Prodi stellt sein Kabinett vor

Alles neu in der EU

Alles neu, alles besser: Das ist das Signal, das von der Vorstellung der EU-Kommissare ausgehen sollte. Als Italiener weiß Kommissionschef Romano Prodi, wie der Ruf von Nepotismus und Korruption ein politisches System ins Wanken bringen kann. Er weiß aber auch, wie wichtig symbolische Akte zur Restabilisierung des torkelnden Riesen EU-Kommission sein können. Deshalb hat er es an Signalen eines Neubeginns nicht fehlen lassen. Nachdem der deutsche TeleKommissar Martin Bangemann, aufgeblasen zum Zerrbild des korrupten EU-Bürokraten, auf dem Altar der Normalisierung geopfert war, wurde die Vorstellung von Prodis neuer Kommission am 9. Juli medienträchtig inszeniert wie nie zuvor.

Was bisher nur in Anführungszeichen zu lesen war - daß es sich bei der Kommission um die "EU-Regierung" handle -, das hat Prodi jetzt zur offiziellen Sprachregelung gemacht. Wie Minister sollen sich die 19 EU-Kommissare fühlen, und das wird ihnen leichtgemacht. Nicht mehr in dem seit der Korruptionsaffäre vergangenen Winter übel beleumundeten Brüsseler Breydel-Gebäude werden die Kommissare ihren Amtssitz nehmen, sondern in ihren jeweiligen Dienststellen. Wegfallen wird die Numerierung der einzelnen Fachressorts, künftig wird es Ressortbezeichnungen geben. Alles anders, alles neu, alles normal.

Fast. Denn noch immer hat das Nominierungsverfahren für die EU-Minister mehr Gemeinsamkeiten mit einer Papstwahl als mit den Standards bürgerlicher Demokratien. Je nach Größe entsenden die Regierungen der EU-Staaten ein oder zwei Kandidaten. Die Zurückweisung eines Kandidaten gilt als Affront und findet daher - Edmund Stoiber und Wolfgang Schäuble mußten es enttäuscht zur Kenntnis nehmen - nicht statt.

Dazu haben die Staatschefs die Möglichkeit, Wünsche zu äußern, welche Ressorts ihren Kandidaten zugewiesen werden. Normalerweise geschieht dies über diskrete diplomatische Kanäle. Manchmal nicht: Kaum verhohlen verlangte der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder die Nominierung der Grünen-Politikerin Michaele Schreyer zur Haushaltskommissarin als Dank für die deutsche Einflußnahme bei Prodis Berufung an die EU-Spitze. Denn am Ende entscheidet der Kommissionspräsident alleine, wie er 19 Fachressorts mit 19 Kandidaten zur Deckung bringt.

Die großen Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien sicherten sich auch diesmal wieder die Fleischbrocken: Haushaltspolitik für Schreyer; für den Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Verheugen, die Ost-Erweiterung, die man in Deutschland als den wichtigsten Schritt der gerade begonnenen, fünf Jahre dauernden EU-Wahlperiode ansieht - hofft man doch, nun endlich ins Zentrum der Union zu rücken.

In Frankreich freut man sich über den Bereich Internationaler Handel, wo Pascal Lamy, Bürochef des bisherigen Kommissionspräsidenten Jacques Santer und zweiter Mann an der Spitze des Bankgiganten Crédit Lyonnais, die nationalen Außenhandelsinteressen gegen die Konkurrenz verteidigen wird. In der einstigen Konkurrenz-Kolonialmacht Großbritannien nimmt man die Nominierung Lamys mit Stirnrunzeln zur Kenntnis.

Jenseits des Kanals hätte man diese Stelle lieber mit Chris Patten besetzt gesehen, der als letzter Gouverneur Hongkongs der kolonialen Materie noch etwas näher steht. Nun soll Patten - auch nicht schlecht - so etwas wie der EU-Außenminister werden. Späte Karriere machte auch ein alter Bekannter von der Insel: Neil Kinnock, Labour-Chef von 1983 bis 1992 und während der letzten fünf Jahre EU-Verkehrskommissar, soll, ausgestattet mit dem Titel eines Vizepräsidenten der Kommission, eine Reform der EU-Verwaltung angehen. Alles neu, aber mit altem Personal. Immerhin dürfte zum deutschen Leidwesen bei Kinnock, in dessen Zuständigkeit auch die "Linguistischen Dienste" fallen, die Beibehaltung der bisherigen Amtssprachen (erstens) Englisch und (zweitens) Französisch in guten Händen sein.

Ein bißchen Ämterpatronage mußte aber dann doch sein: Auf dem einflußreichen Posten des Wettbewerbskommissars darf Prodis Landsmann Mario Monti, ein wirtschaftsliberaler Ökonomie-Professor mit berüchtigt spröder Ausstrahlung, künftig dafür sorgen, daß bei Fusionen die italienischen Interessen nicht zu kurz kommen. Wenn das EU- Parlament am 15. September zustimmt. Denn die Abgeordneten haben zwar bei der Regierungsbildung kein Wort mitzureden. Aber sie können eine vom Präsidenten aufgestellte Kommission - und zwar nur im Ganzen - ablehnen.