Ja, desertieren!

Der Jugoslawien-Krieg ist seit über einem halben Jahr vorbei, doch juristisch wird noch weiter gekämpft - in Deutschland. Gemeinsamer Gegner bundesdeutscher Staatsanwälte: Rund 70 Anti-Kriegs-Aktivisten, gegen die in über 100 Verfahren wegen Aufforderung zur Befehlsverweigerung, Fahnenflucht oder der Aufforderung zur Verbreitung dieser Aufforderungen ermittelt wird. Sie hatten einen entsprechenden, am 21. April in der tageszeitung veröffentlichten Aufruf unterzeichnet. Während das Verfahren gegen die taz eingestellt wurde, gab es in drei weiteren Verfahren zwei Freisprüche und eine Verurteilung.

Ende letzter Woche stand Ralf Siemens, Mitarbeiter der Berliner Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär wegen Aufforderung zur Desertion ebenfalls vor Gericht. Die Kampagne hatte auf einem Plakat den Satz »Desertiert aus allen kriegsführenden Armeen!« verwendet. In der Verhandlung legte Siemens dar, dass mit den Nato-Angriffen gegen Völkerrecht und Grundgesetz verstoßen wurde. Vor diesem Hintergrund sei die Aufforderung, sich nicht daran zu beteiligen, ge- und nicht verboten. Zwar räumte der Richter ein, dass jeder Krieg widerrechtlich sei - allerdings nur, wie er im Urteil klarstellte, »auf einer höheren Ebene«. Er verurteilte Siemens zu zehn Tagessätzen von jeweils 30 Mark.