Hallo, Taxi!

Eine Brandenburger Richterin spricht vier Taxifahrer frei, vor deren Augen ein Afrikaner von zwei Nazi-Skins zusammengeschlagen wurde.

Die Richterin am Amtsgericht Königs Wusterhausen verstand die Welt nicht mehr. Dass sie den "ganzen Presserummel" um das Verfahren gegen vier Taxifahrer, die zugesehen hatten, wie der 28jährige William Z. aus Kamerun von zwei Rechtsextremen zusammengeschlagen wurde, für völlig unangemessen hält, ließ Amtsrichterin Heidrun Griehl schon am ersten Tag des Prozesses durchblicken. Ein Vorgeschmack auf den von ihr gefällten Freispruch in der letzten Woche, den selbst die brandenburgische Ausländerbeauftragte nicht nachvollziehen konnte: "Was muss eigentlich noch geschehen, um zu konstatieren, dass ein Notfall vorliegt, wenn drei Skinheads einen Afrikaner zusammenschlagen?" Die Staatsanwaltschaft hatte gefordert, die Taxifahrer - drei Männer und eine Frau - wegen unterlassener Hilfeleistung und Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen.

Königs Wusterhausen im September letzten Jahres: Spät abends wartet William Z. auf dem Bahnhofsvorplatz der im Volksmund "KaWe" genannten Kleinstadt auf einen Arbeitskollegen, als zwei von den angeklagten Taxifahrern als "ganz normale Männer" beschriebene Rechtsextreme ihn als "Negerschwein" beschimpfen und auf ihn einprügeln. Dem Wirtschaftsinformatiker gelingt es, sich loszureißen. Er flüchtet auf den Bahnhofsvorplatz und bittet die dort in ihren Fahrzeugen wartenden Taxifahrer, die Polizei zu verständigen und ihm zu helfen.

Gegenüber Jungle World erklärt William Z. später, dass sich trotz seiner Hilferufe keiner der Taxifahrer gerührt habe. "Einer von ihnen hat mir zugerufen: 'Go home - it's better for you'", erzählt er. Angesichts der Brutalität der Angreifer und seiner Unterlegenheit habe er um sein Leben gefürchtet und sei schockiert gewesen, dass ihm niemand beistehen wollte. Auch ein Beamter der Bahnpolizei, der den Vorfall beobachtet hatte, habe nichts unternommen. Nachdem die Taxifahrer ihn weggeschickt hatten, liefen die Männer Z. weiter hinterher und schlugen erneut zu. "Ich hatte den Eindruck, dass die Angreifer sich durch das Verhalten der Taxifahrer ermutigt fühlten", sagt der Kameruner. Schließlich flüchtete er sich in eine S-Bahn Richtung Berlin, wo er mit Blutergüssen am Kopf und einem Schädeltrauma im Krankenhaus behandelt werden musste. Anschließend erstattete er Anzeige: Die beiden 18 und 30 Jahre alten Männer wurden im Februar dieses Jahres wegen gefährlicher Körperverletzungen zu Bewährungsstrafen von zehn und zwölf Monaten verurteilt.

Schlagzeilen machte der Vorfall unter anderem deshalb, weil William Z. sich mit Hilfe des Projektes Opferperspektive (Jungle World, 30/1999) an die Medien wandte. Gemeinsam mit einem Reporter-Team von Spiegel TV kehrte er zum Bahnhofsvorplatz in Königs Wusterhausen zurück, um die Taxifahrer nach den Beweggründen für ihr Verhalten zu befragen. Einer der Fahrer erklärte damals vor laufender Kamera, er hasse Ausländer, eine Aussage, die der Angeklagte Karsten R. vor Gericht selbstbewusst wiederholte und nur nach spontanen Unmutsreaktionen aus dem Publikum mit dem Zusatz einschränkte: "Ausländer, wenn sie ihre Rechte einfordern."

Die kam allerdings von anderer Seite: Ein Polizeibeamter, der William Z. zur Zeugenvernehmung vorgeladen hatte, hatte sich am Telefon über dessen Aussprache mokiert. "Neger-Englisch" spreche der Afrikaner, erzählte er lachend seinen Kollegen - und vergaß dabei, den Telefonhörer aufzulegen. Der Satz fand sich später bei William Z. auf dem Anrufbeantworter, der Polizist musste sich entschuldigen.

Auch Amtsrichterin Heidrun Griehl schien mit ihrer Prozessführung die Kette der Demütigungen und Beleidungen William Z.s fortzusetzen. Weder sah sie sich zu Ermahnungen gegenüber den Angeklagten veranlasst, als diese Z. in ihren Aussagen als "Mr. Zombie" bezeichneten, noch schien dessen Angaben über das Verhalten der Taxifahrer Glauben schenken zu wollen. Stattdessen begleitete sie die Aussagen der Angeklagten mit verständnisvollem Nicken, als diese erklärten, die Schlägerei vor ihren Autos hätte bei ihnen vor allem Sorge um Schäden an ihren Fahrzeugen ausgelöst. Einer der Angeklagten erklärte offen, er habe den "zwei Weißen und dem Dunkelhäutigen" zugerufen: "Geht weg von den Autos!" Dann sei er wieder in sein Fahrzeug eingestiegen.

Einen Grund zum Eingreifen oder dafür, die Polizei zu verständigen, sah keiner der Taxifahrer. "Der Dunkelhäutige hat sich doch gewehrt und kräftig ausgeteilt", erklärte Karsten R. Er habe nicht gewusst, ob er für die beiden Weißen oder zu Gunsten von William Z. hätte Partei ergreifen sollen. Im Übrigen habe er keinen Hilferuf von William Z. gehört, behauptete Karsten R. Eine Aussage, die auch die anderen drei Angeklagten bestätigten.

Dass andere Zeugen vor Gericht erklärten, sie hätten eindeutig William Z.s lautstarkes "Help" vernommen und sich aus Angst vor den Angreifern nicht getraut einzugreifen, beeindruckte die Richterin nicht. Nach einer eintägigen Beweisaufnahme verkündete Griehl letzte Woche ihr Urteil: Freisprüche für alle vier Angeklagten. Da diese nicht in der Lage gewesen seien, die Notlage Z.s zu erkennen, könne ihnen auch keine unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen werden. Im Wesentlichen schloss sich die Amtsrichterin damit der Argumentation der Verteidiger an, die Freisprüche für ihre Mandanten beantragt und sich über eine "Vorverurteilung durch die Medien" beklagt hatten. Bereits zuvor hatte die Staatsanwaltschaft den Anklagepunkt der Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung fallen gelassen und lediglich wegen unterlassener Hilfeleistung Geldstrafen zwischen 1 800 und 3 200 Mark gefordert.

William Z., der sich vor dem ersten Prozesstag von dem Verfahren noch "eine Signalwirkung für alle, die Zeugen eines rassistischen Übergriffs werden und einfach wegschauen und nicht helfen wollen", versprochen hatte, erschien gar nicht erst zur Urteilsverkündung. Er sei durch die Prozessverführung gedemütigt worden, erklärte seine Nebenklägerin, Rechtsanwältin Christina Klemm aus Berlin. Gegen das Urteil will sie Berufung einlegen. "Die Freisprüche sind ein fatales Signal", so Klemm. "Wer sich so verhält wie die Taxifahrer, macht sich mitschuldig an dem Klima rechter Gewalt und Einschüchterung. Aber offenbar wird das in Brandenburg toleriert."