Lageabhängiger Verdacht

Eberhard Schönberg, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, hat die Schnauze voll davon, daß seine Kollegen immer "den Umweg über die Frage nach dem Warndreieck gehen" müssen. Immer wieder kämen die Beamten in die unangenehme Verlegenheit, Autofahrer nach dem Klappschild oder etwa dem Verbandskasten fragen zu müssen, damit sie einen kleinen Blick in den Kofferraum werfen dürfen. Mit diesen lästigen Lügen soll jetzt Schluß sein, findet auch die Berliner SPD-Innenexpertin Heidemarie Fischer. Deshalb haben sich Sicherheitsexperten von SPD, CDU und der neue Hauptstadt-Innensenator Eckart Werthebach (CDU) darauf geeinigt, auf Ausfallstraßen, Bahnhöfen und Flughäfen auch dann zu kontrollieren, wenn kein begründeter Verdacht vorliegt. Bisher sind diese Überprüfungen, von "gefährlichen Orten" und bei "Gefahr im Verzug" abgesehen, dem Bundesgrenzschutz vorbehalten. Grundlage für die verdachtsunabhängigen Kontrollen, die nun etwas dezenter "lageabhängige Kontrollen" genannt werden sollen: ein Wahlkampf-Papier Schilys zur Inneren Sicherheit. Wann diese "Lage" eintritt, darüber soll der Polizeipräsident entscheiden - auf jeden Fall aber dann, wenn es gilt, so Frau Fischer, "Schleusern, Zigarettenschmugglern und Autoschiebern" den Garaus zu machen.

So richtig zufrieden ist nun aber keiner. Der bündnisgrüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland befürchtet berechtigterweise, daß von den Kontrollen "zu 90 Prozent" Ausländer betroffen sein werden und spricht angesichts der zahlreichen Diplomaten, die sich künftig in der Stadt tummeln werden, von einer "Katastrophe". Polizeigewerkschafter Schönberg hingegen träumt schon mal von bayrischen Verhältnissen. Dort nämlich hätten die Beamten eine hohe Trefferquote, weil sie nicht nur auf Ausfall-, sondern auf sämtlichen Straßen verdachtsunabhängig kontrollieren dürfen.