Bürgerrecht aufs Brautkleid

1989 in Dänemark eingeführt, wird die "Homo-Ehe" zunehmend beliebter - vor allem bei europäischen Regierungen. Die Geschichte eines Exportschlagers

Niemand wird bestreiten, daß Margrethe II. eine ebenso moderne wie furchtlose Königin ist. Nicht nur, daß die dänische Monarchin eine passionierte Raucherin ist und sich qualmend auch in der Öffentlichkeit zeigt, Margrethe zeichnet auch Gesetze ab, bei denen ihren europäischen AmtskollegeInnen wohl die Hand abfiele, zögen sie nicht einen eintägigen Rücktritt vor.

"Wir, Margrethe die Zweite, Königin von Gottes Gnaden, geben bekannt, daß (...) zwei Personen des gleichen Geschlechts ihre Partnerschaft registrieren lassen können", ließ sie am 1. Juni 1989 ihr Volk wissen, wünschte allen eine schöne Zeit und holte sich einen Aschenbecher. Damit hatte Dänemark als erster Staat der Welt Homosexuellen so etwas wie eine Ehe light ermöglicht. Von nun an sollten auch sie, "anerkannt-sündlos" leben können, wie es der Vorkämpfer der homosexuellen Emanzipation, Karl Heinrich Ulrichs, ein strenger Katholik, dereinst erflehte. Das christliche Abendland schwankte, aber es fiel nicht. Und der nationale Schwulen- und Lesbenverband "Landsforeningen for B¿sser og Lesbiske" (LBL) konnte einen Sieg für die homosexuellen Bürgerrechte verbuchen.

Im Mai 1989 hatte das dänische Parlament das "Lov om registrered parnerskab", das Gesetz Nummer 372 über die Registrierte Partnerschaft, beschlossen. Als es am 1. Oktober des Jahres in Kraft trat, stürmten Boulevard-Blätter aus der ganzen Welt das Kopenhagener Rathaus, um Bilder von frisch vermählten Homo-Ehepaaren zu ergattern. Sie wurden nicht enttäuscht. Es gab Küßchen überall, Hochzeitskutschen fuhren vor, Reis und Brautsträuße flogen durch die Luft, und ein Schwulenchor sang "Hier kommt die Braut". Eine deutsche Kommentatorin formulierte später feinfühlig, hier habe sich "das seit Jahrzehnten angestaute Bedürfnis homosexueller Paare, ihre Verbindung gesetzlich abzusichern", entladen. Wer wollte sich da, bei so viel angestautem Bedürfnis, nicht erleichtern?

Daß sich die rechtliche Absicherung ganz zwanglos in der legalisierten Form zu äußern habe, war zwischen LBL, Regierung und Kirche ohnehin längst beschlossene Sache. KritikerInnen aus der Schwulen- vor allem aber aus der Lesbenbewegung, die in der "Homo-Ehe" ein Abhängigkeitsverhältnis erkannten, daß ihnen nun übergestülpt werden sollte, fanden kaum Gehör. So führt der LBL die Einführung der Registrierten Partnerschaft - genaugenommen wird ja nicht geheiratet, sondern nur "registriert", aber bei romantischen Angelegenheiten soll man nicht kleinlich sein - heute gern auf die lebendige Demokratie und den humanen Geist der dänischen Gesellschaft zurück.

In der Tat: Die Bedingungen waren in Dänemark seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs günstig. Konnten sich in Deutschland vom Faschismus zerstörte Ansätze bürgerlicher Homo-Politik erst wieder über den Umweg der Jahre 1968 und 1989 organisiert durchsetzen, hat der LBL seinen Vorsprung geschickt genutzt. Als die Sozialistische Volkspartei (SF) in einem Anfall von Reformwillen 1968 das Eherecht den veränderten Formen des Zusammenlebens anpassen wollte - Ziel sollte es sein, unterschiedliche Beziehungsformen zu schützen, ohne den Leuten vorzuschreiben, welche die richtige ist -, sprang der LBL so schnell auf den anrollenden Zug, daß die SF erschrocken die Bremsen zog. Doch die Geister, die die SF rief, wurde sie nicht wieder los. Nachdem im LBL klar wurde, daß die Ehe-Forderung gegenüber den eigenen Verbandsmitgliedern einerseits, sowie Konservativen und Kirche andererseits kaum durchsetzbar sein würde, kam zunächst ein Rückzieher. Die Strategie der Siebziger, ein Konzept des "Zusammelebens ohne Ehe", sollte als Kompromiß mit den radikal-emanzipatorischen Teilen der Homo-Bewegung dienen. Damit die Kirche Ruhe gab, gestand man Heterosexuellen nunmehr ausdrücklich das "Monopol auf die Ehe" zu.

Zwar forderte der LBL in der Öffentlichkeit weiterhin "Gleichstellung" für homosexuelle Partnerschaften, worunter sehr verschiedene Formen des Zusammenlebens zu verstehen wären. Nahezu alle politischen Aktivitäten liefen indes immer mehr darauf hinaus, ausschließlich den Weg zum Standesamt freizumachen. Assimilation statt Emanzipation war die Devise. Die Strategie ging auf: Seit Bestehen der Regelung bis zum 31. Dezember letzten Jahres haben sich 1 266 Frauen- und 3 541 Männerpaare registrieren lassen. 540 Partnerschaften davon sind inzwischen wieder "geschieden", 256 endeten durch den Tod eines Partners. Derzeit kommen jährlich ca. 400 Partnerschaften hinzu. Etwa zwei Drittel davon werden von Männern geschlossen, meist im Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Die Registrierte Partnerschaft beinhaltet für beide Partner die gleichen Rechte und Pflichten wie die Ehe, Adoption und kirchliche Trauung sind jedoch ausgeschlossen. Kann man verschmerzen, dürften etliche Herrenpaare gedacht haben.

Das Modell Gib-den-Homos-ihre-Heirat-und-die-halben-Rechte erwies sich binnen kurzem als dänischer Exportschlager, gern genommen von Homos die nicht viel, und Homophoben, die einiges zu sagen haben. Die einen jubelten über "kulturelle und gesellschaftliche Reformen", die anderen darüber, daß sie die Teufelsbrut endlich irgendwie unter ihre Kontrolle gekriegt haben. So hat jeder was davon, und alle machen mit: Norwegen (1993), Schweden (1995), Island, und das dänische Grönland (1996) sowie die Niederlande (1998) haben bereits entsprechende Partnerschaftsgesetze verabschiedet.

In allen west- und einzelnen osteuropäischen Staaten überbieten sich derzeit die Parlamente mit entsprechenden Initiativen. Weitgehend an das dänische Vorbild angelehnt, unterscheiden sich derzeit gültige Regelungen jedoch in wichtigen Details. Die norwegische Version etwa schreibt vor, daß beide Partner homosexuell sein müssen (!), eine Registrierungsvorraussetzung, auf die man in Dänemark verzichtet hat, weil klugerweise keine bestehende sexuelle Beziehung zur Bedingung gemacht werden sollte. Auch Heterosexuellen ist somit - wenngleich unbeabsichtigt - die historisch einmalige Möglichkeit eröffnet, sich gleichgeschlechtlich zu binden. Da sage noch einer, es gäbe keinen Fortschritt.

Doch die Registrierte Partnerschaft hat selbst bei den Befürwortern ihre Grenzen. Während in Dänemark zumindest einer der gleichgeschlechtlichen Partner Däne sein muß und die Partnerschaft nur im Inland Gültigkeit besitzt, erkennt Schweden auch in anderen Ländern geschlossene Partnerschaften an - vorausgesetzt, beide Partner leben in Schweden. Zwei Schweden, die in Norwegen wohnen, haben registrierungsmäßig Pech gehabt, skandinavische Freundschaft hin oder her. Sie können sich, obwohl beide Staaten über entsprechende Gesetze verfügen, weder in Norwegen registrieren lassen (weil sie keine Norweger sind), noch in Schweden (weil sie nicht in Schweden leben).

Im Zuge europäischer Regionalisierungstendenzen sind nun selbst die Hochburgen des Katholizismus vor den Registrierten Partnerschaften nicht mehr sicher. Am 30. Juni dieses Jahres verabschiedete das katalanische Landesparlament in Barcelona ein Gesetz zur Anerkennung eheähnlicher (homo- wie heterosexueller) Gemeinschaften, welches außer für die Mitarbeiter der Regionalregierung jedoch keinerlei soziale Absicherungen vorsieht. Ende Juli erkannte die Stadtverwaltung von Florenz gleichgeschlechtliche Ehen an, worauf der päpstliche Osservatore Romano die "Würde und die wahre Natur der Familie faktisch aus den Angeln gehoben" sah. Indes sind auf kommunaler Ebene eingeführte Registrierte Partnerschaften kaum mehr das Papier wert, auf dem sie stehen. Entsprechende Gesetze können nur von den jeweiligen nationalen Gesetzgebern beschlossen werden. Von Ehe also keine Spur: Es handelt sich um symbolische Akte, die kaum Rechtsfolgen haben und niemandem sonderlich weh tun.

Damit läßt sich überall etwas anfangen, besonders in Deutschland, das sich im Wahlkampf befindet. "Hamburg gibt Homoehe das Jawort", metapherte erwartungsgemäß die taz am 26. August und merkte tröstend an, als Ausgleich für ausbleibende Rechtssicherheit gebe es immerhin "eine Urkunde und ein Partnerschaftsbuch". Der Senat selbst lobte sich, daß Homo-Paare durch die standesamtliche Eintragung nun "einen offiziellen Charakter erhielten" und "in der Öffentlichkeit sichtbarer" würden. Eine Urkunde, ein Büchlein und etwas Sichtbarkeit vom rot-grünen Senat: Wahlgeschenke, die man gern nimmt, wenn man sonst schon alles hat.

Da SPD und Grüne fest entschlossen sind, nach der Wahl die eigene Vermählung zu bewerkstelligen, umgarnt man derzeit heftig das lesbisch-schwule Wahlvolk. Noch zu Jahresbeginn schwor Volker Beck, Sprecher des Schwulenverbandes Deutschland und schwulgrüner Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, Schröder und Lafontaine seien "keine Männer nach meinem Geschmack". Nach "Schröders Wink mit dem Trauschleier" (Berliner Zeitung) scheint sich da was geändert zu haben. Zumindest darin ist das Brautpaar sich einig: Homo-Partnerschaft ja, aber die Institution Ehe soll bitteschön unangetastet bleiben. Das Ehegattensplitting, jahrelang für Beck "ein alter Zopf", soll nun nicht mehr abgeschafft, sondern auf ein "vernünftiges Maß abgeschmolzen" werden, was immer das heißen mag. Die Braut ließ sich küssen, noch bevor sie ja gesagt hatte.

Was er seinem grünen Parteifreund Beck schenke, wenn der möglicherweise demnächst heiraten dürfe, wurde Joschka Fischer jüngst vom Kölner Schwulenblatt Queer gefragt. Seine Antwort: "Die Adresse eines guten Scheidungsanwalts."