Hinter Hombach paßt eine ganze Bank

Erstmals saßen in der vergangenen Woche Vertreter jüdischer Opferverbände, Anwälte von Nazi-Opfern und Diplomaten Israels, Polens, Tschechiens, Rußlands, Weißrußlands und der Ukraine mit Vertretern deutscher Firmen an einem Tisch, die während der NS-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigt und sich an der "Vernichtung durch Arbeit" beteiligt hatten. Bei der zweitägigen Konferenz, die in Washington unter dem Vorsitz von US-Staatssekretär Stuart Eizenstat und Kanzleramtsminister Bodo Hombach (SPD) stattfand, wollten die beteiligten Konzerne endgültig alle Forderungen von ehemaligen Zwangsarbeitern und deren Hinterbliebenen loswerden. Fragt sich nur, welchen Preis die ehemaligen Nazi-Konzerne bereit sind, dafür zu zahlen.

Hombach hat bereits seine Bereitschaft signalisiert, den Unternehmen mit einer öffentlichen Stiftung unter die Arme zu greifen, die auch die Entschädigung für Zwangsarbeiter übernehmen soll, welche nicht bei Großkonzernen, sondern in Zehntausenden von Handwerks- und landwirtschaftlichen Betrieben Sklavenarbeit leisten mußten. Die Opfer-Anwälte ihrerseits drohen damit, bei einem Scheitern der Verhandlungen eine Lösung vor Gericht zu suchen, von der sie sich wesentlich größere Erfolgsaussichten versprechen.

Das sehen die Konzerne nicht so: Man habe lediglich eine moralische, nicht aber eine juristische Verpflichtung zur Zahlung von Entschädigungen. Ob die Firmen mit dieser Einschätzung richtig liegen, könnte sich schon bald vor dem Frankfurter Oberlandesgericht zeigen. Dort hat in der letzten Woche der Rechtsanwalt Dieter Wissgott für 22 000 ehemalige polnische KZ-Häftlinge gegen die Dresdner Bank geklagt. Die Gesamtsumme der Forderungen belief sich auf 5,4 Milliarden Mark. Er habe geklagt, so Wissgott gegenüber der Frankfurter Rundschau, weil das Unternehmen - "die SS-Bank schlechthin" - mit Hinweis auf Hombachs Initiative zu "diskreten Verhandlungen" mit seinen Mandanten nicht bereit gewesen sei.