Illegal im Urlaubsparadies

Die griechische Regierung schiebt im Akkord albanische Flüchtlinge ab

An der griechisch-albanischen Grenze herrscht derzeit ein fast ebenso reger Betrieb wie auf den beliebten Urlauberflughäfen des Sonnenparadieses. Allerdings sind es keine dickbäuchigen Touristen, die dort die Grenzanlagen passieren, sondern illegal eingewanderte Albaner, die in Gefangenentransportern der griechischen Polizei zurück an die Grenze verfrachtet werden.

Bis zu 1 500 "Illegale", zumeist junge Männer, werden nach Angaben der Polizei seit etwa einer Woche täglich abgeschoben. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres seien über "45 000 illegale Einwanderer", vor allem aus dem Großraum Athen, abgeschoben worden, wie die griechische Regierung berichtet. Erklärtes Ziel des Ministeriums für Öffentliche Ordnung ist es, "bis Ende August mindestens 70 Prozent aller Illegalen" abgeschoben zu haben.

So wurden z.B. am 3. Juli insgesamt 752 albanische Männer ohne Begründung in Gewahrsam genommen und im Fußballstadion Pallini interniert. Dort nahm man ihnen zwangsweise Fingerabdrücke ab und kontrollierte ihre Papiere. Zwei Drittel der Festgenommenen wurden zwar wieder freigelassen, wer jedoch keine gültigen Dokumente vorweisen konnte, wurde umgehend nach Albanien abgeschoben.

Diese Maßnahmen sind sowohl auf Druck der Schengen-Staaten als auch auf innenpolitisches Kalkül zurückzuführen. So hatte der ehemalige deutsche Innenminister Kanther wiederholt Griechenland wegen zu lascher Grenzkontrollen kritisiert und schon vor einem Jahr die Stationierung von deutschen BGS-Beamten auf den Flughäfen des Landes im Rahmen des Schengener Abkommens durchgesetzt. Und nach den Verlusten bei den letzten Wahlen im Juni soll das harte Durchgreifen der Regierung wohl einen Teil der "Neuen Politik" der Pasok darstellen - schließlich hatte man doch versprochen, in Zukunft "mehr Rücksicht auf die Sorgen der Bürger" zu nehmen.

Da die erfolgversprechende ausländerfeindliche Propaganda nicht ganz der rechten Oppositionspartei Nea Dimokratia überlassen werden soll, bot es sich also an, die wegen des Jugoslawien-Kriegs nach Griechenland geflüchteten Albaner als Schuldige für gestiegene Arbeitslosigkeit und Kriminalität zu denunzieren. Sie werden als die Hauptdrahtzieher der albanischen "Mafia" angesehen, deren angeblicher Waffenhandel an der griechisch-albanischen Grenze nur mit Hilfe der Massenfestnahmen endlich wirksam zu bekämpfen sei.

So verbuchte es auch Ministerpräsident Kostas Simitis als großen Erfolg, daß durch die Abschiebung der "Illegalen" der "albanischen Mafia schwere Schläge" versetzt worden seien. Kurz darauf stationierte die Regierung an den Grenzen tausend zusätzliche Polizeibeamte und kommandierte nach deutschem Vorbild in der dahinter liegenden "grenznahen Zone" noch einmal ein ebenso großes Kontingent für die Kontrolle "verdächtiger Personen" ab.

Doch auch die albanischen Behörden sollte nach Meinung der griechischen Regierung konsequenter gegen die "Mafia" vorgehen. Nach Informationen der Tageszeitung Elefterotypia will das Ministerium für Öffentliche Sicherheit in Verhandlungen mit der Regierung in Tirana erreichen, daß ihre Beamten künftig Abschiebungen bis ins albanische Landesinnere vornehmen dürfen, um die Wiedereinreise der Abgeschobenen zu verhindern.

Ein weiter Vorschlag des Ministeriums sieht die Stationierung einer EU-Polizeitruppe in Albanien vor. Dies sei nötig, da die "Erosion der Polizeiführung" dort erschreckende Ausmaße angenommen habe und das Land von "Banditen" regiert werde.

Widerstand gegen die im Akkord durchgeführten Massenabschiebungen gibt es derzeit nicht. Allein die Bürgerrechtsvereinigung Diktio (Netz zur Verteidigung gesellschaftlicher und politischer Rechte), anarchistische Gruppen und die Jugend gegen Rassismus in Europa (YRE) protestieren gegen das Vorgehen der Behörden. Gemeinsame Kampagnen von ImmigrantInnen und ihren UnterstützerInnen, wie in anderen europäischen Ländern, gibt es jedoch nicht.

Die YRE greift in ihren Erklärungen nicht nur die Regierung, sondern auch den gesellschaftlich etablierten Rassismus an. Die Liste der getöteten Einwanderer, in ihrer Mehrzahl Albaner, ist in den letzten Jahren auf 44 Opfer angewachsen: ermordet wegen eines gestohlenen Kürbisses oder wegen eines gestohlenen Fahrrads. Die Täter, soweit sie gefaßt wurden, erhielten ausnahmslos geringe Bewährungsstrafen oder wurden freigesprochen.