Total Spitze

Philippe Jaffé, Chef des französischen Ölkonzerns Elf Aquitaine, will nicht in die Ferien. Der Konkurrent Totalfina hat eine feindliche Übernahme angekündigt

"Ihr Urlaub beginnt hier." Zwar sprüht die Elf-Werbung nicht gerade vor französischem Esprit, aber auf die Zielgruppe - Ossis, die mit ihrem Billig-Citro'n, zum Beispiel AX Teen, nach Rügen fahren - dürfte sie schon zugeschnitten sein. Den Managern des französischen Mineralölkonzerns jedoch, der etwa jede zweite Tankstelle in Ostdeutschland betreibt, dürfte die Urlaubsvorfreude vergangen sein.

Assoziierte man in Deutschland jahrelang Elf Aquitaine nur mit dem Subventionsskandal um die sachsen-anhaltinische Raffinerie Leuna, die zu sanieren Elf der Treuhandanstalt versprochen hatte und dafür rund fünf Milliarden Mark staatlicher Beihilfen einsteckte, so ist seit einer Woche alles anders: Totalfina hat angekündigt, Elf übernehmen zu wollen. Feindliche Übernahme - unter französischen Freunden.

Dabei haben die Elf-Manager den Schock des vergangenen Jahres noch längst nicht verdaut. Damals hatte Total den belgischen Ölkonzern Petrofina geschluckt, sich fortan Totalfina genannt und damit Elf auf Rang zwei in Frankreich gedrängt. Nun möchte der Branchenführer total durchstarten. "Wir hoffen, daß dieses zur Zeit noch nicht erbetene Übernahmeangebot schnell zu einer freundlichen Übernahme wird", säuselte Totalfina-Chef Thierry Desmarest impertinent und bot über 40 Milliarden Euro für den Konkurrenten.

Sein Kollege, Elf-Patron Philippe Jaffé, ein Ziehkind des ehemaligen neogaullistischen Premierministers Edouard Balladur, antwortete kurz angebunden: "Das Projekt ist bisher nicht vom Elf-Management geprüft oder mit ihm besprochen worden und wird daher als feindlich angesehen. Elf glaubt nicht, daß es im Interesse der Aktionäre ist." Dazu muß sich nun auch der französische Staat eine Meinung bilden - er besitzt mit einer sogenannten goldenen Aktie ein Vetorecht bei Elf.

Die Bildung eines einheitlichen französischen Öl-Unternehmens könnte verlockend sein, wäre doch der Superkonzern der viertgrößte Ölkonzern der Welt - hinter Exxon Mobil, Royal Dutch Shell und BP Amoco. Das französische Unternehmen brächte es immerhin auf einen Umsatz von 60 Milliarden US-Dollar jährlich, Exxon Mobil erzielt 171 Milliarden und Shell 138. Auf dem europäischen Kontinent aber wäre Elf / Total Spitze: Die italienische Eni bringt es auf gerade mal 33 Milliarden und die spanische Repsol auf 25 Milliarden Dollar - aber nur, wenn die Fusion mit der argentinischen YPF klappt.

Ein Gegengewicht zur angelsächsischen Konkurrenz zu bilden, solche Pläne dürften schon länger in den Schubladen der Konzernchefs liegen. Wenn es um strategische Ziele geht, fallen die 4 200 Arbeitsplätze, die Total nach der Übernahme beim Konkurrenten abbauen will - die Hälfte davon in Frankreich -, eben nicht ins Gewicht. Derzeit hat Elf noch 850 00 Beschäftigte.

In der vergangenen Woche nun hat Elf-Chef Jaffé seine Ablehnung zur Fusion abgeschwächt; aber erst übernommen und dann gefeuert werden - das möchte der stolze Repräsentant des Pariser Establishments nicht. Elf sei nicht prinzipiell gegen Zusammenschlüsse; allerdings müßten die Verhandlungen von gleichwertigen Partnern geführt und Strategie sowie Organisation gemeinsam diskutiert werden. Jaffé hofft dabei, daß die "eigenen Projekte und legitimen Interessen respektiert" werden.

Anders als in anderen Branchen hat die internationale Fusionswelle in der Ölindustrie relativ spät begonnen. Als 1998 der Preis für ein Faß Rohöl immer weiter fiel und schließlich unter zehn Dollar rutschte, entdeckten auch die Ölmanager die Prinzipien der Globalisierung: durch Fusionen auf fremde Märkte expandieren und Kosten senken.

Im Sommer 1998 hatte British Petroleum die amerikanische Amoco aufgekauft; in diesem Jahr legte BP mit der Übernahme der mittelgroßen Ölgesellschaft Atlantic Richfield nach. Ende 1998 haben sich in Japan die Ölkonzerne Nippon Oil und Mitsubishi Oil zusammengeschlossen. Die größte Fusion aber fand fast zeitgleich auf dem amerikanischen Kontinent statt: Exxon und Mobil vereinigten sich zum größten Mineralölkonzern der Welt; Exxon machte dafür fast 80 Milliarden Dollar locker und setzte damit die gesamte Konkurrenz unter Druck. Aber nicht immer läuft dabei alles glatt für die Manager: Die ebenfalls ursprünglich geplante Fusion der beiden US-amerikanischen Konzerne Texaco und Chevron scheiterte bereits in den Vorgesprächen.

Aber die erwarteten Synergie-Effekte bei der französischen Fusion lassen sich nicht unbedingt auch realisieren. Total erwartet Kosteneinsparungen von 1,2 Milliarden Euro, bei der Förderung von Öl und Gas aber halten sich die Rationalisierungsvorteile in Grenzen, weil beide Konzerne bereits über ein relativ großes Know-how verfügen.

Noch im vergangenen Jahr hatte der Total-Vorstand gemeint, eine Fusion mit Elf führe zu keiner Produktivitätssteigerung bei der Öl- und Gasförderung, da alle großen Konzernen bei den gleichen Ausrüstern einkauften und somit identische Technologien benutzten. Positive Verbundeffekte bei der Verarbeitung und beim Vertrieb könnten auch durch Kooperationen erreicht werden - dafür müsse man sich nicht zusammenschließen.

Mittlerweile aber haben die Total-Manager ihre Meinung geändert. Grund dafür dürfte auch die Schwäche von Elf, ehemals größter französischer Konzern, sein. Elf-Chef Jaffé, der "blasiert und sehr distanziert wirkende Manager" (FAZ), hatte zuletzt versucht, in das norwegische Ölgeschäft einzusteigen und eine Allianz mit dem US-Unternehmen Conoco zu bilden. Beide Vorhaben scheiterten und haben Elf verwundbar gemacht.

Sollte es tatsächlich zu einer Übernahme kommen, wäre damit auch die strikt am Shareholder-Value-Prinzip ausgerichtete Unternehmenspolitik Jaffés gescheitert. Der frühere Generaldirektor der Bank Crédit Agricole hatte am Elf-Firmensitz Courbevoie - gegen alle Widerstände aus der Belegschaft und der sozialdemokratischen Regierung - stets versucht, seine strikt an der kurzfristigen Steigerung des Aktienkurses orientierte Politik durchzusetzen. Anders sein Rivale Desmarest: Der Chef des Pariser Ölkonzerns zeigte sich gegenüber dem angelsächsischen Shareholder Value stets distanziert. Der Urlaub des Managers aus Courbevoie könnte früher beginnen, als ihm lieb ist - an der Seine.