Zeitungen, die nichts kosten: 15 Uhr Aktuell

Springer war »not amused«

Der letzte Schrei auf dem Zeitungsmarkt: kostenlose, anzeigenfinanzierte Blätter, die als "richtige" Zeitungen daherkommen. Anders als die stilechten Werbe-Schmuddelblätter wollen sie ein mehr oder minder gut sortiertes redaktionelles Vollangebot liefern, von der großen Politik über Lokales bis zum Sport - alles für umsonst.

Losgetreten hat den Trend im November letzten Jahres die kostenlos verteilte Zeitung zum Sonntag in Freiburg. Der Laden des Kleinverlegers Zäh, der zuvor das erfolglose Sportmagazin Hattrick verlegte, brummt jetzt. Das neue Freiburger Sonntagsblatt - Auflage um die 100 000 - kommt nicht nur bei der Werbewirtschaft an. Auch in vielen WGs wird die gut gemachte Zeitung als Alternative zur taz gern gelesen.

Doch wo's was umsonst gibt, ist auch das Wettbewerbsrecht zur Stelle. Dieses sieht insbesondere der Axel-Springer-Verlag in Gefahr. Die kostenlosen Zeitungen stellten, so Springer, den wirtschaftlichen Erfolg der "richtigen" Zeitungen in Frage, z.B. den von Bild am Sonntag. Durch seine Anwälte geht Springer deshalb seit Monaten gegen die Freiburger vor und erwirkte zunächst eine Einstweilige Verfügung. Die Zeitung zum Sonntag konnte zwar nach der erstinstanzlichen Entscheidung weitererscheinen, ein endgültiger Spruch steht jedoch noch aus.

Tatsächlich haben die Zeitung zum Sonntag und andere kostenlose Blätter die Verlagskonzerne in Aufruhr versetzt. Die Angst ist, das Beispiel könnte Schule machen. Ein paar fette Prozentpunkte der regionalen Werbe- und Lesermärkte an die Piraten zu verlieren, löst in den Chefetagen Amokläufe aus. So stellvertretend Wilfried Goosmann, Geschäftsführer der Thüringer Zeitungsgruppe: "Da gehen wir auch am Sonntag in den Markt und zeigen den Angreifern, wie man's besser macht (...). An den Märkten der Zeitungsgruppe Thüringen knabbert niemand ohne Reue."

Der Zorn der guten, richtigen und echten Zeitungen hat jetzt in Berlin ein weiteres Opfer gefordert. Seit Montag vergangener Woche erschien auf dem hart umkämpften Pressemarkt der Stadt die kostenlose Abendzeitung 15 Uhr Aktuell in hoher Auflage, herausgebracht von einer lokalen No-Name-Verlags-GmbH "in Gründung". Offensichtlich ein Schnellschuß, der nicht mit journalistischer Qualität, dafür jedoch mit großen Anzeigen glänzen konnte.

Sogleich ließ Springer über den Branchendienst Kress verbreiten, man sei "not amused", und seit dem Wochenende ist erst mal Schluß für 15 Uhr Aktuell. Die Springer-Tochter Ullstein konnte vor dem Berliner Landgericht den einstweiligen Stopp erwirken.

Daß mit den kostenlosen Zeitungen die journalistische Qualität flächendeckend gesteigert werden, nimmt niemand an. Die Freiburger Sonntagszeitung düfte da eine Ausnahme bleiben. Immerhin gestand das Berliner Landgericht zu, 15 Uhr Aktuell erfülle "nach Inhalt und Aufmachung die Kriterien einer Tageszeitung". Ob die Richter bedacht haben, daß damit neben dem Wettbewerbsrecht auch die Pressefreiheit ins Spiel kommt?

Beim Verlag Gruner+Jahr schien man die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Der Verlag hat sich inzwischen mit fast 50 Prozent bei dem Freiburger Kleinverlag der Zeitung zum Sonntag eingekauft. Daß ihm jetzt in Berlin eine kostenlose Tageszeitung den Schneid abkaufen und den G+J-Hausblättern Berliner Zeitung und Kurier Konkurrenz machen könnte, ist nicht ohne gewisse Pikanterie.