Praunheims »Der Einstein des Sex«

Abt. Schwulsein für Einsteiger

Wenn sich endlich jemand daran macht, das Leben des Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld zu verfilmen, könnte das eine spannende und zugleich informative Sache sein. Wenn es aber jemand getan hat, um seinen Film mit dem peinlichen Titel »Der Einstein des Sex« anzupreisen, bleibt die Geschichte wohl auf der Strecke.

Man ahnt es: Rosa von Praunheim hat wieder zugeschlagen. In schönen Bildern erzählt der Regisseur die Biographie des Mannes, der die Sexualwissenschaft und vor allem die Bestimmung dessen, was homosexuell ist und was nicht, revolutioniert hat, und er muss sie auch gleich toterzählen. Kindheit und Jugend wird ein kurzer Auftritt beschert, weise Erwachsene bestärken den Jungen in seinem frühkindlichen Interesse, Schwanzbildchen zu malen.

Später: Die Eltern würden gern eine schöne Ehefrau an seiner Seite sehen; dass es damit nichts wird, daran ist Hirschfelds psychosexuelle Feinjustierung schuld. Es folgt ein bisschen Unzufriedenheit in der Universität, denn mittlerweile studiert Magnus Medizin und echauffiert sich über die Plattheiten der Schulwissenschaft. Der beste Kumpel geht auf Abstand, weil der auch gemerkt hat, dass Magnus in der Version von Praunheims schwuler als das Leben selbst ist.

Der Film lässt 25 Jahre aus und landet bei einem behäbigen Dickbauch, der Hirschfeld nun geworden ist. Dass er sich selbst körperästhetische Freuden versagt, um für die Wissenschaft leben zu können, kompensiert der Held mit Kuchen von Muttern. Das legendäre Institut für Sexualwissenschaften wird aufgebaut, eine kleine alternde Tunte wird seine Hausangestellte, es folgen Vortragsreisen, Berühmtheiten, jugendliche Liebhaber, Exil - und schon ist der Spuk vorbei.

Rosa von Praunheim veranstaltet eben lieber Schwulenkabarett statt Film: Sonst wäre ihm auch aufgefallen, dass es kein Fehler gewesen wäre, wenn die Darsteller des jüngeren und des älteren Hirschfeld sich ein bisschen ähnelten. Dass der Regisseur seinen Protagonisten mit einer hölzern agierenden Nebenrollen-Personnage - der unvermeidliche Becker-Clan - umgibt, macht den »Einstein des Sex« nicht weiser. Aber umso engagierter: Als die Nazis das Institut stürmen, schlagen sie erst mal seinen Liebhaber zusammen. Bis die Haushälterin kommt, eine Aufsehen erregende Rede hält und die Hetero-Buben tatsächlich zurückweichen. Wer's glaubt, wird selig.

Hier appelliert der Aufklärer, der von Praunheim so gern sein möchte, ans zivilcouragierte Gemüt. Ansonsten wird der Werdegang des Doktors mit lieblichen Lachern hier, süßlichen Schmünzelchen da angereichert. Das mag dem Humor von 16jährigen entsprechen, die sich gerade im Coming-out-Stadium befinden. Dass sich der Regisseur konsequent über sein Sujet stellt, dürfte auch ihnen nichts nützen.

Das Thema als eines zu zeigen, das über enge Grenzen hinausgeht, darauf ist gründlich verzichtet worden. Hier hat einer für eine imaginäre Community gedreht, die aus dem imaginären Verwandtenkreis bestehen dürfte. Was dabei abhanden kommt, ist die Figur des Magnus Hirschfeld, die doch im Mittelpunkt hätte stehen können, wenn nur der Film einen distanzierteren Blick aufzuweisen hätte.

Distanz aber ist mit von Praunheim nicht zu haben: Ihm sind alle Schwulen gleich schwul, und das muss man ihnen so deutlich ansehen, dass man das Kino mit dem Gefühl verlässt, sie seien an sich selber schuld. Indem sie in die Rolle gezwungen werden, die ihnen von der Gesellschaft und von Leuten wie von Praunheim zugedacht ist: die der exotischen Witzfigur.

»Der Einstein des Sex«, D 1999. R: Rosa von Praunheim, D: Kai Schuhmann, Friedel von Wangenheim, Ben Becker, Wolfgang Völz. Start: 9. März