Rugby

Geschlossene Gesellschaft

Große Teile der Welt verbrachten die letzten fünf Wochen im Rugby-Fieber. Mit einem klaren Finalsieg über Frankreich stellte Australien am vergangenen Samstag im Millennium-Stadium in Cardiff, Wales, die sportliche Dominanz der Südhalbkugel für die nächsten vier Jahre sicher. In Deutschland jedoch rutschte die Weltmeisterschaft allenfalls durch den adaptierten Stammestanz des Teams aus Tonga, verschnitten mit Nahaufnahmen verschwitzter Sportler, ins Bewusstsein. Diese bildschirmgerechte Umsetzung von Aggressivität, Körperlichkeit und Ritual wurde in Adidas-Werbespots zwar auch hier gezeigt, aber nur ausgesprochene Enthusiasten verfolgt die Spiele bis zum Ende.

Diese mangelnde öffentliche Akzeptanz ist ein klarer Misserfolg für die Rugby Union. Sollte das diesjährige Event doch den Sport auch in anderen Regionen als den bisherigen Rugby-Hochburgen etablieren. Eine aggressive Vermarktung als "nach Olympischen Spielen und Fußball-WM drittgrößtes Sportereignis der Welt" gehörte ebenso dazu wie die Aufstockung des Teilnehmerfeldes auf zwanzig Nationalteams.

Durch das hiesige öffentliche Desinteresse verlor sich auch die sportliche Sensation. Die lag weniger darin, welches Team Weltmeister wurde, als vielmehr in der Tatsache, welcher Mannschaft dies eben nicht gelang: Neuseeland. Mit dem vierten Platz erlangten die "All Blacks" die schlechteste Platzierung, die sie je bei einer Rugby-WM hatten. Nach dem letzten Spiel seiner Mannschaft stellte der Trainer dann auch folgerichtig fest: "Ich kam zu der Ansicht, dass es Zeit wäre weiterzugehen" und trat zurück. Immerhin nimmt Neuseeland im Rugby eine derartige Vormachtposition ein, als würden die Fußball-Teams von Brasilien, Deutschland und Italien zu einem Verband gehören. Bei der WM spielte kein Team, das nicht zumindest einen neuseeländischen Trainer oder einige naturalisierte Spieler in seinen Reihen hatte.

Das ist auch das derzeitige Problem des Rugby: In wenigen Ländern Volkssport, im Rest der Welt nahezu unbedeutend. Neben den "Mutterländern" England, Schottland, Wales, Irland und Frankreich, ist Rugby stark nur noch auf der Südhalbkugel vertreten. Neuseeland, Australien, Südafrika und seit einiger Zeit auch die stärker werdenden pazifischen Teams aus Tonga, Fidschi oder Samoa bilden leistungsmäßig eine geschlossene Gesellschaft, in die kein anderes Land vordringen kann. Die Ausweitung des Wettbewerbs auf mehr Länder erwies sich als kontraproduktiv. Wochenlang schleppten sich Vorrundenspiele vor fast leeren Zuschauerbänken dahin, in denen die neuen Teilnehmer sich in gleichbleibender Regelmäßigkeit Packungen von den Etablierten abholten. Wirklich spannend wurde es erst ab der Zwischenrunde, als die großen Teams wieder unter sich waren. Erst hier konnte der Sport seine Stärken wirklich ausspielen: Tempo, Spannung, Körperlichkeit, Vielseitigkeit und nicht zuletzt Kampf sorgten für mitreißende Spiele. Wie beim Sensationssieg Frankreichs über Neuseeland im Halbfinale.

Obwohl die Deutschen zu schlecht waren, auch nur ins diesjährige Maxi-Feld zu gelangen, heißt das nicht, dass das Thema Rugby endgültig erledigt wäre. Schließlich hat auch der Weltverband das hiesige Marktpotenzial entdeckt. Aus den Einnahmen der WM sollen nun strukturschwache Regionen gefördert werden. Neben den USA wird auch Deutschland dazu gehören. Die müssen ja nicht gleich den nächsten Weltmeister stellen, aber etwas mehr sportliches Gleichgewicht würde dem Rugby schon nutzen.