Schiffe versenken im Gelben Meer

Ballern und Verhandeln

Auf der Pressekonferenz wurde der Brigadegeneral lyrisch: "Sogar Ehegatten kommen sich näher, nachdem sie gekämpft haben." Stunden später holte ihn die Realität ein: Der Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums Cha Young-koo wurde kurzerhand gefeuert.

Dabei hatte er wohl nur den Kurs des südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jong gegenüber dem "kommunistischen" Nordkorea verteidigen wollen, der auf langsame Annäherung abzielt. Diese Sonnenschein-Politik - wie konservative Kreise in Südkorea sie bezeichnen - hatte durch ein heftiges Feuergefecht zwischen süd- und nordkoreanischen Kriegsschiffen vergangene Woche gelitten. Ergebnis der zehnminütigen Ballerei: Mindestens ein nordkoreanisches Schiff versenkt, mindestens drei beschädigt, vermutlich 30 tote nordkoreanische Soldaten.

Die Spannungen hatten vor rund zwei Wochen begonnen. Nordkoreanische Kriegsschiffe eskortierten Fischerboote in den Bereich südlich der Northern Limit Line, der von Nordkorea nicht anerkannten Demarkationslinie zwischen vom Norden und vom Süden kontrollierter See. Schon öfter hatten nordkoreanische Schiffe die Linie überschritten, sich aber auf Aufforderung südkoreanischer Boote normalerweise zurückgezogen. Diesmal erfolgte kein Rückzug, und die südkoreanischen Schiffe versuchten, die nordkoreanischen abzudrängen bzw. zu rammen. Kurz darauf hieß es: Feuer frei.

Nach der Eskalation versetzte Südkorea seine Truppen in erhöhte Alarmbereitschaft. Die USA, die etwa 37 000 Soldaten in Südkorea stationiert haben, sandten einige Kriegsschiffe ins Gelbe Meer. Nordkoreanische Medien beschuldigten Südkorea einer "bewußten" Provokation, während in den westlichen Medien spekuliert wurde, welche Gründe Nordkorea für die Verletzung der Northern Limit Line habe: Eine Doppelstrategie aus Dialog und Provokation, um bei den anstehenden Verhandlungen bestimmte Themen wie die von Südkorea ins Spiel gebrachte Familienzusammenführung vom Tisch zu bringen, um Sicherheitsfragen zu debattieren? Die eigene militärische "Unberechenbarkeit" als wohlkalkulierte Verhandlungsmasse ins Spiel bringen, um sie sich abkaufen zu lassen - gegen mehr Dünge- und Nahrungsmittel beispielsweise? Oder geht es doch nur darum, sich einen Teil des Krabbenreichtums anzueignen, um die Meeresfrüchte gegen dringend benötigte Devisen nach Japan zu exportieren?

In Südkorea jedenfalls verschafft die Eskalation Kim Dae-jung an der Heimatfront etwas Luft. Die Gewerkschaftsverbände - der demokratische KCTU und der gemäßigte FKTU - sind stinksauer, seit in südkoreanischen Zeitungen Berichte über einen antigewerkschaftlichen Coup erschienen sind. Im November hatte die Staatsanwaltschaft demnach versucht, einen illegalen Streik bei der Korea Minting and Security Printing Corp. zu inszenieren, um sich einen Vorwand zu schaffen, hart gegen radikale Gewerkschaftsgruppen vorzugehen. Bislang agierten KCTU und FKTU getrennt und wenig wirksam: Am Mittwoch folgten statt der erwarteten 40 000 kaum 5 000 Arbeiter dem Streikaufruf des FKTU, tags darauf etwa ebensoviele dem Aufruf des KCTU. Ein Offizieller des Arbeitsministeriums lieferte nach Angaben des Korea Herald gleich eine Einschätzung: "Ein gemeinsames Gefühl scheint sich unter den koreanischen Arbeitern entwickelt zu haben, sich von Aktionen zurückzuhalten, die die nationale Sicherheit inmitten erhöhter militärischer Spannungen zwischen beiden Koreas bedrohen."