Nüchtern aufs Eis

Alkoholreklame ist in Norwegen gesetzlich verboten, und jetzt ist die Eishockey-WM des Jahres 1999 gefährdet

Als Norwegen im Jahr 1995 den Zuschlag für die Eishockey-Weltmeisterschaft 1999 erhielt, war man in dem kleinen Land mit knapp vier Millionen Einwohnern stolz. Und erhoffte sich neben steigenden Touristenzahlen auch positive Auswirkungen auf die eigenen Kufen-Cracks, die im Gegensatz zu denen des Nachbarlandes Schweden, die hin und wieder sogar Weltmeister werden, notorisch erfolglos sind. Für den finanziell schwachen Eishockeyverband würde auch noch etwas abfallen, deswegen war man drei Jahre lang hochzufrieden.

Im August dieses Jahres stellte sich dann heraus, daß Norwegen die Eishockey-WM eigentlich gar nicht ausrichten darf, weil die Modalitäten der Austragung gegen die herrschenden Gesetze verstoßen. Denn der internationale Eishockey-Verband hat einen Sponsoring-Vertrag mit der deutschen Brauerei Warsteiner, die ihr Logo bei der WM natürlich auch vertreten sehen möchte. Das ist nach den Gesetzen des Gastgeberlandes jedoch illegal.

Die christlich-konservative norwegische Regierung hat sich besonders dem Kampf gegen den Alkohol verschrieben. Die Norweger dürfen offiziell starken Alkohol wie Wein und Schnaps nur in staatlichen Läden zu horrenden Preisen (ein Glas Bier kostet in Kneipen zirka 10 Mark) kaufen, trotzdem haftet dem Konsum immer noch etwas Verbotenes an.

Trinken in der Öffentlichkeit ist verboten. Wirte, die Betrunkene bedienen, können ihre Lizenz verlieren, der Zoll macht regelrecht Jagd auf aus dem Sommerurlaub heimkehrende Norweger, die mehr als die erlaubte Menge von zwei Litern Bier und drei Flaschen Wein aus dem Ausland einführen wollen. Ein Abgeordneter der regierenden Christlichen Volkspartei KRF erntete vor zwei Monaten für seinen Vorschlag, einen Totenkopf-Aufkleber auf Weinflaschen anzubringen, nicht etwa Hohn und Spott, sondern viel Zustimmung. Alkohol rangiert nach Auffassung der in Norwegen sehr starken christlichen Fundamentalisten in puncto Gefährlichkeit nur ganz knapp hinter Heroin.

Um besonders die Jugend vor den Folgen des Alkohols zu schützen, verfügte man im vorigen Jahr ein Werbeverbot für Alkohol - ohne daß sich Protest regte. Während das geplante Verbot von Tabakwerbung in den EU-Staaten auf heftigen Widerstand der Zigarettenindustrie und Werbebranche stößt, gibt es in Norwegen keine Lobby, die sich gegen das Alkoholwerbeverbot stark machen könnte. Bierwerbung war dort einfach nicht besonders präsent. Bei Sportveranstaltungen schon gar nicht, dort ist der Alkoholausschank, wenn nicht gleich verboten, dann mindestens verpönt.

Bisher hatte man sich in ähnlichen Fällen in Norwegen mit Tricksereien beholfen: Als Liverpool im vorigen Sommer zu einer im Fernsehen übertragenen Norwegen-Tournee anreiste, handelte es sich eigentlich auch um ein ungesetzliches Unternehmen. Die Trikots der Engländer zierte nämlich das Logo der Sponsorenfirma Carlsberg, die ganz eindeutig Bier herstellt.

Die norwegische Gesetzeslage sorgte zwar in Großbritannien für hämische Schlagzeilen, leuchtete jedoch auch den Liverpooler Verantwortlichen ein, die ihre Sporthemden so veränderten, daß sie zwar für das alkoholische Getränk warben, die Reklame jedoch nicht nach Werbung aussah: "Probably" stand schließlich nur auf den Trikots. Daß dies "Probably the best beer in the world" und auf den Carlsberg-Slogan anspielte, verstand jeder.

So einfach wird dies aber bei der Eishockey-WM nicht gehen, denn Warsteiner will auf jeden Fall sein Logo und nicht kodierte Reklame präsentiert sehen, zumal die Firma den großen Erfolg ihres Bieres - 550 Millionen Liter werden jährlich in 70 Länder exportiert - auch auf die massive Präsenz des Unternehmens bei Sportveranstaltungen zurückführt. Warsteiner sponsert u.a. den Formel 1-Fahrer Mika Häkkinen, eine eigene Serie von 60 Tennisturnieren in Deutschland, ist Partner des Internationalen Ski-Verbandes Fis, und damit bei allen Fis-Weltcup-Rennen präsent, und ist seit Jahren einer der Haupt-Sponsoren der jährlich ausgetragenen Eishockey-Weltmeisterschaften.

Bislang ohne Probleme, und das soll auch so bleiben: "Entweder ist Warsteiner auch bei der WM in Norwegen dabei, oder die Veranstaltung wird an ein anderes Land gegeben", erklärte Hannes Ederer, einer der Funktionäre des Internationalen Eishockey-Verbandes IIHF die Entschlossenheit des IIHF, nicht auf den Haupt-Sponsoren zu verzichten. "Wir möchten Norwegen die WM nicht wegnehmen, sind allerdings gleichzeitig an die bestehenden Verträge mit unseren Sponsoren gebunden."

Das bringt das Ausrichterland nicht nur in eine ziemlich peinliche Lage, sondern auch in finanzielle Nöte. Thomas Almskog vom Organisationskomitee gab an, daß man schon mindestens eine Millionen Mark investiert habe, die man nur dann zurückerhalte, wenn man die WM auch tatsächlich ausrichten könne - die Gewinne sind schon fest eingeplant.

Man hofft auf eine Ausnahmegenehmigung, denn "unsere Bewerbung für die Eishockey-WM geschah unter anderen Voraussetzungen. 1995 war das Gesetz gegen die Alkoholreklame noch nicht in Kraft". Den norwegischen Funktionären aller Sportarten wird langsam klar, welche Auswirkungen das Werbeverbot auf den Sport haben könnte. "Wenn jetzt die Politik nicht einlenkt, dann können wir uns genausogut gleich vom internationalen Sport verabschieden. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir ohne Ausnahmeregelungen für Großereignisse jemals wieder Ski-Weltmeisterschaften, Langlauf-Rennen oder ähnliches veranstalten können", sagte Bj¿rn Ruud, der Präsident des norwegischen Eishockey-Verbandes, dessen Ausnahme-Antrag aus diesem Grunde u.a. auch vom norwegischen Leichtathletik-Verband unterstützt wird.

Man hofft, daß sich das Ministerium bis Ende September entschieden haben wird, denn dann findet die IIHF-Sitzung statt, auf der endgültig über die WM 1999 entschieden wird. Dabei kann man die eigene Regierung nicht auf internationale Präzedenzfälle hinweisen, denn Frankreich, wo Alkoholreklame ebenfalls untersagt ist, verbietet grundsätzlich Stadionwerbung für Bier etc. und verbot bei der Fußball-WM in diesem Sommer sogar Budweiser, einem der Haupsponsoren des Internationalen Fußballverbandes Fifa, die öffentliche Werbung. Auch ausländische Vereine, die auf ihren Trikots für einen Alkohol herstellenden Sponsor werben, werden gezwungen, die Reklame zu entfernen - ansonsten dürfen sie nicht antreten.

Die norwegischen Sportfunktionäre haben allerdings noch Hoffnung: Die Regierungskoalition, die mit einer Mehrheit von nur 25 Prozent regiert und der in allen Umfrageergebnissen kaum Chancen auf Wiederwahl eingeräumt werden, kann es sich kaum leisten, die Sportfans des Landes durch ihr Beharren auf das Gesetz zu verprellen.

Denn der IIHF hat schon erklärt, daß Norwegen nur dann automatisch qualifiziert sei, wenn es die WM auch tatsächlich ausrichte - sich zu qualifizieren ist für das Eishockey-Nationalteam aber traditionell gar nicht so einfach. Verstärkt wird das Dilemma für die regierenden Alkoholgegner noch dadurch, daß der Nachbar Schweden schon signalisiert, die WM 1999 ausrichten zu wollen. Und eine Regierung, die das zuläßt, wird schon gar nicht wiedergewählt.