Ex-OSZE-Chef Walker wirdEhren-Kosovo-Albaner

Goldene Schlüssel

Ein halbes Jahr war William Walker in der US-amerikanischen Versenkung verschwunden, in der vergangenen Woche ist der ehemalige Chef der OSZE-Mission im Kosovo wieder in die Krisenprovinz zurückgekehrt. Von Hashim Thaqi, dem Chef der UCK und "provisorischen Premierminister" des Kosovo, erhielt Walker einen goldenen Schlüssel zur Provinz und damit auch die Ehrenbürgerschaft. Der Neo-Kosovo-Albaner Walker hat seine symbolische Einbürgerung vor allem seinen Verdiensten um die "Aufklärung des Massakers von Racak" Mitte Januar dieses Jahres zu verdanken. Die Zeremonie in Pristina war für Walker Anlass genug, auf die Tränendrüse zu drücken: "Die Welt hörte Ihre Schreie. Sie waren die Opfer. Auch wir fühlten den Schmerz von Racak", flötete der ehemalige CIA-Mitarbeiter Walker.

Doch die Verdienste Walkers um die Aufklärung des so genannten Massakers von Racak könnten bescheidener nicht sein. Vielmehr bemühte sich der Amerikaner darum, der Welt möglichst frühzeitig die Vorgänge um Racak als Massaker - vor allem an Zivilisten - zu verkaufen. Einen Tag, nachdem in der Nähe des Dorfes 45 tote Kosovo-Albaner entdeckt worden waren, stapfte Walker mit seinen US-amerikanischen und britischen OSZE-Beobachtern und unter Anteilnahme zahlreicher Journalisten am Tatort herum und erschwerte damit eine eventuelle Spurensicherung.

Nicht einmal die finnische Pathologin Helena Ranta hatte damals die Möglichkeit, den Tatort zu besuchen. Vielmehr erlebte sie mit William Walker ein Rendezvous besonderer Art: Als Ranta im März dieses Jahres der internationalen Presse ihre Untersuchungsergebnisse mitteilen wollte und sich vor der Pressekonferenz mit Walker besprach, strich der Militär einige Absätze und Formulierungen unter heftigem Fluchen aus dem Redemanuskript Rantas.

Walkers Derrick-Allüren im Fall Racak schließlich machen es nun notwendig, abermals ein Expertenteam unter Führung Helena Rantas in das Kosovo zu senden (Jungle World, 43/99). Doch auch im finnischen Expertenteam hat man nicht unbedingt den Eindruck, dass dem Westen besonders viel an einer neuerlichen Untersuchung gelegen sei. Schon im Sommer dieses Jahres, so verlautet aus dem Kreis der finnischen Pathologen, habe Ranta vorgeschlagen, abermals Racak zu untersuchen, weil neue Fotos aufgetaucht seien. Doch ein Beamter des finnischen Außenministeriums verschleppte Rantas Vorschlag bis zur vergangenen Woche.

Mit Walker jedenfalls wird die gewissenhafte Pathologin aller Voraussicht nach nicht wieder zusammentreffen. Er befindet sich nur auf Kurzbesuch in Pristina, um die UCK-Auszeichnungen zu empfangen. Kein Wunder also, dass er auch beim Festakt seine Version der Ereignisse in Racak als die einzig wahre präsentierte: "Racak war ein Massaker, verübt von jugoslawischen Sicherheitskräften." Das Publikum, rund 5 000 Kosovo-Albaner, dankten es ihm mit lautem "Walker, Walker"-Geschrei.

Doch woher William Walker die Sicherheit nimmt, ständig von einem "Massaker" zu sprechen, ist zumindest eigenartig. Erst die Untersuchungen Rantas werden voraussichtlich Licht in den Fall bringen.

Dass diese Untersuchungen so spät zum Abschluss kommen, daran ist Ehren-Kosovo-Albaner Walker zumindest mitschuldig.