EU wird Militärunion

Solanas Macht

Der Aufbau einer europäischen Armee geht schnell voran - viel schneller als erwartet. Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen die Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Truppe für potenzielle Militäreinsätze organisieren: Bis zu 40 000 Mann könnten dann ab 2003 innerhalb von 60 Tagen unter der EU-Fahne in alle Krisengebiete entsandt werden. Die Initiative kommt aus Großbritannien, Deutschland und Frankreich unterstützen sie.

Die EU baut ihre Muskeln auf. Denn auch ein anderer Vorschlag weist in dieselbe Richtung. Javier Solana, außenpolitischer Beauftragter der EU, soll ab Ende November auch den Vorsitz der Westeuropäischen Union (WEU) übernehmen. Das haben die europäische Außen- und Verteidigungsminister bei ihrem ersten gemeinsamen Treffen am Montag in Brüssel beschlossen. Und bereits auf dem EU-Gipfel im Dezember in Helsinki wird über die Integration der WEU in die EU gesprochen - der endgültige Ausbau der Union zur Militärmacht. Ein Schritt, vergleichbar nur mit der Währungsunion in der Wirtschaftspolitik.

Solana wird viel Macht erhalten. Sein Einfluss hängt von den Kompetenzen ab, die ihm die Mitgliedsstaaten übertragen. Diese zierten sich lange Zeit, ihre Souveränität gerade in der Außen- und Verteidigungspolitik abzugeben. Das wird nun anders: "Wir wollen alle, dass Solana Erfolg hat", erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder bei dessen Antrittsbesuch vergangene Woche in Berlin. Mr. Gasp soll die geballte Macht der EU repräsentieren.

Zwei Ziele verfolgt die EU damit: Sie will endlich ihre Abhängigkeit von der USA reduzieren; zum anderen soll die bisher lahme Außenpolitik durch die militärische Begleitung ein größeres Gewicht erhalten.

Diese Entwicklung geht auf den Krieg gegen Jugoslawien zurück - die US-Dominanz während des Nato-Einsatzes war ein Wendepunkt im Verhältnis zwischen Europäern und den USA. Seitdem drücken vor allem die großen Mitgliedsstaaten aufs Tempo. Besonders Frankreich formuliert harsche Kritik am großen Nato-Bruder: Die USA hätten im Kosovo "einen eigenen Krieg geführt", heißt es beispielsweise in einem Papier des französischen Verteidigungsministerium von vergangener Woche.

Die EU wird sich aber hüten, die USA mit dem heiklen Projekt vor den Kopf zu stoßen. Etwas anderes bleibt ihr zunächst auch gar nicht übrig. Für größere Einsätze sind die Europäer in den nächsten Jahren auf den überlegenen Militärapparat der USA angewiesen.

Bedingung für den militärischen Ausbau der EU ist daher die Schaffung einer eigenständigen europäischen Luftfahrt- und Rüstungsindustrie. Auch hier laufen die Vorbereitungen auf vollen Touren.

Erst vor kurzem fusionierte die Daimler-Chrysler-Aerospace und die französischen Aérospatiale-Matra zum größten Rüstungskonzern in Europa. Ein deutsch-britisches Konsortium, an dem unter anderem die Konzerne Krauss-Maffei und Rheinmetall beteiligt sind, hat gerade einen neuen Truppentransporter entwickelt: die "Taxis zum Schlachtfeld" sind ideal geeignet für die schnelle Eingreiftruppe (force de réaction rapide).

Solana rechnet wohl damit, dass deren Einsatz nicht so lange auf sich warten lassen wird - anders ist die Eile beim Aufbau der EU-Armee kaum zu erklären. Der nächste Krieg kommt bestimmt. Und den wollen die Europäer notfalls auch alleine führen können - das ist die wichtigste Lehre, die sie aus dem Jugoslawien-Krieg ziehen.