Polens Schmuddelkinder tragen Uniform

Arme Armee

Verschwitzte Socken, klamme Unterhemden, kalte Bauern: Das so entstehende Geruchsgemisch ist aus Männerumkleidekabinen in Sporthallen hinreichend bekannt. Auch über Armee-Kasernen soll eine ähnliche Dunstglocke liegen. Leider geben bis heute Statistiken zur Wehrdienstverweigerung keinerlei Auskunft über olfaktorisch begründete Absagen an die Armee.

Der Legende nach soll eine Dusche für Abhilfe oder zumindest Linderung sorgen. Doch wer noch seine Schulsportzeiten in Erinnerung hat, weiß, daß es sich wirklich nur um eine Legende handelt: Der ranzig-säuerliche Geruch mischt sich einfach nur mit Bestandteilen der nicht weniger aufdringlichen Noten diverser Moschus-Duschgels, Grüner-Apfel-Shampoos und dem unverwechselbaren Kernseifen-Aroma. Zudem sitzt der Muff ohnehin im Gemäuer. Dennoch wird bei vielen der in den siebziger Jahren gebauten Mehrzweckhallen der Gestank sich wohl erst in einigen Jahren voll ausprägen.

Eine deutsche Kaserne habe ich noch nie betreten, wie es dort riecht, zumal wenn es sich um ein älteres Gebäude handelt, weiß ich nicht, kann es mir aber vorstellen. Hinzu kommen Erzählungen von Bekannten und Erfahrungen aus den obligatorischen Zivi-Seminaren samt Übernachtungen in Zivi-Wohnheimen. Nicht nur Soldaten können Stinker sein.

Auch um polnische Kasernen habe ich bisher einen Bogen gemacht. Nicht etwa, weil "der polnische Rekrut schmutzig ist und stinkt", wie es jüngst zu hören war. Ich war einfach noch nie in Polen. Und wenn ich mal hinfahren sollte, werden Kasernen nicht auf der Liste meiner Reiseziele stehen.

Übrigens stammt die Aussage über den polnischen Schmuddel-Soldaten nicht, wie zu erwarten wäre, von irgendwelchen Deutschen, denen immer alles stinkt, was nicht deutsch ist. Polens Oberste Kontrollkammer (NIK) ist zu diesem Schluß gekommen, nachdem einige Kasernen überprüft und zahlreiche Militärangehörige befragt wurden. Das Ergebnis der NIK-Studie wurde von polnischen Medien meist unter dem Titel "Stinkend in die Nato" zusammengefaßt.

Auch die Ursachen werden in dem Bericht genannt: Fehlende Duschen und Waschbecken, Waschvorschriften mit knapper Zeitvorgabe, unregelmäßige Wäscheausgabe. In einigen Fällen soll frische Unterwäsche nur einmal im Monat verteilt worden sein. Die polnische Armeeführung hingegen gibt andere Gründe an: Viele Rekruten kämen vom Land, hätten einen "niedrigen Bildungsstand" und würden "erst beim Militär lernen, wie man die Zähne putzt und die Toilette benutzt", erklärte ein General.

Auf die Hauptvorwürfe des NIK-Berichts ging er jedoch nicht ein: Körperliche und psychische Mißhandlungen seien beim Militär an der Tagesordnung. Zwei von drei Rekruten hätten die Fala, eine Art systematischer Mißhandlung jüngerer Wehrpflichtiger durch ältere Soldaten oder Ausbilder, erlebt.

Zumindest in diesem Bereich erweist die polnische Armee ihre Nato-Tauglichkeit. Die war zuletzt beim zeremoniellen Nato-Beitritt Polens von verschiedenen Seiten angezweifelt worden. Doch bezog sich der Argwohn lediglich auf Qualität und Quantität des zur Verfügung stehenden Schießzeugs.

Zwar werden US-Marines, deutsche Gebirgs- oder französische Fallschirmjäger mit dem Begriff Fala nichts anfangen können, die damit verbundenen Techniken der Disziplinierung hingegen dürften ihnen ebenso vertraut sein wie der Geruch von Angstschweiß. It smells like men spirit.