Buchclub der Landser

Was viele schon wussten, bestätigte jetzt eine Kommission: Bertelsmann war für die Nazis wichtiger als der eigene Parteiverlag.

Zum 40.Jahrestag der Machtergreifung der Faschisten erschien 1973 in dem zu Bertelsmann gehörenden Orbis-Verlag ein achtseitiger Original-Nachdruck des Völkischen Beobachters vom 31. Januar 1933; das Faksimile war von einem vierseitigen Mantel umgeben, in dem »Historiker zusätzliche Informationen und Kommentare zum besseren Verständnis« der damaligen Zeit lieferten, wie es in einer Verlagsmitteilung hieß. So schrieb beispielsweise ein Dr. Dietrich Strothmann über die »Hintergründe der Machtübernahme« auch diese Zeile: »Die Demokratie ging an ihren Demokraten zugrunde.«

Einer dieser damaligen Demokraten war Heinrich Mohn, der die Bertelsmann-Druckerei nach Ende des Ersten Weltkrieges von seinem Vater Johannes übernahm. Zum Familienwechsel Bertelsmann zu Mohn kam es bereits im Jahre 1881: Firmengründer Carl Bertelsmann vererbte den Betrieb seinem Sohn Heinrich. Dessen beide Söhne starben im Kindesalter, so dass Tochter Friederike Alleinerbin wurde. Diese heiratete in die Familie Mohn ein. Heinrich Mohn hat sich während des Faschismus in der Bekennenden Kirche engagiert; gleichwohl war er auch förderndes Mitglied der SS und spendete rund 15 000 Reichsmark.

Im Juni 1998 erwarb der Bertelsmann-Konzern den US-Verlag Random House. Bei einem Empfang in New York stellte der heutige Vorstandsvorsitzende des Gütersloher Medienriesen das Haus Bertelsmann als »unbefleckt« dar und zeichnete das Bild des »Widerstandsverlages«. Wegen der Herausgabe theologischer Schriften sei Bertelsmann einer der wenigen nicht-jüdischen Verlage gewesen, der von den Nazis geschlossen wurde.

Nach und nach musste dieses Bild geradegerückt werden, u.a. durch Berichte der Schweizer Weltwoche, des 3 Sat-Magazins »Kulturzeit« und des WDR-Magazins »Monitor«. Anfang des Jahres 1999 erschienen beim evangelischen Pressedienst, in der Neuen Zürcher Zeitung sowie in einigen US-amerikanischen Publikationen Berichte über die Vergangenheit von Bertelsmann. Noch im Mai 1999 versuchte die PR-Abteilung des Konzerns, die Erkenntnisse herunterzuspielen: »Richtig ist, daß Bertelsmann aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse den Eindruck haben mußte, der Verlag sei wegen verschiedener christlich geprägter Buchpublikationen den Nazis ein Dorn im Auge gewesen«, heißt es in einer Erklärung. Doch eine Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und Nachforschungen des Potsdamer Verlagshistorikers Siegfried Lokatis stützten bereits im März 1999 die Erkenntnisse von der Verstrickung des Verlages in die NS-Propaganda. Erst nachdem die amerikanischen Geschäftspartner auf Aufklärung drängten, wurde die unabhängige historische Kommission unter Leitung von Saul Friedländer eingesetzt.

Während des Nationalsozialismus war Bertelsmann - noch vor dem Naziverlag Eher - der größte Produzent für nazitaugliche Unterhaltungs- und Kriegsliteratur sowie für Propadanda. Zu diesem Schluss kommt die Kommission in ihrem in der vergangenen Woche vorgelegten Zwischenbericht. Wie die FAZ dazu anmerkte, war Bertelsmann »Hitlers bester Lieferant«, und zudem seien die Erkenntnisse der Kommission »ein Desaster für die bisherige Selbstdarstellung des Konzerns«. Die Erklärung, die Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff dazu abgab, bezeichnete die Zeitung als »merkwürdig kurz«. Der Manager bedauerte die Vergangenheit, da »dieser Sachverhalt auf Grund einer unzureichenden Kenntnis der damaligen Ereignisse bisher unzutreffend dargestellt wurde«.

Bereits ab 1935 erweiterte der C.Bertelsmann-Verlag sein konfessionelles Verlagsprogramm um »Kriegserlebnisbücher« und war »genau genommen seit 1939 kein religiöser Verlag mehr«, wie die NZZ am 8. März 1999 schrieb. Zur »Erbauung« der Soldaten wurden im Auftrag der Wehrmacht Reihen wie die »Feldpostausgaben«, die »Kleine Feldpostreihe« und »Feldposthefte« herausgegeben und gedruckt. Im Jahre 1938 betrug der Bertelsmann-Gewinn 284 191 Reichsmark, im Jahre 1941 waren es bereits 3 259 730 Reichsmark. Die Schriften tragen Titel wie »Mit Bomben und Mgs über Polen«, »Jagdgeschwader Schuhmacher räumt auf« oder »Wir funken für Franco« und sind keinesfalls als Ausrutscher zu bezeichnen. Zum Teil erreichten sie Auflagen von etwa 100 000 Exemplaren. Von dieser Dimension sei man »überrascht«, sagte Friedländer.

Insgesamt wurden etwa 20 Millionen »Landser»-Hefte gedruckt. Die Kommission hat 119 Druckereien außerhalb des damaligen Reichsgebietes ausfindig gemacht - die meisten davon in von deutschen Soldaten besetzten Ländern -, in denen die Wehrmachtsaufträge von Bertelsmann abgewickelt wurden. Die Schließung von Verlag und Druckerei durch die Reichsschrifttumskammer 1944 erfolgte nicht - wie von Bertelsmann bisher behauptet - wegen oppositioneller Haltung zu den Nationalsozialisten, sondern wegen unrechtmäßig erworbenen Papiers und stand im Zusammenhang mit der totalen Kriegsmobilmachung.

Im Übrigen war Bertelsmann nur einer von »wenigstens 1 600 nichtjüdischen Verlagen«, die von den Nazis in Folge des Krieges geschlossen wurden. Im März 1944 wurde ein Teil der Firma von britischen Bombern zerstört. Unter Reinhard Mohn begann nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der Wiederaufbau. Dabei hatte Bertelsmann gegenüber anderen Verlagen einen entscheidenden Vorteil: die riesigen Papiervorräte aus der Nazizeit.