Columbus'"Seite an Seite"

Mutter!

Hollywood-Starlets im Dauerstreß: Ständig müssen sie neue Liebhaber besorgen, damit es was zu lesen gibt, mit Töpfen durch die Gegend schmeißen oder den Mann verprügeln. Das ist aber noch nicht alles. Sie gehen auch noch arbeiten. Und das bedeutet hier also: einen Film nach dem anderen drehen. Das wirkliche Ausmaß ist Europa nur leidlich bekannt: Gerade 20 Prozent der US-Filmproduktion landen auf dem hiesigen Markt. Aber was dann zu sehen ist, gereicht oft genug - zum Loblied auf Kapital, Sozialpädagogik und mit Nachdruck: der Familienwert.

Diesmal: Mutter sein. Die arme Julia Roberts hat mit "Seite an Seite" einen Film gedreht, der ohne all die schönen Dinge auskommen muß, die die Trias aus Geld, Sulz und Schnulz erträglich macht: Sex, Mord und Totschlag. Dafür spielt sie Seite an Seite mit Susan Sarandon zwei Stunden lang Tränchen drücken. Isabel (Roberts), eine erfolgreiche Werbefotografin, ist die neue von Luke (Ed Harris). Der trennte sich zuvor von Jackie (Sarandon), mit der er die Kinder Anna (12) und Ben (7) hat. Glucken-eifersüchtig wacht Jackie, wenn Isabel mal auf die Kinder aufpaßt. Haut mal eins im Park ab und muß es anschließend auf der Polizeiwache abgeholt werden, ist gleich der Teufel, bzw. der Anwalt los im umgekehrten Schneewittchen: Die böse Stiefmutter ist die richtige Mutter, aber Snowhite ist und bleibt natürlich clean Ms. Roberts.

Und die Zwerge machen der Neuen das Leben zur Hölle. Dabei wollen sie doch nur: Mama, ich hab dich lieb! sagen dürfen. Aber wem erzählt man das, wenn es auf einmal zweimal soviel Mütter gibt, als man ohnehin kaum ertragen kann? Laut Daddy sind ja jetzt beide in den Arm zu nehmen. Verwirrungs-Luke weiß nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Aber die dramaturgische Lösung naht schon mit Getöse: Jackie, die selbstsüchtige, hat den Streukrebs! Ein Glück. Denn jetzt kommen sich die beiden Frauen im gemeinschaftlichen Ringen um die Kindersympathie doch noch irgendwie näher. Weil Jackie anfängt, über den Tod hinaus zu denken. Und Isabel total viel Verständnis entwickelt. Genauso unlogisch wie vorher die Kinderhüterfrage behandelt wird - kein Mensch kann erklären, warum die berufstätige Isabel ständig Babysitter spielen muß und auch noch will - beginnt jetzt die große Verstehe.

Bis der Abspann kommt, sind die Klüsen dick. An wen richtet sich dieser Film? Vielleicht an die neue Mitte so Anfang Vierzig: wenn man schon ein bißchen Scheidung hinter sich hat, eine dicke Karriere angeleiert und drei Autos (eins für die Verflossene, eins für die neue, den Sportwagen für mich) verschenken kann - sagen wir, es ist Matthias Mattussek. Der hat so ein ähnliches Schicksal. Oder wenn das Haar schon etwas kranzhaft geworden ist, wie beim lieben Ed Harris - der wie ein Stück Holz durch Bild und Beziehung tapert.

Die Besetzungsliste von Regisseur und Kindergarten-Spezialist Chris Columbus ist arschteuer gewesen, und nein, er teilt die Fluten aus Tränen/ Jammer nicht wie Moses das Meer. Auch, wenn man drauf wartet. In der Folge ist leider nur der Arsch nach zwei Stunden naßgesessen.

Also, liebe Leserin Angelika E., Berlin, die du dich beschwert hast, ich würde nur verquasten Murks schreiben, und nie, ob man in einen Film hineingehen sollte oder nicht - hier das apodiktische Urteil: Geh bloß nicht in "Seite an Seite"! Näh Dir Deine Filmstoffe lieber selber.

"Seite an Seite". USA 1998. R: Chris Columbus, D: Julia Roberts, Susan Sarandon, Ed Harris u.a. Start: 28. Januar