CDU Spenden-Affäre

Schreibers Talk-Show

Kanada prüft, ob ausgeliefert wird. Schreiber hofft, dass nicht. Die CDU erlebt, wie neue Details der Korruption bekannt werden. Kohl spendet.

Wie man mit Journalisten umgeht, das hatte Karlheinz Schreiber schon immer gut heraus: Bereits am Anfang seiner Karriere als weltweit agierender Waffenhändler pflegte er beste Kontakte zur Lokalpresse. In den siebziger Jahren begann er in seinem Einfamilienhaus im oberbayerischen Kaufering langsam die Fäden in alle Welt zu knüpfen - als Basis diente wie so oft das Parteibuch der CSU: Vor allem die männlichen Redakteure soll Schreiber so manches Mal zu Privatfesten eingeladen haben.

Auch Jahrzehnte später weiß der Waffenhändler Schreiber wie man die Journaille am Besten ködern kann. Seit er im August 1999 in Kanada wegen eines deutschen Auslieferungsantrags kurzzeitig verhaftet wurde - gegen Zahlung einer Millionenkaution kam er bald wieder auf freien Fuß -, hat er die deutschen Medien immer wieder mit gut dosierten Enthüllungen versorgt. Seine Telefonnummer war jedem Journalisten bekannt. Wer eine Seite-eins-Geschichte benötigte, der brauchte die Nummer nur zu wählen. Schreibers Wut über die bundesdeutschen Politiker, die ihn nicht mehr wie früher tatkräftig bei seinen Geschäften unterstützten und ihn vor unangenehmen Fragen der Justiz bewahrten, verdanken wir den Rücktritt von Wolfgang Schäuble als CDU-Chef und Fraktionsführer: Er stolperte über 100 000 Mark in bar, die ihm Schreiber überreicht haben will. Aber mehr noch geht auf Schreibers Konto eigentlich die Aufdeckung des gesamten CDU-Spendenskandals, die er durch sein Bekenntnis auslöste, eine Millionen Mark an CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergeben zu haben.

Vergangene Woche nun hat in Toronto die Anhörung über das deutsche Auslieferungsbegehren gegen Schreiber begonnen. Steuerhinterziehung, Bestechung sowie Beihilfe zu Betrug und Untreue im Zusammenhang mit diversen Waffen- und Flugzeuggeschäften werfen die deutschen Behörden ihm vor. Dabei geht es unter anderem um die von Schreiber vermittelte Lieferung von 36 Fuchs-Spürpanzern der Firma Thyssen an Saudi-Arabien sowie um den Verkauf von Airbus-Flugzeugen an kanadische und thailändische Airlines.

Und der Waffenhändler, seit einigen Jahren Besitzer eines kanadischen Passes, versprach den versammelten Presseleuten schon am ersten Tag: »Sie werden auf Ihre Kosten kommen.« So erklärte sein Anwalt Edward Greenspan, dass man über »sehr explosives Material« verfüge. Dabei spielte er auf das kanadische Justizministerium und dessen »schockierendes und illegales Verhalten« (Greenspan) im Zusammenhang mit der Airbus-Affäre an. Näheres wollte Greenspan zu Beginn der Anhörung allerdings nicht mitteilen. Die angekündigte Bombe schlug erst einmal nicht ein.

Auch gegenüber den deutschen Behörden und Politikern spielt Schreiber weiter sein altbekanntes Spiel: Regelmäßig kündigt er an, dass er die Politikszene demnächst zum Wackeln, wenn nicht zum Einsturz bringen werde, bleibt dabei aber meist nebulös. Ob Schreiber die deutsche Politszene tatsächlich noch einmal so erschüttern kann wie zu Jahresbeginn, ist eher fraglich. Denn erstens dürfte der CSU-Spezl, trotz aller ausgesprochenen Drohungen vor allem in Richtung der bayerischen Landesregierung, immer noch beste Kontakte ins weiß-blaue Bundesland halten, vor allem zu CSU-Generalsekretär Thomas Goppel, der nur ein paar Dörfer entfernt von Schreibers Herkunftsort Kaufering wohnt und auch schon mal seinen Familienurlaub in Schreibers Ferienwohnung verbringen durfte. Auf die Frage, ob er denn noch Kontakt zu Schreiber halte, antwortete Goppel vor einigen Wochen noch mit dem höchst originellen Satz: »Ich nicht zu ihm, aber er zu mir.« Und es steht zu vermuten, dass sich daran bis heute nicht viel geändert hat.

Zweitens kann sich der Waffenhändler in Kanada trotz des laufenden Auslieferungsverfahrens eigentlich ziemlich sicher fühlen. Sein Anwalt hat bereits angekündigt, im Notfall bis vor das höchste kanadische Gericht, den Supreme Court, ziehen zu wollen. Das Verfahren dürfte dann wohl an die drei Jahre dauern - ein Großteil der Schreiber vorgeworfenen Tatbestände wären bis dahin verjährt. Und auch sonst stehen die Chancen des Waffenhändlers nicht schlecht, dass er heil aus der Affäre herauskommt und nicht nach Deutschland ausgeliefert wird. Denn im Auslieferungsvertrag zwischen Kanada und Deutschland aus dem Jahre 1977 ist Steuerhinterziehung nicht als Auslieferungsgrund vorgesehen.

Während Schreiber also weiterhin ungehindert zwischen seinem Nobelappartement in Toronto und seinem Haus in Ottawa hin und her pendeln darf und sich mit dem Gedanken trägt, in Kanada eine Restaurantkette zu eröffnen, fragt man sich in Deutschland weiterhin, woher die restlichen CDU-Millionen gekommen sind, die nicht aus Schreibers Provisionszahlungen für diverse Waffen- und Flugzeuggeschäfte stammen. Und dabei taucht ein Firmenname immer häufiger auf: die Siemens AG.

Bereits im April hatte der Bundestagsuntersuchungsausschuss zur Spendenaffäre das Unternehmen ins Visier genommen. Damals hatte der ehemalige Generalbevollmächtigte der CDU-Schatzmeisterei, Uwe Lütje, erklärt, Siemens habe ab 1984 jährlich eine Millionen Mark an die CDU übergeben - immer in der Schweiz, in bar, im schwarzen Aktenkoffer. Für welche Gegenleistung die Christdemokraten das Geld wahrscheinlich erhielten, wurde nun publik: So soll Siemens unter Umgehung des bestehenden Embargos High-Tech-Erzeugnisse an die DDR geliefert haben.

So teilte der einstige BND-Chef Hans-Georg Wieck dem Kanzleramt im Februar 1990 schriftlich mit, dass die DDR »vor allem Technologie und Anlagen von Siemens in bedeutendem Umfang beschafft« habe, unter anderem »für die Fertigung von Ein-Megabit-Chips«. Das Kanzleramt wusste also spätestens seit Wiecks Brief über die Embargo-Verletzungen durch den Konzern Bescheid, ohne etwas zu unternehmen. Vermutlich aber war die Bundesregierung von Anfang an über die illegalen Siemens-Geschäfte informiert.

Darauf deutet jedenfalls ein Vermerk des Bundeskanzleramtes aus dem Jahr 1985 hin, den die Berliner Zeitung nun veröffentlicht hat. Demzufolge teilte der Chef des DDR-Außenhandelsbereiches Kommerzielle Koordinierung, Alexander Schalck-Golodkowski, dem damaligen Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble telefonisch mit, er habe »gerade dem Vorstand von Siemens ein Angebot gemacht, weitere sechs Güter der ersten Sorte in Höhe von 30 Mio. DM zu kaufen«. Mit »Gütern erster Sorte« waren üblicherweise Waren gemeint, die nach den Bestimmungen des Embargos nicht in die Staaten des Warschauer Vertrages geliefert werden durften.

Die CDU ließ sich aber nicht nur vom Großkapital schmieren, sondern hielt sich nach dem Ende der DDR anscheinend auch am SED-Vermögen schadlos. Entsprechenden Hinweisen geht zumindest der BND nach. So sollen nach 1990 SED-Gelder in Höhe von rund 500 Millionen Mark nach Ungarn geflossen sein. Ein Teil davon, so vermutet man beim BND, könnte zurück ins wiedervereinigte Deutschland transferiert worden sein - in die schwarzen Kassen von Kohl und seiner CDU.

Beweise dafür stehen zwar noch aus, die Ermittlungen des BND zur CDU-Spendenaffäre haben inzwischen zu einigen diplomatischen Verwicklungen zwischen Ungarn und Deutschland geführt. Denn als Informantin in Sachen SED-CDU-Millionen diente dem deutschen Nachrichtendienst ausgerechnet die Ehefrau eines ungarischen Geheimdienstmannes. Die Reaktion aus Ungarn ließ nicht lange auf sich warten: Budapest teilte der deutschen Regierung seine »Irritation« über diesen Vorgang mit. Gleichzeitig wurde man im BND-Hauptquartier in Pullach vorstellig, um sich entschieden gegen die Ausspähung eines ungarischen Geheimdienstlers durch seine Ehefrau zu beschweren.

Und was macht der Hauptverantwortliche der ganzen Affäre? Helmut Kohl hüllt sich in Schweigen oder dementiert. Von irgendwelchen Siemens-Spenden will er jedenfalls nichts gewusst haben. Seit letztem Sonntag ist auch sein Gewissen rein: Kohl ließ acht Millionen Mark auf das Konto der CDU überweisen, die er unter anderem bei Heiner Lauterbach, Leo Kirch und Uschi Glas eingesammelt hat.