Koalitionsvereinbarung bleibt beim Ius sanguinis

Recht des rot-grünen Blute

"Das war ein langer Marsch. Wir können uns nun in diesem Lande als angehörig fühlen", freute sich Hakki Keskin, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, über die rot-grünen Koalitionsvereinbarungen zum Staatsangehörigkeitsrecht. Herr Keskin irrt. Er gehört noch längst nicht zu uns. Zwar dürfte es Ihm persönlich, sollte er es denn wünschen, leichter fallen, eines der begehrten roten Heftchen mit dem dürren Geflügel vorne drauf zu ergattern. Aber nur deswegen, weil sich Hakki Keskin schon seit mehr als acht Jahren hier aufhält, niemals sogenannter Illegaler war oder sonstwie mit dem deutschen Gesetz in Konflikt gekommen ist, und weil er vermutlich in der Lage sein wird, für seinen eigenen Unterhalt und denjenigen seiner Familie aufzukommen. Wäre sein Nachname nicht Keskin, sondern Kunze - hätten er also deutsches Blut, wie man das einst nannte -, dann hätte er solche Probleme nicht. Das, Herr Keskin, wird man auch in Zukukunft Ius sanguinis nennen: das Recht des Blutes.

Aber, mag Hakki Keskin einwenden, für seine Enkel gilt dieses Recht nicht mehr: Schließlich wurden bereits seine Kinder hier geboren, und da gilt künftig für deren Kinder, wenn sie ebenfalls hier zur Welt kommen, daß sie automatisch Deutsche werden - Ius soli also. Und wenn einer die Bedingungen erfüllt, um Deutscher zu werden, dann muß er künftig nicht mehr seine alte Staatsbürgerschaft aufgeben. Teilweise richtig: Tatsächlich wird das Blutsprinzip, die angebliche schicksalhafte Verbundenheit mit dem Staatsvolk qua Geburt, durch diese beiden Bestimmungen etwas aufgeweicht, zum großen Ärger von Konservativen wie Neofaschisten. Doch die biblisch lange Wartezeit bei der Einbürgerung von Kindern in Deutschland lebender Ausländer - Kommentatoren sprechen von der "zweieinhalbten Generation" - bedeutet: Eigentlich gilt das Blutsrecht fort; wir machen nur eine kleine Ausnahme.

Wer in den Genuß der neuen Regelung kommen will, sollte im übrigen schon in der Vergangenheit immer darauf geachtet haben, seinen Urlaub richtig zu legen und seine Papiere auch in Extremsituationen in Ordnung zu halten. Sollte die Aufenthaltserlaubnis von Herrn Keskins Tochter zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes abgelaufen sein, oder sollte sie während einer Türkei-Reise vorzeitig niederkommen, dann ist Herrn Keskins Enkel Türke, und nur Türke. Falls er und seine Gattin es vorgezogen haben, ihre Tochter in der Türkei zur Welt zu bringen, dann hat sein Enkel ebenfalls Pech gehabt. Auch Kinder ausländischer Frauen, die den Vater ihres Kindes nicht kennen oder nicht benennen wollen, bleiben Ausländerinnen, selbst wenn der Erzeuger Deutscher sein sollte. Deutschen Frauen, Herr Keskin, kann so etwas nicht passieren.

Wie ist das überhaupt mit den Kindern? Wenn zumindest ein Elternteil eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt und sie mit diesem seit fünf Jahren "in familiärer Gemeinschaft in Deutschland leben", dann sollen die Kleinen einen deutschen Paß bekommen. Wenn dieser Elternteil aber einen Unfall erleidet oder die Kinder aus sonst einem Grund im Heim landen? Deutschen Kindern wird nicht der Paß weggenommen, weil der Vater Alkoholiker ist. Das fällt aber kaum ins Gewicht, werden die Koalitionäre sich gedacht haben, denn bei den Ausländern ist die Welt ja meistens noch in Ordnung.

Schwul oder so sind Sie übrigens auch nicht. Denn während an anderer Stelle in den Koalitionsvereinbarungen die "Einführung eingetragener Lebenspartnerschaften mit Rechten und Pflichten" angekündigt wird, heißt es im ausländerrechtlichen Teil brav "Ehegatten". Ausländische Ehepartner können nun den Paß immerhin schon beantragen, wenn sie es drei Jahre in Deutschland und zwei - anstatt bisher vier - Jahre mit einem Deutschen ausgehalten haben - bei gleichgeschlechtlichen Partnern kann die Lebensgemeinschaft noch so innig sein, das Ausländeramt wird sich schlicht nicht für sie interessieren. Aber das betrifft Sie ja nicht, Herr Keskin.