Wirtschaftsboom in den USA

Sichere Konsumenten

Nun ist sie doch nicht gekommen, die Weltwirtschaftskrise. Zwar befindet Japan sich nach wie vor in einer Rezession, das Wirtschaftswachstum in Europa ist sehr dürftig, und auch Lateinamerika ist ökonomisch weiterhin labil. Eine globale Depression ist dennoch zumindest in nächster Zeit unwahrscheinlich.

Das war im Herbst noch ganz anders: Selbst Ökonomen, die den Kapitalismus prima finden und sonst immer ein kräftiges Wirtschaftswachstum prognostizieren, befürchteten plötzlich eine globale Krise. Der starke Druck auf den brasilianischen Real könnte, so ihre Sorge damals, ganz Lateinamerika und dadurch auch die USA in die Rezession stoßen.

Das Gegenteil trat ein: Im Herbst verzeichnete die US-Konjunktur ein unerwartet hohes Wachstum, von einer Weltwirtschaftskrise ist seitdem nicht mehr die Rede. Auf Jahresbasis expandierte die US-Wirtschaft im vierten Quartal 1998 um sechs Prozent, mehr als in den Monaten zuvor. Ursache waren hohe Investitionsausgaben und vor allem die deutlich stärkere private Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern: Sie stieg im letzten Quartal des vergangenen Jahres um satte 21 Prozent.

Unter Ökonomen gilt die Nachfrage nach diesen Gütern als Indiz dafür, wie die Konsumenten ihre mittel- bis langfristige finanzielle Situation einschätzen. Wer befürchtet, demnächst entlassen zu werden, kauft sich keine neue Spülmaschine, sondern legt das Geld lieber auf die hohe Kante.

Die US-Amerikaner hatten im Herbst allerdings wenig Grund, eine rosige Zukunft zu erwarten. Die Kommentarspalten der Tageszeitungen waren gefüllt mit Rezessionsängsten, hinzu kam noch das Impeachmentverfahren gegen US-Präsident William Clinton. Doch statt nun für schlechte Zeiten zu sparen, gaben die US-Bürger mehr Geld aus als je zuvor.

Eine Ursache für den vermehrten Konsum ist sicherlich, daß die Aktienkurse im Herbst wieder kräftig gestiegen sind. Im Sommer war zwar noch die Furcht vor einem Crash weit verbreitet, es blieb jedoch bei einer Kurskorrektur und schon bald stiegen die Indices wieder nach oben. Das wirkte sich direkt auf die Finanzen der Privathaushalte und deren Ausgaben aus.

Dies kann jedoch nicht erklären, warum die Nachfrage nach dauerhaften Gütern kräftig anstieg - die US-Amerikaner also davon ausgehen, daß ihre finanzielle Situation in Zukunft weiterhin gesichert ist. Schließlich ist ein soziales Netz in den USA kaum vorhanden, ein großer Teil der Bevölkerung muß befürchten, auf der Straße zu landen, wenn der Arbeitsplatz verloren geht.

Im vergangenen Jahr wurde jedoch deutlich, daß der Staatshaushalt zum ersten Mal seit 1969 einen Überschuß erzielen wird. Im August kündigte Clinton daraufhin an, die Sozialausgaben zu erhöhen. "Ich werde darauf bestehen, daß wir den gesamten Überschuß aufheben, bis wir die historische Gelegenheit ergriffen haben, die soziale Sicherung zu retten", erklärte er damals in einer Rede.

Priorität genießt für ihn die Sicherung der öffentlichen Pensionskassen - dem Social Security Fund, aus dem die Renten einer wachsenden Anzahl von Baby Boomern bestritten werden, drohe ansonsten in etwa zwanzig Jahren die Pleite. Die von Clint0n in Aussicht gestellte größere soziale Sicherheit könnte der Grund dafür sein, daß die US-Amerikaner mehr dauerhafte Güter kaufen.