»Offshore in Zentraleuropa«

Der Schweizer Ökonom Gian Trepp über Geldwäsche in seinem Herkunftsland und im Fürstentum Liechtenstein

Ist nach der Ankündigung Liechtensteins, dem Genfer Generalstaatsanwalt Bernard Bertossa umfangreiche Akten zur Korruptionsaffäre um den Elf-Aquitaine-Konzern zukommen zu lassen, noch Verlass auf das liechtensteinische Bankgeheimnis?

Man muss das im Kontext eines Berichts sehen, der vor einigen Wochen im Spiegel erschien. Dabei ging es um Abhöraktionen des BND gegen Fernsprechverbindungen mit Liechtenstein und um die Erkenntnis des deutschen Geheimdienstes, dass dieser ganze Kleinstaat korrupt ist, dass alle Mafias der Welt dort sitzen. Danach ist natürlich ein Riesendruck auf Liechtenstein entstanden.

Dass jetzt Rechtshilfe gewährt wird, ist zumindest etwas Neues. Bislang war es praktisch ausgeschlossen, dass Liechtenstein Bankkonten einfriert oder Konto-Unterlagen beschlagnahmt. Nach der Beschlagnahmung besteht vielleicht die Möglichkeit herauszufinden, an wen diese Gelder in Deutschland ausbezahlt wurden.

Die Genfer Staatsanwälte scheinen viel weiter zu sein als ihre Kollegen in Augsburg. Bertossa hat letzte Woche seiner Verwunderung darüber Ausdruck gegeben, dass die deutschen Ermittler noch nicht versucht haben, auf seine umfangreichen Erkenntnisse in diesem Fall zurückzugreifen. Gibt es dafür eine Erklärung?

Das Verfahren wegen vermuteten Subventionsbetrugs und wegen Schmiergeldzahlungen ist in Frankreich bereits vor drei Jahren in Gang gekommen. Damals hat die Staatsanwaltschaft Paris ermittelt und auch Topmanager von Elf Aquitaine in Untersuchungshaft genommen sowie Rechtshilfegesuche nach Genf gestellt. Im Zuge ihrer Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Genf dann festgestellt, dass möglicherweise auch schweizerische Gesetze gebrochen worden sind. Vor zwei Jahren begann sie dann, von sich aus zu ermitteln.

Letzte Woche war übrigens nicht das erste Mal, dass Bertossa öffentlich die Frage stellte, warum Augsburg nie wie Paris ein Rechtshilfeersuchen gestellt hat. Das wäre ja eigentlich logisch, wenn man einmal davon ausgeht, dass derjenige, der besticht, in Paris sitzt und der andere, der das Schmiergeld annimmt, in Deutschland.

Damit, dass es dem Rechtshilfeersuchen nachkommt, schadet sich Liechtenstein selbst ziemlich stark. Schließlich ist dieser Staat auf dem Fundament des ausländischen Kapitals gebaut, das dort investiert wird.

Schon seit den zwanziger Jahren hat der Liechtensteiner Landtag die Gesetze so ausgestaltet, dass ausländische Kapitaleigner ideale Bedingungen vorfinden. Mit der Möglichkeit so genannter Sitz-Gesellschaften kann man legal Vermögen anonymisieren und die wirtschaftlich Berechtigten tarnen. Natürlich gibt es auch andere Offshore-Zentren auf der Welt: Cura ç ao, Jersey, die Seychellen. Meistens haben die aber keine eigenen Banken. Durch die Kombination eines Bankkontos bei einer Liechtensteiner Bank mit einer der nur dort möglichen Gesellschaftsformen aber können Sie sich anonym in die Weltwirtschaft einklinken. Wenn die Nachbarländer das jetzt nicht mehr tolerieren, wird das sicherlich bedeuten, dass dieser riesige Wohlstand gestutzt wird. Denn die Finanzdienstleister werden dann einfach abwandern.

Wenn es in Liechtenstein so einfach ist, Geld zu waschen und Schwarzgeld zu deponieren, warum hat dann ein Konzern wie Elf Aquitaine sein Netz von mehr als 300 Konten in der Schweiz aufgebaut, um die Spuren des Geldflusses zu verschleiern?

Es ist heute nicht mehr unbedingt gesagt, dass das in Liechtenstein einfacher gewesen wäre. Da die Hauptmethode der Nachforschung bei Geldwäscherei heute die ist, verdächtige Transaktionen bei den Banken weiter zu verfolgen, machen Sie sich schon verdächtig, wenn da irgendwo einmal das Wort Liechtenstein vorkommt. Diese Tendenz kann man auch gegenüber anderen Offshore-Zentren beobachten. Möglicherweise ist deren Zeit jetzt langsam abgelaufen.

Das hat etwas zu tun mit der so genannten rationalen Steuerpolitik, die jetzt europaweit gefahren wird. Demnach muss der Staat Steuerzahlungen auch erzwingen - und darf Schlupflöcher nicht mehr zulassen. Und die größten Schlupflöcher sind eben Liechtenstein und Luxemburg.

Wie sollen sie gestopft werden?

Dafür müssen sie ans Bankgeheimnnis ran. In der Schweiz ist das vor gut zehn Jahren auf Druck der USA schon geschehen, als Nebenschauplatz des so genannten Kriegs gegen Drogen. Die Banken sind praktisch als Hilfspolizisten eingespannt worden: Sie sind meldepflichtig, wenn sie einen Verdacht auf Geldwäsche haben. Das Bankgeheimnnis im alten Stil existiert hier nicht mehr.

Könnte man sagen, Elf Aquitaine hat die Schweizer Banken in den neunziger Jahren benutzt, als ob noch die Gesetze der Siebziger gälten?

Ja. Sie haben ihren Strohmann André Guelfi eingesetzt, und sie haben sich sicher gefühlt. Die staatlichen Ölgesellschaften wie Elf Aquitaine oder Eni in Italien haben Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger geschmiert, dass die Schwarten krachten.

Woher hat ein auf Korruption spezialisierter Konzern wie Elf Aquitaine die Sicherheit genommen, dass sein Schwarzgeld ausgerechnet in der Schweiz gut untergebracht ist?

Es war einfach eine Tradition. Die Schweiz hat beispielsweise für das italienische Schmiergeld-System jahrzehntelang diese Rolle gespielt. Und es sind zum Teil dieselben Leute in Genf, in Zürich und Lugano, die jetzt wieder für Elf gearbeitet haben.

Wie schätzen Sie die Chancen der Ermittler ein? Wird man bei einem System von mehreren Hundert Konten je eine Chance haben nachzuvollziehen, welche Geldbeträge wohin geflossen sind?

Das hängt davon ab, ob es lediglich um Korruption geht, oder ob es eine Verbindung zur Organisierten Kriminalität gibt. Bei reiner Politkorruption gibt es in der Regel wenig Vorsichtsmaßnahmen, denn die jeweils Handelnden fühlen sich stark: Ein Mann wie Schreiber saß bei Kohl zu Tisch. Wenn der Elf-Aquitaine-Fall so etwas ist, dann gibt es vielleicht auch mal ein Geständnis eines Politikers wie in Italien beim Mani-Pulite-Korruptionsskandal. Da haben sich reihenweise Politiker bei den Staatsanwälten gemeldet mit dem Geständnis: Ja, ich habe Schmiergeld genommen, aber ich war nur Teil eines Systems, die Partei hat sich so finanziert.

Wenn auch Geld der Organisierten Kriminalität eingeflossen ist, hat die betreffende Person ein Riesen-Interesse, dass das nie ans Tageslicht kommt. Nachdem am vergangenen Samstag

Giorgio Pelossi, der frühere Geschäftspartner von Schreiber, in Chicago festgenommen wurde, scheint so etwas gar nicht mehr so unwahrscheinlich: Die US-amerikanischen Behörden werfen ihm vor, rund 25 Millionen Dollar für das kolumbianische Cal'-Kartell gewaschen zu haben. Wenn hier eine Verbindung besteht, dann wäre das natürlich eine neue Dimension.

Gian Trepp beschäftigt sich seit längerem mit der Schweiz als Schauplatz von Geldwäsche und Finanzschiebereien. In Deutschland erschien unter anderem bei Heyne »Swiss Connection«, das die Schweizer Verwicklungen in den italienischen Mani-Pulite-Skandal zum Thema hat.