Politik Macht Diebstahl

Bademattenwahn

Ich bekenne alles: Früher, als ich noch jünger war und mich mehr für Politik interessierte, habe auch ich gestohlen. Ich ging in einen Supermarkt im Prenzlauer Berg, holte mir die köstlichsten Delikatessen, die ich im Fleischerregal finden konnte, steckte sie in die Tasche, bezahlte an der Kasse einen Joghurt, Geschmacksrichtung Williamsbirne, und verließ unbeanstandet das Etablissement. Freunde von mir stockten so ihre Getränkevorräte um ein erhebliches Maß auf oder besorgten sich die überteuerte Literatur für das Medizinstudium.

Auch entsinne ich mich noch an den Tag, an dem mir eine Verkäuferin im Sprint durch die Innenstadt folgte und stakkatoartig den immergleichen Appell an mich richtete: "Geben Sie wenigstens das Buch zurück!" Ich hatte eine Mao-Bibel unrechtmäßig an mich genommen. Weil die junge Dame trotz ihrer Anstellung beim deutschen Buchhandel schneller war als ich, ließ ich schweren Herzens den großen Steuermann im Straßenschmutz zurück und rettete nur mein nacktes Leben. Deshalb werde ich wahrscheinlich nie mehr erfahren, woher die falschen Ideen der Menschen kommen. Retrospektiv bereue ich dies alles natürlich sehr: So läßt man sich wirklich nicht gehen.

Zutiefst verurteile ich daher heute die Taten von Andreas Pollak. Pollak saß bis vor kurzem für die Grünen im saarländischen Landtag. Jetzt aber soll er gesäubert werden, ausgeschlossen, von einem Sonderparteitag, wie Moskau 1936! Schließlich hat er ja auch das Vertrauen der Partei auf das Schlimmste mißbraucht: Er hat - Schande über ihn! - drei Badematten gestohlen. Aus einem Baumarkt! Und hat sich dabei erwischen lassen, höchstwahrscheinlich noch von einem dieser unauffälligen Männer in braunen Kunstlederjacken und Schnäuzern, die bei Obi stundenlang vor der Holzabteilung stehen, als ob sie ein Brett vor'm Kopf hätten. Pollak hat 10 000 Mark bezahlt, damit die Strafverfolgungsbehörden das Verfahren heimlich, still und leise einstellen. Doch die Partei hat tausend Augen, und so flog die Sache auf. Jetzt folgt die Strafe auf dem Fuße. Pollaks Leben ist für immer zerstört.

Nur gemutmaßt werden kann, welches Motiv hinter der Tat stand. Unklar bleibt auch, ob es Pollak vorerst gelungen war, die Badematten unauffällig in der Hosentasche zu verbergen. War es ein Akt der Solidarität mit Caterina Muth, jener PDS-Politikerin im deindustrialisierten Mecklenburg-Vorpommern, die jüngst ihre politische Karriere gegen einen Lippenstift getauscht hatte? Oder war es der stille Protest des Mannes von der Basis, der für die hohlen Phrasen von Innovation und Gerechtigkeit nur ein müdes Lächeln übrighat?

Nicht gerätselt werden muß hingegen, wo Jürgen Trittin seine neue Sehhilfe abgezockt hat: Herr Fielmann, rufen Sie die Polizei!