Das Fell des Bären

Nach der Krise bei der britischen Tochter Rover ist die Jagd auf den Münchener Konzern eröffnet

Nicht nur auf der Berlinale, auch im Fernsehen laufen Filme. Aufschlußreiche wie dieser sogar: Der Manager bleibt in dem titellosen Streifen unsichtbar, aber er ist - wie alle wissen und sehen - einer, den die Verhandlungspartner respektvoll zu Platze bitten, dem eine hübsche Sekretärin zu-lächelt, der durchs Fitneß-Studio spaziert, in einer schicken Villa wohnt, zwei Kinder und ein teures Auto hat.

Da also alle Klischees stimmen, fällt erst in der Wiederholung des Werbespots auf, daß der Manager eine Frau war. Das mag zwar grammatikalisch nicht ganz aufgehen, ist aber ziemlich modern - und nicht von BMW. Den Bayern, direkten Konkurrenten im Marktsegment oberer Mittelklassewagen, fällt nämlich nichts weiter ein, als die Kamera auf verjüngte Macker mit grauen Schläfen zu halten, die zu schlechter Musik wie blöde durch die Landschaft rasen: Freude am Fahren.

Kein Wunder also, daß BMW in der Krise steckt und über kurz oder lang damit rechnen muß, von Ford, General Motors oder VW geschluckt zu werden. Letzteres wäre sogar innenpolitisch ein großer Spaß, denn dann würde Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber - Hessenwahl hin, Volksfront-gegen-Doppelpaß-Kampagne her - ziemlich bedeppert dastehen und Gerhard Schröder süffisant vor der Kamera erklären, er wolle eine rein wirtschaftliche Entscheidung nicht kommentieren. VW-Chef Ferdinand Pi'ch jedenfalls hat schon Angebote unterbreitet, sich an BMW zu beteiligen. So weit werden es die Bayern - allen voran die Familie Quandt, die Hauptaktionärin bei dem Münchener Konzern ist - aber niemals kommen lassen und sich im Notfall eher von der transantlantischen Konkurrenz schlucken lassen.

Das wäre nur konsequent, denn wer wie die Bayern in der großen weiten Welt kein Glück hat, bleibt zu Hause und wartet auf bessere Zeiten. Der BMW-Ausflug nach Britannien unter Bernd Pischetsrieder, der BMW sechs Jahre lang führte und nun gestürzt wurde, ging jedenfalls mächtig daneben. Der Verlust der britischen Tochter Rover ist im vergangenen Jahr rasant auf rund 1,8 Milliarden Mark gestiegen, in diesem Jahr werden zwei Milliarden erwartet - trotz einer robusten Automobilkonjunktur in Europa. Für 1998 meldeten die anderen Autohersteller nahezu ohne Ausnahme satte Gewinne.

Auch die Asienkrise machte BMW-Rover schwer zu schaffen. In Südkorea wurden im vergangenen Jahr ganze 351 Fahrzeuge vekauft. Bei immerhin noch mehr als einer halben Million insgesamt abgesetzter Autos ein zu vernachlässigender Marktanteil. Die ostasiatische Gesamtbilanz sieht nicht viel besser aus. Gerade mal knapp 70 000 Autos konnten losgeschlagen werden - ein Minus von 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit sank auch der Marktanteil auf unter ein Prozent.

Die Krise bei BMW macht den Konzern anfällig für Übernahmeversuche der Konkurrenz. Besonders lukrativ wird BMW dadurch, daß die Muttergesellschaft mehr als eine Milliarde Mark Gewinn für das vergangene Jahr ausweisen wird. DaimlerChrysler-Chef Robert Eaton erklärte prompt nach dem Showdown in München, er rechne damit, daß sich mehrere Interessenten mit Übernahmeangeboten bei BMW melden werden. DaimlerChrysler werde mit Sicherheit nicht dazu gehören, aber General Motors könnte ein Kandidat sein. Der Wechsel im BMW-Management sei alles andere als ein normaler Vorgang.

Eatons ungefragter Vorstoß kann als schlichter Verunsicherungsversuch eines Konkurrenten gewertet werden - ein rationaler Kern steckt dennoch in der Aussage. Für General Motors wäre ein Einstieg bei BMW lukrativ, würde sich doch damit der weltgrößte Autokonzern neben Opel ein zusätzliches Standbein im gehobenen Segment in Deutschland und Europa schaffen, ohne daß sich seine Töchter auf dem Markt groß in die Quere kämen. Ähnliches würde eingeschränkt auch für Ford gelten, obwohl der US-Konzern im Januar die schwedische Traditionsfirma Volvo geschluckt und somit Fiat düpiert hat. Damit war nach der Übernahme von Chrysler durch den Stuttgarter Daimler-Benz-Konzern im vergangenen Jahr bereits die zweite transatlantische Großfusion in der Autobranche über die Bühne gegangen.

Das ist - bei aller Kritik am permanenten Geschwätz von der Globalisierung - tatsächlich eine neue Qualität in der Entwicklung der Weltwirtschaft. Immer weniger und immer größere transnationale Konzerne beherrschen die Weltmärkte. Mit Umsätzen, die größer als das Bruttoinlandsprodukt so mancher Staaten sind. 234 Milliarden Mark Umsatz jährlich machen beispielsweise DaimlerChrysler zum drittgrößten Fahrzeughersteller der Welt. Für den Automobilsektor erwarten Branchenkenner ohnehin, daß im nächsten Jahrzehnt nur noch ein halbes Dutzend global players übrigbleiben.

Der Kauf von Rover war der Versuch des bayerischen Konzerns, bei diesem Kampf weiter mitzumachen. Er ist gescheitert. Fressen oder gefressen werden. Die Investmentbank Lehman Bros. legte bereits ein Kursziel für die mögliche Zerschlagung von BMW - das heißt vor allem, daß Rover abgestoßen wird - fest: 1 380 Euro pro Aktie, etwa doppelt so viel wie heute. Diese Peinlichkeit will sich der neue BMW-Vorstand derzeit noch ersparen und versucht zu retten, was zu retten ist. Nicht ohne die Hand aufzuhalten.

Bis zu 800 Millionen Mark an Subventionen wollen die Bayern von der britischen Regierung, sonst, so die Drohung, müsse das Rover-Werk Longbridge dichtgemacht werden. 14 000 Arbeitsplätze wären direkt, rund 35 000 weitere in der Zulieferindustrie betroffen. Sollte BMW Rover tatsächlich abstoßen, wäre die Schließung des Werkes aus betriebswirtschaftlicher Sicht unvermeidlich. Massive Proteste ihrer britischen Kollegen befürchtend, hatten in einem Akt internationaler Solidarität die Arbeitnehmervertreter im BMW-Aufsichtsrat beim Showdown noch verhindert, daß Wolfgang Reitzle, der für die Verkaufsvariante plädierte, Nachfolger von Pischetsrieder wurde.

Für die Pleite bei Rover macht das Institut für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen vor allem Fehler im Marketing verantwortlich. Die Münchener hätten versucht, das Markenimage von Rover auf das höhere Niveau von Volkswagen zu bringen - mit einer entsprechenden Preissteigerung, die am Markt nicht durchsetzbar war. Die Folge war ein deutlicher Verlust des Marktanteils in Großbritannien: von 12,8 Prozent 1994 auf 8,9 Prozent im vergangenen Jahr.

"Die Probleme bei Rover scheinen nun auch auf das Kerngeschäft von BMW auszustrahlen", meint Institutschef Willi Diez im Handelsblatt. Und weiter: Die Produktpolitik sei während der vergangenen Jahre im Unterschied zu den unmittelbaren Konkurrenten Mercedes und Audi zu konservativ ausgefallen. Wie in der Werbung. Behaupte da noch jemand, die Wirklichkeit habe mit Filmen nichts zu tun.