Ein Koffer in Windsor

Trauung ohne Hut und Gin. Prinz Edward und Sophie Rhys-Jones heiraten auf allen Kanälen

Gäbe es Linda de Mol und die englische Königsfamilie nicht, im deutschen Fernsehen würde einfach nicht geheiratet. Die "Traumhochzeit" zählt dabei nicht wirklich, da eine Hochzeit zwischen zwei gestreßten Showkandidaten, die sich fünf Minuten vor dem Ja-Wort verschwitzt in Hochzeitskleider werfen, auf keinen Fall als Trauung im klassischen tränentreibenden Sinne gelten kann. Bleiben nur die Windsors, die in den vergangenen Jahren jedoch eher durch Scheidungen als durch Hochzeiten von sich reden machten. Nun, wo endlich Prinz Edward, "das Weichei" (Prince Philip), vor den Traualtar trat, gab es endlich wieder die Chance auf zart dahingehauchte Yes-I-Wills, verstohlen gezückte Spitzentaschentüchlein und blumenstreuende Kleinkinder.

Allein in Deutschland waren auf fünf Sendern "Hochzeit in Windsor, Prinz Edward heiratet Miss Sophie Rhys-Jones bis 19.40 Uhr" (ARD + Phoenix), "Hochzeit auf Schloß Windsor" (ZDF), "Live aus Windsor - die Hochzeit des Jahres, Teil I bis III" (RTL), die "Royal Wedding" (BBC) zu sehen.

Schon Stunden vor großen Ereignissen beginnt jedoch im Fernsehen das Rahmenprogramm. Auch wenn es, streng genommen, nichts zu senden gibt: Mit einem entschlossenen "Wunderschöne Bilder aus Brenchley" - das ist der Heimatort der Braut - preist die ARD z. B. Aufnahmen von Menschen an, die einfach nur auf der Straße herumstehen. "Wir schauen nochmal auf die Bilder, die aus Windsor gerade zu sehen sind - Leute rechts und links der Straße", heißt es nur Minuten später im ZDF, während man bei RTL die Royal-Tauglichkeit der Braut analysiert und zu einem positiven Befund kommt: "Sie hat schon als kleines Mädchen Prinzessin gespielt." Rolf Seelmann-Eggebrecht von der ARD befindet sich derweil in echten Schwierigkeiten: "Da bin ich unsicher, doch, ja, das sind Treppen, und wir sehen Gesichter, die wir nicht erkennen."

Das ist wenig aufregend, deswegen wendet man sich nun zunächst kanalübergreifend der Erörterung der Kleiderfrage zu. Bei RTL ist dafür Eduard Prinz von Anhalt zuständig. Der weiß Erstaunliches zu berichten: Hüte sind bei dieser Gelegenheit strikt verboten. "England ist ein Hutland! Eine Revolution ist im Gange!" kommentiert er enthusiastisch, während erste Bilder der eintreffenden Königsfamilie zeigen, daß keinen Hut tragen zu dürfen, nicht automatisch bedeuten muß, nichts auf dem Kopf zu haben.

Die Damen unterlaufen das Hutverbot durch geschickt arrangierte, in der Frisur eingewobene Federensembles, bloß Oma Windsor trägt ein Angora-Wollmützchen, das locker Platz für zwei Ginfläschchen bietet. Das erklärt Ilka Gräfin von Westfalen, Stil-Expertin des ZDF, nicht, aber dafür ausführlich die erwünschte Herrengarderobe. "Ich würde bei dieser Gelegenheit nicht zum Cut raten!" sagt sie, um Minuten später verdattert festzustellen: "Die Herren kommen alle im Cut."

Die Ankunft der drei Queen-Söhne unterbricht alle Modefragen. Charles, Andrew und Edward spazieren, höchstwahrscheinlich in Cuts - aber dazu äußert sich Frau von Westfalen endgültig nicht mehr -, die zum Windsor Castle führende Straße entlang. Der Bräutigam wirkt nicht sehr glücklich, obwohl er doch kompetenten Beistand hat. "Seine Brüder wissen ja, wie es geht, denn sie haben ja beide schon eine Scheidung hinter sich und dementsprechend haben sie vorher geheiratet", weiß man bei RTL, während man bei der ARD mit der Lösung nationaler Fragen beschäftigt ist: "Was wissen wir von deutschen Gästen?" Zunächst nichts, dann aber kann Entwarnung gegeben werden, "eine deutsche Cousine und ein deutscher Vetter sind eingeladen".

Endlich fährt sie vor, "Soufiii" ( ZDF) bzw. "Sou-Vieh" (ARD) bzw. "Ssouffi" (ZDF) bzw. "Soffi" (RTL), und endlich, endlich, kann man das Kleid der Braut betrachten. Wie das aussehen würde, war streng geheim gewesen, nur soviel stand fest: "Sie wird keinen Schleier tragen, weil sie dann Klaustrophobie-Gefühle bekommen würde." (RTL) Und dann das: "Wir sind völlig platt, sie ist verschleiert!" (ZDF) "In der Tat, ein Schleier!" (ARD), eine Sensation liegt in der Luft. Das Kleid, weiß und "Oh, hochgeschlitzt!" (ARD), spielt im weiteren Verlauf aller Sendungen keine Rolle mehr, jetzt ist der Schleier dran.

Übereinstimmend stellt man fest: "Der von Diana war aber länger." Sophie Rhys-Jones zieht in dieser Beziehung eindeutig den kürzeren. Trotzdem betritt die Braut am Arm des "stolzen" (ZDF) bzw. "sehr stolzen" (RTL) Vaters die Kapelle, und die Hochzeit kann beginnen. Buchstäblich über einer Leiche, denn unter dem Fußboden liegt Edwards Opa vergraben. Ein herzzerreißendes Ereignis wird das Ganze jedoch nicht, obwohl man bei RTL tapfer darauf beharrt, daß Prinz Edward seine Sophie "wirklich liebt".

Der Pastor läßt die beiden Brautleute Sätze nachsprechen, dann wird, nach ZDF-Informationen "der Ring an den Ringfinger der linken Hand gesteckt". Allerdings nur bei der Braut. Edward, der den Finger von Sophie Rhys-Jones mit viel Mühe in den Ring stopft, wird der Hochzeitsring über den linken kleinen Finger gezogen, "das tun die Royals alle, der Siegelring wird dahinter gesteckt", weiß RTL.

Geküßt wird bei dieser Gelegenheit nicht, aber dazu ist ja auch später noch Zeit, denn nun wird vorgelesen. "Der erste Brief des evangelischen Johannes" (RTL) bzw. "der Brief des Evangelisten Johannes" (ARD + ZDF), von einem Herrn mit Westerwelle-Krawatte, der überraschenderweise englisch spricht. Während man nach einer Weile beim ZDF das Übersetzen gleich ganz läßt, ist bei RTL ein Sprecher aktiv, der die deutsche Übersetzung inbrünstig vorliest und es im Gegensatz zum eher nachrichtlich agierenden ARD-Reporter schafft, einigermaßen synchron mit den Ereignissen in Windsor Castle zu rezitieren.

Nachdem der Brief, "in dem es um die Liebe geht" (RTL), zu Ende vorgetragen wurde, verharren Sophie und Edward noch eine Weile vor dem Altar. Vor allem Edward achtet streng darauf, daß jeder Blickkontakt unterbleibt. Orgelmusik erklingt. Für RTL eine Gelegenheit, sich schon mal mit dem Büfett zu beschäftigen. Ein Pfund kostet ein Kanapee, das weiß man mittlerweile. Bleibt die Getränkefrage. "Aus den Kellern der Königin" kommen die, weiß Prinz Eduard und macht ein paar Witzchen über die dem Brautvater ersparten Kosten, aber insgesamt wird klar, daß die Luft aus der Veranstaltung raus ist.

"Nun singt der Chor eine Motette", erklärt die ARD ohne große Begeisterung das Musikprogramm, bei RTL bereitet man dagegen das Publikum auf die Werbeunterbrechung vor. Was soll auch groß passieren? Nichts.

Edward schaut Sophie auch weiterhin ums Verrecken nicht an. In den Zeitlupen-Wiederholungen der schönsten Momente gibt es später weder innige Blicke noch Berührungen der beiden, statt dessen zeigt man das Paar beim Treppensteigen. "Der Count und die Countess von Essex" (ZDF) bzw. "Lord and Duchess of Wessex" (BBC) haben damit die unromantischste Hochzeit des Jahres hingelegt.

"Bei Andrew und Fergie war mehr los", beklagen sich die von RTL interviewten Hochzeits-Experten, trotzdem ist man beim Sender froh. "Immerhin, es gab keine Krawalle wegen der Hochzeit", und über die Proteste am Vortag in London weiß man zu berichten, daß sie nichts mit den Royals zu tun hatten, "es ging um weltverbessernde Ideen". Trotzdem glaubt man, "emotionale Schwingungen" während der Feierlichkeiten ausgemacht zu haben, die aber wahrscheinlich bloß von der Oma kamen, der irgend jemand das Ginfläschchen weggenommen haben muß, denn sie verließ die Kirche aufrecht.

Ein Trost jedoch bleibt ihr und allen anderen: Falls es mit der Ehe nicht klappt, kann Sophie Windsor ihren Kram ganz schnell zusammenpacken. Das erste Geschenk, das ihr Edward je machte, war ein Koffer.