Entschädigung für österreichische Zwangsarbeiter

Almosen der Alpenrepublik

Nun will auch Österreich seine ehemaligen Zwangsarbeiter zum Schweigen bringen: mit sechs Milliarden Schilling. Aber nur, wenn die Bedingungen stimmen.

Momentan weiß Peter Moser nicht, wie ihm geschieht. Der Mann weilt schon seit längerem im feindlichen Ausland. Und als österreichischer Botschafter in Washington hat er, wie er meint, besonders zu leiden. Vor einigen Wochen schickte er wie viele seiner Kollegen im diplomatischen Dienst ein Mail an das Wiener Außenministerium. Darin beklagt Moser, dass so ein Botschafterleben wirklich nicht leicht sei, seit Blau-Schwarz regiert.

Ausladungen des diplomatischen Corps sind an der Tagesordnung, und das Image der Alpenrepublik in den USA ist verheerend. Dass das so bleibt, dafür sorgt auch Peter Moser: Die vor wenigen Wochen von dem US-Anwalt Edward Fagan eingebrachte Sammelklage von acht Holocaust-Opfern gegen Österreich verglich er in einem Interview mit der österreichischen Wochenzeitung Profil mit einer Klage »wegen schlechten Instantkaffees«.

Und auch in Wien wird Gelassenheit demonstriert, wenn es um finanzielle Entschädigungen der NS-Zeit geht. Schon kurz nach ihrem Antritt installierte die schwarz-blaue Regierung eine Beauftragte für die »Wiedergutmachung«. Mit der 70jährigen Maria Schaumayer hat sie eine gute Wahl getroffen: Als ehemalige Nationalbankpräsidentin kennt sich Schaumeyer mit Geld aus - und vor allem damit, wie man es nicht ausgibt. Für sie ist denn auch die 260-Milliarden Schilling-Klage (18,5 Milliarden Euro), die Fagan im Namen der acht Holocaust-Opfer eingebracht hat, »absurd«.

»Diese Summe entspricht zehn Prozent des österreichischen Bruttoinlandsproduktes. Das ist außerhalb aller Proportionen«, erklärte Schaumayer sichtlich vergrätzt. Außerhalb aller Proportionen aber ist allenfalls die Lösung, die nun von der österreichischen Bundesregierung angestrebt wird: Läppische sechs Milliarden Schilling (rund 425 Millionen Euro) sollen den etwa 150 000 noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeitern bezahlt werden. Wenn tatsächlich alle Überlebenden das Almosen aus Wien annehmen, würde jeder gerade mal 40 000 Schilling (etwa 2 800 Euro) erhalten.

Doch nicht alleine der überschaubare Betrag ist es, der die Wiener Regierung froh machen muss. Auch die damit einhergehenden rechtlichen Forderungen hat man sich vom deutschen Vorbild abgeschaut: Ein Opferfonds soll eingerichtet werden, um jeden weiteren finanziellen Schaden von der Republik oder den 1 200 Unternehmen, die einmal Zwangsarbeiter beschäftigt haben, abzuwenden.

Das betont Maria Schaumayer gerne: »Es gibt keinen klagbaren Rechtsanspruch gegen Österreich. Artikel 21 und 26 des Staatsvertrages legen fest, dass keinerlei Ansprüche gegen Österreich gestellt werden können«, so Maria Schaumayer gönnerhaft. Außerdem sei die Sammelklage gegen die Republik völkerrechtlich gar nicht möglich, wenn man dennoch bezahle, beweise das nur die eigene Güte.

Die profitable Ausbeutung von Zwangsarbeitern durch österreichische Unternehmen - und, vermittelt über den Staat, auch für alle Österreicher - wird also höchstens als Unfall der Geschichte behandelt. Nach dieser Logik gleicht die finanzielle Entschädigung denn auch mehr einer humanitären Spendenaktion für Überschwemmungsopfer in Mosambik oder für Angehörige der Grubenopfer von Lassing. Augenzwinkernd werden die Groschen überwiesen, anschließend klopft sich die Spendergemeinschaft gegenseitig auf die Schulter.

Die schwarz-blaue Regierung wird ihre Freude damit haben. Kann doch einer der Koalitionspartner, dem im Ausland stets »Probleme mit der Vergangenheitsbewältigung« nachgesagt wurden, jetzt sein wahres Gesicht zeigen. Gleichzeitig wird auch noch, durch die Betonung des Spendencharakters der Entschädigungszahlungen, Jörg Haiders Spruch von der »ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich« legitimiert.

Dass Haider nicht recht behält, dafür möchte zumindest Edward Fagan sorgen. Er und seine Kollegen kritisieren, dass Schaumayer nur ein Verhandlungsmandat über die Ansprüche der Zwangsarbeiter hat. Fagan jedoch möchte auch die Frage der Arisierungen behandelt wissen und erst bei 60 Milliarden Schilling (rund vier Milliarden Euro) zu verhandeln beginnen.

Doch das möchte die Bundesregierung auf keinen Fall. Während Maria Schaumayer immer wieder die »schnelle humanitäre Hilfe« betont, setzt die Regierung auf Zeit. Mit den sechs Milliarden sollen die Zwangsarbeiter erst mal ruhig gestellt werden - den Rest erledigt die Biologie. Schließlich wären die Güter, die arisiert wurden, viel einfacher zu berechnen, da würden humanitäre Gesten wenig nutzen.

Selbst an der Schnelligkeit des Schluss-Strich-Deals muss gezweifelt werden: Ein Gesetz zum »Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit« soll erst dann in Kraft treten, wenn das nötige Geld von Unternehmen und Republik beisammen ist. Das begünstigt langes Aussitzen: Einige Unternehmen könnten sich weigern, ihren Anteil zu zahlen, denn wie hoch der sein soll, ist nirgends festgeschrieben.

Mit Polen aber hat man sich erst mal geeinigt. In der vergangenen Woche reiste eine Delegation der polnischen Regierung nach Wien und erklärte sich vorerst bereit, für jeden der 19 194 betroffenen polnischen Staatsbürger rund 35 000 Schilling (2 500 Euro) anzunehmen.

Tschechische Zwangsarbeiter allerdings könnten einstweilen leer ausgehen. Die Regierung in Wien macht Druck und spielt immer wieder darauf an, dass eine Aufhebung der Benes-Dekrete - mit denen NS-Helfer in der Tschechoslowakei nach 1945 entschädigungslos enteignet wurden - sich günstig auf die Zahlungen an Zwangsarbeiter auswirken könnte.

Verquickt wird das alles auch noch mit der EU-Osterweiterung: »Ich kann mir natürlich vorstellen, dass im Zuge der EU-Osterweiterung sozusagen alles, was einmal menschenrechtswidrig war, allmählich außer Kraft gesetzt wird«, meinte Regierungsbeauftragte Schaumayer vor einigen Wochen im österreichischen Fernsehen.

Außer Kraft gesetzt werden müsste dann aber auch etwas, was dem ÖVP-Mitglied Schaumayer wahrscheinlich Schmerzen bereiten würde: Die Arisierung der Wiener ÖVP-Zentrale in der innenstädtischen Falkestraße. Das herrschaftliche fünfstöckige Haus hat heute einen Wert von rund 40 Millionen Schilling (2,8 Millionen Euro). Die ÖVP aber ist vor Jahren recht billig an die Residenz gekommen: 1938 war das Haus von Arnold Friedmann arisiert worden, Friedmann starb nach Kriegsbeginn in Wien, seine Frau wurde im KZ Theresienstadt ermordet.

Nach dem Krieg fiel das Haus an die Republik, der damalige ÖVP-Minister Peter Krauland vermietete es seiner Partei zu sehr günstigen Konditionen. Mitte der achtziger Jahre wurde es schließlich von der ÖVP gekauft. Für 13,5 Millionen Schilling.