Böses Bilanz

Der Mann ist gut. Obwohl er Böse heißt, Kuno Böse. Und er versteht sein Handwerk wirklich. Sein Handwerk heißt übrigens Politik. Der Mann ist Politiker, Mitglied in der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands. Und das mit so einem Namen. Die CDU ist nicht nur für ihre Kampagne gegen die Abschaffung des deutschen Blutrechtes bekannt, sondern auch für Law-and-Order. Der Name Böse passt nicht so gut dazu. Aber was soll's. Der innenpolitische Sprecher der Partei heißt Roland Gewalt, da ist nicht mehr viel zu verlieren.

Böse war Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Inneres. Bis Anfang dieses Jahres. Am Montag wurde er durch einen anderen ersetzt. Obwohl Böse echt gut ist. In der letzten Woche seiner Amtszeit stellte er noch einmal unter Beweis, wie er die Medien der Hauptstadt voll in der Hand hat. Vor Silvester witterten die Journalisten nämlich eine Superstory: Die Autonomen kommen. Niemand wusste, woher, aber alle, was sie machen würden. Das, was sie immer machen: alles kaputt. Im Internet kursierte ein mysteriöser Aufruf, im autonomen Wochenblatt Interim die Ankündigung, teure Silvesterbuffets zu erobern.

Daraufhin kamen die Journalisten alle zu Böse. Der lächelte smart. Und das ist verdammt wichtig, wenn man zu so einem ernsten Thema in eine Fernsehkamera blickt. Die Innenverwaltung habe alles im Griff, war seine Botschaft an die besorgten Journalisten und die ängstlichen Berliner.

Das hat er gut gesagt, aber es stimmte nicht ganz. Ziemlich genau zwölf Stunden, nachdem Böse seine gute Nachricht weitergegeben hatte, brannte es in Berlin: Neun so genannte Nobelkarossen - Mercedes, Porsche, BMW - in verschiedenen Bezirken und das, so die Polizei, nahezu zeitgleich. Ein autonomer Vorgeschmack, eine Nacht vor Silvester? Der Staatsschutz vermutet das - wegen der Machart der Brandsätze.

Also doch! Die Autonomen schlagen wieder zu, die Innenverwaltung kann das kaum noch leugnen. Aber sie kann es verharmlosen. Zumindest Böse kann das. Neun abgefackelte Autos in einer Nacht sind zwar krass, aber Böse weiß: Wenn er jetzt vor den Linken warnt, machen die Medien Panik. Und die Politszene sieht sich bestätigt, weil sie endlich für Schlagzeilen sorgt. Und deswegen sagt er: Die Anschläge ändern an der Einschätzung nichts, es droht keine Gefahr. Etwas zu banalisieren, ist Böses Stärke. Mehr oder weniger nebenbei wird bekannt, dass es im Laufe des Jahres schon 16 weitere Brandstiftungen gegen von Linken so sehr gehasste »Nobelkarossen« gegeben hat.

In der Silvesternacht erweist sich das von Böse so überzeugend nach außen getragene Konzept der Innenverwaltung erneut als Erfolg. Die wenigen krawallinteressierten Autonomen sehen sich in Kreuzberg einer polizeilichen Übermacht ausgesetzt - und lassen daraufhin ihre etwas andere Millenniumsparty ausfallen. »Keine großen Ausschreitungen«, heißt es beruhigend in einer Böses Behörde nachgeordneten Stelle, dem Lagezentrum der Polizei. Ganz nebenbei ist wieder von vier weiteren abgefackelten »Nobelkarossen« die Rede. Selbst die B.Z. am Sonntag geilte sich und ihre Leser lieber an einem geplünderten Geschäft in Reinickendorf und einer Kundgebung vor dem Knast in Moabit auf. Über die Brandanschläge kein Wort. Pech für die vermutlich linken Täter, gut für Böses Bilanz.