See you later

Nach heftigen Protesten verschiebt der US-Präsident seinen geplanten Staatsbesuch in Griechenland.

Alles war so schön geplant für den dreitägigen Staatsbesuch von US-Präsident William Clinton in Griechenland. Auf seinem Weg zum Istanbuler OSZE-Gipfel sollte er am vergangenen Wochenende in Athen eintreffen. Die Erwartungen waren groß, erhoffte man sich doch einen Durchbruch im Zypern-Konflikt. Clinton könnte damit trotz des Jugoslawien-Krieges, der in Griechenland starke Proteste ausgelöst hatte, als Balkan-Friedensstifter in Rente gehen. Und Premierminister Kostas Simitis bekäme den nötigen Rückenwind für die Wahlen im nächsten Jahr.

Daraus wird wohl nichts. Wegen einer Welle antiamerikanischer Demonstrationen und erheblicher Sicherheitsbedenken hat der US-Präsident seinen Besuch um eine Woche verschoben und auf eine Stippvisite reduziert.

Der Clinton-Besuch war schon vor langer Zeit vorbereitet worden. Offenbar hatte niemand dabei an die zeitliche Nähe des Präsidenten-Besuchs zu den jährlichen Gedenkfeierlichkeiten zum 17. November, dem Jahrestag der Niederschlagung des Studentenprotests von 1973, gedacht. Die Unruhen waren der Anfang vom Ende der US-gestützten griechischen Militärjunta gewesen. Mit Blick auf diesen Jahrestag beschlossen sämtliche linken Organisationen, dem "Völkermörder" Clinton einen gebührenden Empfang zu liefern.

Hinzu kam, dass bereits im Vorfeld des geplanten Besuches eine Erklärung des US-Außenministeriums für Unmut gesorgt hatte. Demzufolge sollte der Zypern-Konflikt während des dreitägigen Besuches nur eine "untergeordnete Rolle" spielen. Stattdessen wollte Washington über ein Abkommen zur "gemeinsamen Terrorismusbekämpfung" verhandeln - was die Regierung in Athen jedoch sofort als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" zurückwies.

Die Stimmung verschlechterte sich noch, als Anfang November zwei Artikel in der Washington Post zur Terrorismus-Bekämpfung erschienen. Beide beschäftigen sich mit der Untergrundorganisation "17. November" - benannt nach dem symbolträchtigen Datum von 1973. Der erste Artikel beschreibt einen Anschlag auf die deutsche Botschaft am 16. Mai dieses Jahres. Dann zitierte die Zeitung US-Botschafter Nicholas Burns mit der Aussage, in der US-Regierung gebe es "einen hohen Grad an Unzufriedenheit", weil kein Mitglied des "17. November" bislang verhaftet wurde. Zwar sei er zuversichtlich, dass Premier Simitis und der Minister für die Öffentliche Ordnung den US-Wunsch teilen würden, gegen die Gruppe vorzugehen. Aber, so sagte ein US-Offizieller nach Angaben der Zeitung, Washington könne nicht für "Leute auf anderen Ebenen" der Regierung bürgen, die "potenzielle Verbindungen" zu der Gruppe hätten.

Dass Personen innerhalb der Pasok-Regierung und der Polizeispitze nicht an der Ergreifung der Terroristen interessiert seien, ist eine These, die in Griechenland seit Jahren kursiert. Seit die Organisation im November 1975 den ehemaligen CIA-Repräsentanten in Griechenland, Richards Wells, erschossen hatte, folgten unzählige Anschläge auf US-amerikanische, westeuropäische und griechische Konzerne und Personen.

17 Tote - davon vier US-Amerikaner - , 70 Verletzte und Sachschäden in Millionenhöhe sind die bisherige Bilanz. Doch im Unterschied zur deutschen RAF oder den italienischen Roten Brigaden wurde seit der Gründung vor 24 Jahren kein einziges Mitglied der Organisation verhaftet oder erschossen. Es gibt weder Fahndungsplakakte noch Hinweise darauf, wer Mitglied des 17. November sein könnte. So ist der Verdacht, dass es Kontakte zwischen Guerilla, Pasok, Polizei und Geheimdienst gebe, weit verbreitet.

Doch ein "Yankee" darf das noch lange nicht behaupten, ist doch der Antiamerikanismus einer der gemeinsamen Nenner der griechischen Gesellschaft. Direkt nach dem ersten Post-Artikel brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Parteiführer der linksnationalistischen Dikki rief dazu auf, den "Terroristen Clinton zu terrorisieren". Am Abend des 7. November wurde im Zentrum Athens das Gebäude der Griechisch-Amerikanischen Vereinigung beschossen. Zwei Stunden später flog im Stadtteil Chalandri ein Büro von Levi's in die Luft. Tags darauf verurteilte ein auf dem Syntagma-Platz in Athen öffentlich tagendes "Volksgericht", das aus einer Reihe bekannter Schauspieler bestand, den "Schlächter" Clinton wegen "Völkermordes". Nach der Urteilsverkündung zogen die rund 3 000 "ProzessbeobachterInnen" zur US-Botschaft, um Clintons "Auslieferung" zu verlangen.Für weitere Spannungen sorgte der Demonstrationszug zur US-Botschaft vom vergangenen Wochenende. Trotz starkem Druck aus Washington weigerte sich die griechische Regierung, den Protestmarsch zu verbieten. Nachdem Washington daraufhin den Clinton-Besuch ganz in Frage gestellt hatte, schlug Athen vor, die Visite zu verschieben.

Die Demonstration jedoch fand unter neuen Vorzeichen statt: Simitis gelang es, die linke, parlamentarische Opposition (KKE, Dikki, Synaspismos) in eine "Front der nationalen Verantwortung" einzubinden. Das Ziel: Die Aktion auf keinen Fall außer Kontrolle geraten zu lassen, um "das Ansehen Griechenlands im Ausland" zu wahren. Und dafür standen auch die KKE und ihre für solche Fälle mit Eisenstangen ausgerüstete Schlägertruppe der Bauarbeitergewerkschaft zur Verfügung. Entsprechend friedlich verlief denn auch die von der KKE dominierte Demonstration am vergangenen Samstag in Athen, wo die rund 15 000 Teilnehmer anschließend vor der US-Botschaft den Rückzug von Präsident Clinton bejubelten.

Für das kommende Wochenende hat die griechische Regierung alle Kundgebungen in der Nähe von Clintons Aufenhaltsorten verboten. Der hat nun nach dem ganzen Wirbel um seinen Besuch zumindest eine Ahnung, wieso er in Athen nicht besonders willkommen ist. "Ich weiß, dass Griechenland eine lange und reiche Geschichte kommunistischer und anarchistischer Demonstrationen hat", erklärte er im Hinblick auf die Verschiebung seines Besuches. Und "alle diese Menschen missbilligen meinen Standpunkt im Kosovo-Konflikt und vielleicht schon davor in Bosnien".