unübersehbaren Gesten, 'das ist unsere Stadt'.« Als echter Deutscher könne man da schon Angst bekommen, wenn die Ausländer die Stadt eben auch als ihre Heimat betrachten würden. Die Überschrift von Röhls Artikel: »Bericht von einem Kriegsschauplatz«.

Die Politiker und die Sprecher der Wohnungsbaugesellschaften formulieren ihr Anliegen kaum anders. Von deutschen Kindern ist die Rede, die in der Grundschule nichts mehr mitbekommen würden, weil dort niemand mehr Deutsch spreche. Und später bekämen diese Deutschen wegen ihrer schlechten Ausbildung keine Jobs, weil gut ausgebildete Inder sie ihnen vor der Nase wegschnappen würden. Man könnte meinen, im Rollbergviertel hätten Deutsche keine Chance.

Im Osten von Berlin gibt es solche Probleme nicht. Da wird auch in der Grundschule mehrheitlich deutsch gesprochen. Diese Bezirke kommen vor allem wegen dem - bisweilen tödlichen - Rassismus ihrer deutschen Bewohner in die Schlagzeilen. Die öffentliche Diskussion darüber, Deutschen den Zuzug in Viertel mit zu geringem Ausländeranteil und zu hoher Fremdenfeindlichkeit zu verwehren, bleibt allerdings aus.

Bei der Degewo muss Unternehmenssprecher Fiedler zwar einräumen, dass eine Obergrenze für deutsche Mieter eine konsequente Weiterführung der Methode: »Ausschluss von unerwünschten Mietern bei der Wohnungsvergabe« sein könnte. Aber keine Wohnungsbaugesellschaft wäre wohl bereit, für eine Quote deutscher Mieter zu plädieren, um ihre ausländerfeindlichen Mieter in den Griff zu kriegen.