Pro Kabila - Contra Kabila

Durch die militärischen Interventionen afrikanischer Staaten droht der Demokratischen Republik Kongo die Spaltung.

Frantz Fanons Diktum, Afrika habe die Form eines Revolvers und der Kongo sei der Abzug dazu, ist zwar durch das Pathos des Befreiungskampfes überladen, enthält aber ein Stück Wahrheit. Der Kongo ist das Scharnier des Kontinents. Und es hält ihn zusammen oder läßt ihn auseinanderbrechen, je nachdem, wie die politsche Situation dort gerade ist.

Der Westen des Landes erinnert kulturell an Westafrika, während die südlich gelegene Provinz Katanga in dieser und in wirtschaftlicher Hinsicht dem südlichen Afrika zuzurechnen ist. Die östlichen Kivu-Provinzen hingegen, wo wie in großen Teilen Ostafrikas Suaheli gesprochen wird, orientiert sich am östlichen Teil des Kontinents.

Zur Zeit wirkt die Erinnerung an die Zeiten Mobutus, als es tatsächlich so etwas wie eine einheitliche Nationalität gab, unwirklich, da eine Teilung des Kongo zwar nicht unvermeidlich, aber höchst wahrscheinlich scheint: Die militärische Pro-Kabila-Allianz von loyalen Truppen aus dem Kongo mit Einheiten aus Angola, Zimbabwe und Namibia hat Kongos Hauptstadt Kinshasa Ende letzter Woche gegen Angriffe der Rebellenarmee gehalten. Nach eigenen Angaben seien dabei mehrere Tausend Soldaten der Gegenseite, darunter auch solche aus Uganda und Ruanda, gefangengenommen oder getötet worden.

Hilfsorganisationen und Journalisten aus Kinshasa berichteten zudem von Massakern an gefangenen Rebellen, die bis zum Samstag gefoltert und exekutiert worden seien. Zwar richtete der neue Armeechef der kongolesischen Truppen, der Sohn von Staatschef Laurent Kabila, Joseph Kabila, Appelle an die Bevölkerung, "von Lynchmorden Abstand zu nehmen", doch scheint er die falsche Adresse gewählt zu haben: Nach übereinstimmenden Meldungen des ruandischen Rundfunks und westlicher Nachrichtenagenturen waren es mehrheitlich Soldaten der kongolesischen Armee sowie der unter ihrem Kommando stehenden bewaffneten "Volksmilizen", die rund hundert Gefangene erschossen, erschlagen und lebendig verbrannt hätten.

Im Osten des Landes - einschließlich der umkämpften Großstadt Kisangani - dominieren nach wie vor die Truppen der Rebellenallianz RCD. Nach einem Bericht des staatlichen Rundfunks in Uganda, kämpfen ugandische Truppen seit Ende vergangener Woche nun auch offiziell an der Seite der RCD-Einheiten. Die britische BBC bestätigte dies am Freitag unter Berufung auf einen hochrangigen ugandischen Diplomaten. Glaubt man der Mitte letzter Woche verbreiteten Ankündigung der angolanischen Armeeführung, nicht in den Osten des Landes vorrücken zu wollen, scheint die Spaltung des Kongo somit vorläufig besiegelt zu sein.

Diese Gefahr bestand unter anderen Vorzeichen schon einmal: während der sogenannten Kongo-Krise Anfang der sechziger Jahre. Damals handelte es sich nicht wie heute um den Machtkampf von regionalen Allianzen, sondern es standen sich zwei ideologische Richtungen im Kalten Krieg gegenüber. Nach der Unabhängigkeit des Kongo und dem Wahlsieg der nationalistischen Koalition von Patrice Lumumba, erklärte die rohstoffreiche Provinz Katanga - unterstützt von der ehemaligen Kolonialmacht Belgien - ihre Unabahängigkeit. Präsident Kasavubu und der Armeechef Mobutu entledigten sich daraufhin Lumubas, und der Aufstand der Anhänger des ermordeten Ministerpräsidenten begann.

Auch damals spielte der Osten des Landes eine entscheidende Rolle. In Kisangani hatte die Regierung der Aufständischen ihren Sitz, und in der Grenzregion von Süd-Kivu und Katanga war ein gewisser Laurent Kabila einer der Rebellen-Kommandeure. Der Aufstand wurde schließlich mit Hilfe südafrikanischer Söldner, belgischer Truppen und Logistik aus den USA niedergeschlagen. Kabila jedoch unterhielt weiterhin eine kleine Rebellentruppe in den unzugänglichen Bergen seiner Heimatregion. Er machte jedoch nur einmal, 1984, von sich reden, als es ihm gelang, das Fischerdorf Moba am westlichen Ufer des Tanganijka-Sees für ein paar Tage einzunehmen.

Viele der am aktuellen Konflikt Beteiligten haben eine persönliche Kontinuität mit der Rebellion der sechziger Jahre. Der Vize-Innenminister Faustin Munene zum Beispiel ist der Neffe des legendären Pierre Mulele, der die Rebellion in Bandundu begann; die Söhne Olengas, eines der militärischen Führer von damals, haben heute eine hohe Stellung in der Armee. Doch der historische Rahmen ist mittlerweile verschwunden. Unter Mobutu war der Kongo - die Umbenennung in Zaire erfolgte erst 1971 - eine wichtige politische und militärische Basis, von der aus reaktionäre Organisationen wie Jonas Savimbis Unita oder anfänglich Holden Robertos FNLA die Befreiungsbewegung und spätere Regierung Angolas in Schach halten konnten.

1978 und 1979 kam es nach dem Angriff der sogenannten Katanga-Gendarme zu zwei Sezessionskriegen im Kongo, die nur mit Hilfe marokkanischer und französischer Truppen beendet werden konnten. Diese Katanga-Gendarme, Überbleibsel des ersten Sezessionsversuches von 1960, waren nach Angola geflohen und versuchten nun mit Hilfe der angolanischen Regierung erneut ihr Glück. Die Beziehung zu den übrigen Nachbarstaaten, viele davon französische Patronatsstaaten und damit fest im westlichen Lager verankert, waren gut, von Koexistenz (Tansania, Sambia) oder Indifferenz (Uganda) bestimmt. Mit dem Erfolg der Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika und deren Abkehr vom Sozialismus Anfang der neunziger Jahre verlor Zaire seine Bedeutung als Verbündeter des Westens und wurde, außer von Frankreich, fallengelassen.

Im Osten braute sich jedoch schon ein neues Gewitter zusammen, das am Ende zu dem heutigen Krieg zwischen zwei feindlichen regionalen Allianzen führen sollte. Im nachhinein ist klar, daß die erfolgreiche Invasion des Front Patriotique Rwandais (FPR) in Ruanda - mit tatkräftiger Hilfe Ugandas - einen Präzedenzfall geschaffen hat, von dem eine direkte Linie zu dem heute fast alltäglichen Interventionismus in Afrika führt. Die Invasion Tansanias in Uganda (1979) und die anschließende Installierung einer Tansania wohlgesonnenen Regierung geschah unter anderen Umständen: Idi Amin war idiotisch und lebensmüde genug, Tansania zuerst anzugreifen. Der FPR-Invasion fehlte hingegen ein politisches Motiv. Sie wurde fast auschließlich, wenn auch von der FPR ungewollt, als Angriff von Exil-Tutsis wahrgenommen.

Heute hat dieser Gegensatz von Hutus und Tutsis bis auf Westafrika den ganzen Kontinent ergriffen, und jedes Land ordnet sich auf der einen oder anderen Seite ein. Eine Anekdote, die von einem Treffen der Staatschefs von Kongo, Kongo-Brazzaville, Gabun und Angola kolportiert wird, ist gut geeignet, die Relevanz dieser konstruierten, aber mächtigen Teilung deutlich zu machen. Der Präsident von Kongo-Brazzaville, Denis Sassou-Nguesso, so heißt es, habe sich geweigert, mit Deo Bugera, einem Vertreter der Banyamulenge, der zu Kabilas Delegation gehörte, an einem Tisch zu sitzen. Kabila hatte nichts dagegen einzuwenden.

So schaukelt sich diese Feindschaft, getrieben durch die wohl nicht ganz unberechtigte Angst der Tutsis vor der Vernichtung - der Krieg der Banyamulenge begann bereits im Oktober 1996 nach der Vertreibung von zehntausenden Tutsis durch Hutu-Milizen und der Armee Mobutus - und dem bekannten Haß gegen einflußreiche Minderheiten zu einem sich selbst nährenden Krieg hoch. Daß es dabei auch um unterschiedliche Interessen im Kampf um Territorien und Ressourcen geht, beweist die Leichtigkeit, mit der solche Allianzen entstehen - und wieder zerfallen.