Klandestine Konten bei der CDU

Der Kohl geht weiter

Den Reichen nehmen - der Organisation geben. Revolutionäre aller Länder haben es immer wieder versucht: Per Geiselnahme, Revolutionssteuer oder bewaffnetem Banküberfall organisierten sie die Enteignungen von unten. Was von Staatswegen nicht zu erreichen war, wurde auf diese Weise selbst herangeschafft: Um die leeren Kassen zu füllen, die Basis unter Kontrolle zu halten und bei aller revolutionären Rhetorik auch das Wohl der eigenen Funktionäre nicht aus dem Auge zu verlieren, mussten eben die Kassen der besitzenden Klassen daran glauben. Weiter nichts Ungewöhnliches - nur manchmal etwas beschwerlich.

Erheblich erleichtert wird die ganze Angelegenheit, wenn sich das Anliegen derer, die die eigene Organisation stärken wollen, deckt mit dem jener, die einen Gutteil des nationalen Kapitals ihr Eigen nennen. Dann also, wenn die Partei an der Macht oder auf dem Weg dorthin zugleich bevorzugter Ansprechpartner der Wirtschaft ist. Plötzlich läuft das Geschäft ganz anders: Geldbeschaffungsmaßnahmen von unten erübrigen sich; nicht mehr die Organisation muss bitten - sondern Banken und Industrie bieten an. Lobbyisten aller Unternehmen, vereinigt euch: Entsprechende Gegenleistungen vorausgesetzt, gehört es noch in jedem parlamentarischen System zur guten Gepflogenheit, dass die Kapitaleigner den politischen Überbau stärken. Gute, d.h. schweigsame Partner in der Partei des Vertrauens vorausgesetzt.

Denn eines ändert sich auch dann nicht, wenn die Partei den Weg an die Spitze des Staates geschafft hat, bzw. dort seit etlichen Jahren sitzt: Illegal bleibt die ganze Angelegenheit der Geldbeschaffung trotzdem - zumindest dann, wenn sich das Schmieren rentieren soll. So schreibt das deutsche Parteiengesetz vor, dass Spenden von Unternehmen an Parteien die Peanuts-Grenze von 20 000 Mark nicht überschreiten dürfen. Was dazu führt, dass revolutionäre Organisationen und Regierungsparteien ein Problem eint: Wer wirklich zu Geld kommen will, muss dies klandestin tun.

Nichts anderes hat über mehr als ein Vierteljahrhundert hinweg der Vorsitzende der Partei getan, die die Bonner Republik am längsten regierte: Helmut Kohl fing an, das Prinzip Vetternwirtschaft dort zu studieren, wo man in Deutschland Korruption am besten lernt - in der Provinz. Zwischen Mainz und Koblenz legte er als Ministerpräsident schon in den sechziger Jahren den Grundstein für das, was erst zwei Jahrzehnte später nach ihm benannt werden sollte: das System Kohl.

Rheinland-Pfalz entwickelte sich in dieser Zeit zum bundesweit begehrtesten Standort für die Geldwaschanlagen von CDU und FDP - und zum Vorbild für Parteien in der ganzen Republik. Organisationen wie der Verband zur Ordnung privatwirtschaftlicher Eigentumsrechte oder die durch die Flick-Affäre zur wichtigsten illegalen Geldsammelstelle avancierte Staatsbürgerliche Vereinigung konnten an den Finanzämtern vorbei wirtschaften wie sie wollten - und die CDU bestens davon profitieren.

Bis heute. Daran ändert auch nichts, dass nun Leute wie der frühere Generalsekretär Kohls, Heiner Geißler, dem »Kanzler der Einheit« vorwerfen, der CDU mit seinem System der schwarzen Konten geschadet zu haben. Würde Geißlers Vorschlag, die Parteien künftig aus der Staatskasse zu finanzieren, umgesetzt, wäre es um die CDU bald geschehen: Dem Staat nehmen - der Partei geben? Kohl wusste es besser. Wie kein anderer hat er durchgezogen, was nun einmal der Job eines Partei- und Regierungs-Chefs ist: den eigenen Laden zusammen- und die Organisation an der Macht halten. Weiter nichts Ungewöhnliches - nur manchmal etwas beschwerlich.

Besonders dann, wenn man sich dabei erwischen lässt. Dass Kohl nach über 25 Jahren zugegeben hat, was der Spiegel schon 1995 schrieb, macht die ganze Angelegenheit aber auch nicht schlechter. Das System Kohl - dafür stehen Schleußer, Glogowski, Rau und wie sie alle heißen - geht weiter. Über alle Parteigrenzen hinweg. Deshalb: Korrumpiert euch! Schafft zwei, drei, viele schwarze Konten!