Kiffer kriminalisieren Kiffer

Drogenkonsum wird auch unter Rot-Grün nicht legalisiert
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"Durch die Kriminalisierung des Konsums werden Tag für Tag Gebraucherinnen und Gebraucher illegalisierter Drogen kriminalisiert und stigmatisiert. Soziales Elend, schwere gesundheitliche Schäden und oft der frühe Tod sind die Folgen der Konsum- und Lebenssituation der Abhängigen."

Diese völlig richtige Analyse und die daraus abgeleitete Forderung nach der Legalisierung jedes Drogenkonsums stammt nicht von durchgeknallten Drogenverherrlichern kleiner linker Wochenzeitungen. Es ist die Begründung eines Bundestagsantrags der SPD-Fraktion, unterzeichnet von 35 Sozialdemokraten, darunter Rudolf Scharping, Peter Struck und Thomas Krüger. Datum: 11. Dezember 1995.

Am 15. Oktober 1998 erklärte der Sprecher des Arbeitskreis Drogenpolitik der Jusos, Jürgen Neumeyer, enttäuscht: "Wir hätten erwartet, daß die Fraktion wenigstens ihre eigenen Beschlüsse umsetzt." Von dem Ansatz Entkriminalisierung ist bei den Koalitionsgesprächen zwischen SPD und Grünen nichts übrig geblieben. Der Besitz auch kleinster Mengen Heroin, Kokain, Ecstasy, ja sogar von Cannabis bleibt strafbar. Auch künftig brummen die Hälfte aller Gefängnisinsassen ihre Strafen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ab. Die grüne Fraktionschefin Kerstin Müller ist mit dem Verhandlungsergebnis dennoch "sehr zufrieden", spricht gar davon, eine "neue Politik eingeleitet" zu haben.

Was ist das Neue? Daß überhaupt mal etwas passiert? Was bei der konservativen Drogenpolitik des dilettierenden Drogenbeauftragten Eduard Lintner (CSU) Ideologie war, wird unter Innenminister Otto Schily schlicht Law-and-Order-Repressionspolitik. Delirierten Lintner und seine christsozialen Spezis im Bierzelt von der Heiligen Abstinenz, haben SPD und Grüne als neue Drogenpolitik nun ein Polizeikonzept entwickelt.

Es kann nicht verwundern, daß es auf sozialdemokratischer Seite vor allem innenpolitische Hardliner wie Henning Voscherau und 20 Polizeipräsidenten deutscher Großstädte waren, die sich in den letzten Jahren für eine kontrollierte Heroinabgabe stark gemacht hatten.

Dabei wäre die staatliche Heroinabgabe tatsächlich eine große Hilfe für kranke Schwerstabhängige, wenn sie nicht im klaren Widerspruch zur Legalisierung stünde, die als einzige den illegalen Schwarzmarkt austrocknen, die Qualität des Stoffes kontrollierbar und damit die meisten Todesfälle und HIV-Infektionen vermeidbar machen würde.

Die kontrollierte Abgabe wird nur einen ganz kleinen Teil der Junkies erreichen. Nur wer schon schwer geschädigt, nachweisbar krank und sozial

verelendet ist, hat eine Chance, in ein solches Programm aufgenommen zu werden. Sie werden in sterilen Räumen unter ärztlicher Aufsicht einen Schuß setzen können, müssen dafür jedoch ihre Lebensumstände völlig offenlegen, Kontrolluntersuchungen nach verbotenem Beikonsum über sich ergehen lassen und Bemühungen um gesellschaftliche Einordnung nachweisen. Wer es sich nur irgendwie leisten kann, oder wer pfiffig genug ist, sich die Kohle zusammenzuklauen, wird weiter auf den anonymen Schwarzmarkt zurückgreifen.

Auch die Legalisierung von Fixerstuben ist im Grunde ein vernünftiger Schritt, weil sie das Abstinenz-Dogma konterkariert und für viele Junkies die Konsumbedingungen entscheidend verbessert. Doch die Motivation für das auch von der Frankfurter CDU-Bürgermeisterin protegierte Konzept besteht vor allem darin, die Straßen von Junkies zu säubern und das halluzinierte Unsicherheitsgefühl der Bürger abzubauen. Es ist kein Zufall, daß die Drogenpolitik bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen im Rahmen der innenpolitischen Themen angesprochen wurde und daß zumindest für die SPD nicht ein Gesundheitspolitiker antrat, sondern der designierte Innenminister Otto Schily, um die Ergebnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Das ganze Desaster der Koalitionsvereinbarung wird schließlich beim Cannabis deutlich. Nicht einmal die Legalisierung dieses harmlosen Krauts, dieses Kamillentees für die Sinne, konnte die Alt-68er-Versammlung aus SPD und Grünen auf den Weg bringen. Und das, obwohl nun passionierte Kiffer wie Rezzo Schlauch das Land mitregieren werden.

Drogenkonsum bleibt kriminell, Konsumenten werden weiter stigmatisiert als Kranke, als Kriminelle. Vom Recht auf Rausch will niemand mehr etwas wissen. Es sei denn, es geht um Alkohol. Und da gibt es bei den Roten und Grünen genauso leidenschaftliche Trinker wie seinerzeit bei der Union. Prost!