»Herr Schily ist ein würdiger Nachfolger von Herrn Kanther«

Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über Otto Schily und seine Vorstellungen von Ausländerpolitik

Mit seinen Vorstellungen, die Einwanderung in der Bundesrepublik auf Null zu setzen, hat Bundesinnenminister Otto Schily nicht nur bei seinen SPD-Freunden Willfried Penner und Dieter Wiefelspütz Zustimmung gefunden, sondern auch beim Innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Erwin Marschewski, und selbst bei Bayerns CSU-Innenminister Günther Beckstein. Überrascht Sie dieser breite Konsens in der Ausländerpolitik?

Was Schily redet, ist verbreitete Meinung in beiden Volksparteien. Von daher überrascht mich das in der Form nicht. Ich bin allerdings schon der Meinung, daß es für die SPD generell problematisch ist, daß ihr Innenminister im Bereich Zuwanderung und Ausländerfragen eine Politik verfolgt, die sich anscheinend überhaupt nicht von derjenigen der CDU und gerade auch der CSU unterscheidet.

Sie sind, als Ihre Partei noch zusammen mit der Union an der Regierung war, für ein liberaleres Einwanderungsrecht eingetreten. Da müßten Ihnen ja einige Punkte in der Koalitionsvereinbarung von SPD und Grünen Hoffnung gemacht haben. Wie erklären Sie sich, daß sich nun offenbar trotzdem Schilys repressive Linie durchgesetzt hat?

Man sollte nicht übersehen, daß die Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Regierung gerade in diesem Punkt ziemlich dürftig ist. Sie sagt zu einer ganzen Reihe von Fragen in diesem Zusammenhang wenig, bedient sich sehr wolkiger Formulierungen, weicht auf allgemeine Aussagen aus, wo konkrete Inhalte gefordert wären. Ich habe die Koalitionsvereinbarung in den Teilen gut gefunden - und das werde ich auch in den Beratungen im Bundestag praktisch unterstützen -, in denen es um die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes geht. Zu Fragen der Ein- und Zuwanderung sagt die Vereinbarung dagegen überhaupt nichts aus, weil hier ganz klar ein Dissens zwischen SPD und Grünen besteht. Man hat sich einfach auf nichts verständigen können, und das ist auch der Grund, weshalb das jetzt ausgetragen wird. Mich wundert, daß die Grünen - nach einigen Äußerungen in der vergangenen Woche - bei diesem Thema relativ ruhig geblieben sind. Offenbar wollen sie es auf keinen Fall zu größeren Spannungen in der Koalition kommen lassen.

Ihre eigene Partei hat wenige Tage nach Schilys Äußerungen in der vergangenen Woche einen Gesetzentwurf aus der letzten Legislaturperiode für ein sogenanntes Zuwanderungsbegrenzungsgesetz neu eingebracht, der den Vorstellungen des Innenministers in vielem entgegekommen dürfte. Der Entwurf will ebenfalls Quoten festlegen, außerdem eine jährliche Höchstgrenze der Immigration. Sind solche Parameter nicht problematisch, wenn sich die beiden größten Parteien im Lande einig sind, daß die Zuwanderung schlicht auf Null gesetzt werden muß?

Nein, eine Null-Quote wird es nicht geben. Wenn man Quoten festsetzt, dann muß man sehen, daß es aus unterschiedlichsten Gründen Menschen gibt, die nach Deutschland kommen. Diese Teilquoten werden auf eine Gesamtquote angerechnet, und im Laufe eines Jahres muß man dann eben sehen, wie sich das entwickelt. Eine Nullquote mit keinerlei Zuwanderung gibt es also schon rein faktisch überhaupt nicht. Wenn man sich mit Regelungen zur Steuerung von Zuwanderung beschäftigt, dann kommt man um Quoten nicht herum. Aber Schily möchte mit seinen Worten ganz klar die Botschaft aussenden: Auch mit der SPD wird es nicht mehr Ausländer geben.

Woran liegt es, daß, egal unter welcher Regierung, ausgerechnet immer die Innenminister mit solchen Initiativen vorpreschen?

Innenminister sind für die Ordnung in einem Land zuständig, für Innere Sicherheit, für friedliches Zusammenleben. Anscheinend sind sie allerdings von dem Gedanken geprägt, das gehe am besten, wenn man die Zahl derjenigen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, möglichst niedrig hält, weil man damit auch Probleme niedrig halten könne. Es gibt ja niemand in Deutschland, der sagt, wir brauchen heute oder morgen Hunderttausende zusätzliche Bürgerinnen und Bürger aus anderen Ländern, die zu uns kommen. Aber die Sprache - die Worte, mit denen sich ein Spitzenpolitiker wie der Innenminister mit solchen sensiblen Fragen beschäftigt -, das gibt auch Auskunft über seine innere Einstellung. Das ist es, was mir Sorgen bereitet: Wie der Innenminister, zusammen mit seinen Kollegen aus manchen Ländern, diese Fragen jetzt handhabt.

Sie verfolgen Herrn Schilys Karriere schon seit einiger Zeit. Im Innenausschuß des Bundestags beschäftigen Sie sich mit denselben Fragen - in der Regel mit eher gegensätzlichen Standpunkten: Beim Großen Lauschangiff, in der Diskussion um die Innere Sicherheit oder ums Staatsbürgerschaftsrecht. War Schilys Abdriften nach rechts für Sie vorhersehbar?

In dieser Schnelligkeit und in dieser Deutlichkeit vielleicht nicht. Aber von seiner grundsätzlichen Einstellung her, so wie das in den letzten vier, fünf Jahren im Bundestag zum Ausdruck gekommen ist, war das angelegt darauf, daß Herr Schily ein würdiger Nachfolger von Herrn Kanther wird.