Tonträger für Deutschland

Das NPD-Bundesvorstandsmitglied Jens Pühse ist vor Gericht noch einmal günstig davongekommen

Das Urteil - 4 000 Mark Geldstrafe - schien ihm gar nicht zu schmecken, galt er doch bislang in seiner Partei als "Saubermann", dem kein Gericht etwas anhängen konnte. Wohl deshalb hievte ihn die Partei im Januar 1998 im mecklenburgischen Stavenhagen als Beisitzer in den NPD-Bundesvorstand. Jens Pühse, 27, aus dem oberbayerischen Freising, wurde vergangene Woche der bedingt vorsätzlichen Verbreitung gewaltverherrlichender und pornographischer Schriften schuldig gesprochen.

Schon während der Verhandlung ließ Amtsrichterin Gudrun Bocci durchblicken, daß Pühse diesmal nicht mit einer Einstellung des Verfahrens gegen Geldbuße rechnen dürfe. Denn die Staatsanwaltschaft hatte mehr zusammengetragen als das, was in der Anklageschrift, ursprünglich ein Strafbefehl über 60 Tagessätze, stand. Kistenweise CDs hatten Beamte des Landeskriminalamtes im Juni 1997 im Zuge einer bundesweiten Durchsuchungsaktion aus Pühses Geschäftsräumen, dem in rechtsextremistischen Kreisen bekannten Schallplattenversand "Jens Pühse Tonträgervertrieb", beschlagnahmt. Auch eine Waffe wurde gefunden, die allerdings nicht schußbereit war.

Die Liedtexte der CDs hatten es in sich. Rund eine Stunde mußte sich das Gericht die rechtsextremistischen Bands namens Endstufe, HäSSlicht oder Voice of Hate anhören. Von blutigen Straßenschlachten wurde da gesungen und davon, was Skinheads machen, wenn sie "Juden" oder "Negern" begegnen. Bis auf vereinzelte Passagen mit "undifferenzierbarem Haßgebrüll" waren die Texte akustisch verständlich, ergab die ausführliche "Inohrenscheinnahme" des Gerichtes. Ein Cover der Band Condamned zeigte zudem einige Skinheads, die eine Frau mit Springerstiefeln traktieren. Hier komme "das Äußerste an Menschenverachtung" zum Vorschein, befand Staatsanwalt Manfred Hölzlein. Man könne hier nicht mehr von einem erweiterten Kunstbegriff reden, wenn man zu Menschen sage: "Ihr werdet brennen", erklärte Hölzlein, der diese CDs insgesamt als "verabscheuungswürdig" bezeichnete.

Der Angeklagte machte geltend, daß die beschlagnahmten CDs nicht auf dem Index der Bundesprüfstelle verzeichnet seien. Die Neuveröffentlichungen dieses Indexes habe er natürlich abonniert. Er könne nicht jeden Titel auf strafbare Inhalte überprüfen. Von den indizierten Tonträgern behalte er ein Belegexemplar in seiner privaten Sammlung. Und: Er habe sogar auf jedem Prospekt einen Hinweis vermerkt, daß indizierte Titel nicht mehr ausgeliefert werden dürften. Ein Zeuge vom LKA deutete dies jedoch als Werbehinweis: "Leute, kauft die neuen Titel schnell, bevor sie indiziert sind."

Vergeblich versuchte Pühses Verteidiger, Rechtsanwalt Günther Herzogenrath-Amelung, einen Verfahrensfehler geltend zu machen. Denn bei der Beschlagnahmeaktion verfügten die Beamten über einen Durchsuchungsbeschluß, der auf Pühses Privatadresse ausgestellt war. Die Tonträger waren aber in den Firmenräumen sichergestellt worden. Richterin Bocci verwies jedoch darauf, daß unter dem Begriff "und sonstige Räume" auch die Geschäftsräume des Tonträgervertriebs durchsucht werden durften, da es sich dabei um keine GmbH und somit um keine gesonderte juristische Person gehandelt habe.

Die Richterin verhängte schließlich eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 40 Mark. Die niedrige Tagessatzhöhe wurde mit Pühses derzeit geringem Verdienst begründet. Seinen Tonträgervertrieb habe er wegen Unrentabilität im vergangenen Jahr aufgegeben. Jetzt arbeite er bei einem Verlag in Neuburg an der Donau (Deutsche Stimme, Zentralorgan der NPD), versehe dort aber angeblich nur einfache Packarbeiten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, denn Rechtsanwalt Herzogenrath-Amelung hat Berufung eingelegt. Jenen angeblich fehlerhaft ausgestellten Durchsuchungsbefehl hofft er in zweiter Instanz als Verfahrensfehler anerkannt zu bekommen. Herzogenrath-Amelung ist nicht zu unterschätzen, hat er doch Jens Pühse schon einmal in zweiter Instanz aus einer schier aussichtslosen Situation herausgeholt. 1997 war Pühse vom Amtsgericht Worms als Mitorganisator einer verbotenen Kundgebung zum Todestag von Rudolf Heß zu 120 Tagessätzen ˆ 60 Mark verurteilt worden.

Mit ihm waren zwei weitere Neonazis (Thomas Wulff und Holger Apfel) angeklagt, die gemeinsam mit Pühse die Organisation des illegalen Aufmarsches übernommen hatten. In zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Mainz fand Herzogenrath-Amelung mit seiner Strategie Gehör, es könne nur einen Versammlungsleiter geben, nicht drei. Verurteilt wurde daraufhin nur noch Thomas Wulff - Jens Pühse hingegen wurde freigesprochen.

Jetzt aber dürfte es der Anwalt etwas schwerer haben, denn hinter dem Urteil über die vorsätzliche Verbreitung gewaltverherrlichender und pornographischer Schriften verbirgt sich noch eine Reihe anderer Delikte, die bislang vorläufig nicht beachtet wurden und deren Strafverfolgung erst dann endgültig eingestellt werden kann, wenn ein Urteil in der Hauptsache rechtskräftig wird.