Maulwürfe im Regenwald

Frankreich und die USA werden von Kabila für die Kongo-Krise mitverantwortlich gemacht

Überall Dämonen, die den Kongo zerstören wollen. So sehen es zur Zeit regierungsnahe Medien in Kinshasa: Im Osten die Rebellen samt ihren "offenen Verbündeten" und im Süden deren "geheime Unterstützer". Aber auch Frankreich und den USA werden von der amtierenden Regierung unter Laurent Kabila feindliche Rollen zugeordnet. Antifranzösische und antiamerikanische Slogans sind häufig auf den Straßen zu hören. In den staatlichen Medien sind sie ohnehin präsent. Böse Erinnerungen vor allem an die französische, aber auch an die länger zurückliegende US-amerikanische Unterstützung für Kabilas Vorgänger Mobutu sollen so geweckt werden.

Neben der wohl ernstgemeinten aggressiven Hetze gegen Ruander und Tutsis sucht Kabila so, wie Le Monde vor knapp zwei Wochen analysierte, Unterstützung in der Bevölkerung zu reorganisieren. Alle Schichten hätten seinerzeit nahezu einmütig den Sturz Mobutus durch Kabila begrüßt, selbst die Truppen des alternden Diktators leisteten zum Schluß kaum noch Widerstand. Bei Kabila sei dies nun anders, wußte die Washington Post jüngst die Aussagen eines gerade ausreisenden Angestellten einer US-Ölfirma zu deuten: Der Staatschef werde "nicht abhauen, ohne zu kämpfen".

Daher müßten nun verschiedene Formen nationalistischer Mobilisierung retten, was zu retten sei: Denn noch, fährt Le Monde fort, sei Kabila nicht bar jeglicher Unterstützung, wie es Mobutu am Ende seiner Laufbahn gewesen sei: Als Grund dafür wird angegeben, daß die Korruption des Systems und das Schröpfen der Bevölkerung durch Militärs und Regime bislang nicht die Ausmaße wie unter Mobutu erreicht habe. Außerdem habe die seinerzeit herrschende Hyperinflation eingedämmt werden können - wenngleich sich an der Armut im Lande wenig geändert habe.

Die New York Times vom vergangenen Wochenende deutet weitere Ursachen an: Durch das Eintreffen militärischer Truppen aus Angola, Zimbabwe und Namibia könnten sich die kongolesischen Sicherheitskräfte nun wieder dem widmen, was sie am besten könnten: Jugendliche und junge Erwachsene gegen die Tutsis und deren Verbündete aufhetzen. Im Gegenzug lasse man ihnen in allen der Kabila-Allianz unterstehenden Gebieten den Handel mit überteuerten Lebensmitteln und Benzin durchgehen.

Die kongolesische Agitation gegen Frankreich hatte durch einen international verbreiteten Bericht der Pariser Enthüllungs- und Satirezeitung Le Canard encha"né neue Nahrung erhalten. Mitte August hieß es dort, mehrere der Rebellenführer seien bereits im Dezember 1997 von einem Mitarbeiter des Pariser Elysee-Präsidentenamtes empfangen worden (Jungle World, Nr. 34/98). Einer der Spitzenfunktionäre der Rebellen-Allianz, Arthur Zahidi Ngoma, habe zudem bereits 1996 mit Jacques Foccart, dem Afrika-Spezialisten der französischen Geheimdienste und der Gaullistenpartei RPR, über den Kongo gesprochen. Ngoma bestätigte dies, indem er Mitte August gegenüber Le Figaro und Le Monde erklärte: "Frankreich ist ein Land, das uns verstanden hat".

Ngoma war Anfang der siebziger Jahre aus Mobutus Zaire geflohen, hatte in Paris Jura studiert und dort später für die Unesco gearbeitet. Daher hatte er "seit mehreren Jahren Kontakte zum RPR", wie die Wirtschaftszeitschrift Le Point feststellte.

Der jetzige Jura-Professor, der in Berichten meist eher als gutgläubiger politischer Idealist denn als intrigenreicher Verschwörer dargestellt wird, kehrte 1992 nach Zaire zurück. Mobutu hatte damals gerade unter internationalem Druck die Einführung eines Mehrparteiensystems akzeptiert, das er anschließend durch die Gründung einer Vielzahl eigener Parteien aushebelte. Im November 1997 gründete Ngoma trotz des Verbots parteipolitischer Betätigung durch Kabila eine neue Partei, die Forces du Futur (Kräfte der Zukunft). Dafür gab es sechs Monate Haft, bevor er - nach internationalen Protesten - freigelassen wurde und im April 1998 nach Paris floh. Am 1. August kehrte Ngoma ins ostkongolesische Goma zurück, wo exakt am folgenden Tag die Rebellion ausbrach. Gerüchte über seine Rolle folgten.

Doch die Bedeutung Ngomas als möglicher Maulwurf aus Paris wird durch zwei Faktoren geschmälert: Nach seiner Ernennung zum "Präsidenten der Bewegung" Anfang August wurde er zwei Wochen später nicht in die militärische Führung der Rebellen übernommen. Es scheint, als werde Ngoma von der Bewegung auf die Rolle eines zivilen Politikers beschränkt, während der bislang weitgehend unbekannte Ernest Wamba di Wamba, der als nicht ganz so frankophil gilt, die heterogene Koalition politisch und militärisch zusammenhalten soll (Jungle World, Nr. 35/98). Zum zweiten soll Ngoma während seines Vorsprechens "in den Ministerien und im Elysee-Palast", wo er um französische Unterstützung für die Rebellen ersuchte, so Le Monde vergangene Woche, keine konkreten Zusagen erhalten haben.

Frankreich scheint sich demnach im Kongo nicht festlegen zu wollen. Dies mag auch daran liegen, daß zu anderen Funktionären der Rebellion - wie etwa dem Ex-AFDL-Mann und jetzigem Rebellenfunktionär Deo Bugera - alte und tiefe Differenzen vorherrschen, die eine Unterstützung aus Paris erschweren.

Die französische Haltung läßt sich wohl am besten als Mischung aus einer leichten Neigung zugunsten der Rebellen plus stiller Schadenfreude über die aktuellen Schwierigkeiten der US-amerikanischen Afrika-Politik charakterisieren. Man freut sich in Paris einfach über jene Strategen aus dem Pentagon, die maßgeblich zum Sturz des 30 Jahre lang von Paris und Brüssel ausgehaltenen Marschalls Mobutu beigetragen hatten und danach erwarteten, im Kongo richtig absahnen zu können.

Seine ökonomischen und politischen Positionen hatte Frankreich bereits weitgehend eingebüßt, nachdem Mobutu im Mai 1997 aus Kinshasa fliehen mußte. "Kein einziges französisches Unternehmen hat, im Gegensatz zu den amerikanischen und südafrikanischen Gesellschaften, seit der Machtübernahme von Kabila das kongolesische Abenteuer gesucht", stellte Le Monde dazu vergangene Woche fest. Kabila, so analysierte das Blatt bereits zwei Wochen zuvor, habe anläßlich des Sturzes von Mobutu allen militärischen Koalitionspartnern unterschiedliche und teils widersprüchliche Versprechungen politischer wie ökonomischer Art gegeben, die er anschließend nicht erfüllen konnte.

Dies gelte für die Interessen der Nachbarstaaten Ruanda und Uganda, die vor - von Zaire aus operierenden - feindlichen Rebellengruppen und dort noch immer ansässigen Hutu-Milizen, die 1994 den Genozid in Ruanda initiierten, geschützt werden wollten. Betroffen seien aber auch anglo-amerikanische und südafrikanische Unternehmen, denen Zusagen gemacht worden seien, die Bodenschätze des Kongo - hauptsächlich Diamanten, Kupfer und Nickel - ausbeuten zu dürfen.

Die Zeitung L'Humanité sieht einen weiteren Grund für die Krise: Die USA baue zusammen mit ihren ostafrikanischen Verbündeten Uganda und Ruanda ihre nordost- und ostafrikanische Einflußsphäre aus. Dies geschehe, um dem nach Ende des Apartheid-Regimes und der Eingliederung Südafrikas in die polit-ökonomischen Beziehungen der Region sich herausbildenden "Block" des südlichen Afrika entgegenzuwirken.

Und in der Tat sind die unterschiedlichen Optionen Südafrikas und der USA zum Kongo-Konflikt auffällig. Zwar betonen beide Staaten, ein sofortiger Waffenstillstand mit anschließenden Friedensverhandlungen müsse her, doch scheint allein Südafrikas Präsident Nelson Mandela damit auch Ernst machen zu wollen. Zumindest setzt sein jüngst vorgelegter Zehn-Punkte-Plan zur Befriedung des Kongo auf einen Machtausgleich, in den die Regierung Kabila explizit einbezogen ist. Eine von Frankreichs Außenminister Hubert Védrine bereits vor mehr als zwei Wochen vorgeschlagene Friedenskonferenz unter Beteiligung ost- und südafrikanischer Staaten ist hingegen längst vom Tisch. Niemand scheint den neuerlichen und peinlichen Versuch Frankreichs, sich per Vermittlerrolle wieder in die Politik Zentralafrikas einzumischen, auch nur ansatzweise diskutieren zu wollen.

Gegen die USA wurden in der Region bereits Anfang August Stimmen laut, als internationale Presseberichte, nach denen mehr und mehr US-Militärberater in Uganda und Ruanda gesichtet wurden, aus Washington nicht dementiert wurden. Spätestens seit der Afrika-Tournee von US-Präsident William Clinton im März dieses Jahres galt bislang vor allem Uganda als Musterschüler der USA, der höchstens hier und da einmal finanzielle Unterstützung brauchte. Doch bereits der kurzfristige Währungsabsturz des südafrikanischen Rand, der südlich der Sahara teils als offizielle, teils als inoffizielle Leitwährung gilt, ließ vor zwei Monaten die Wachstumsraten des ostafrikanischen Staates jäh abstürzen. Und dann kam auch noch der militärische Konflikt mit dem großen westlichen Nachbarn hinzu, der in keinem Staatshaushalt von Ugandas Präsident Yoweri Museveni eingeplant war.

Die Administration Clintons hatte zu reagieren: Solange die Rebellen die wenigen Ölfelder der demokratischen Republik Kongo im Westen des Landes kontrollierten, kamen aus Washington fast stündlich Forderungen zu einem sofortigen Waffenstillstand. Seit angolanische Truppen dieses Gebiet vergangene Woche zurückerobert haben, halten sich die US-Afrika-Spezialisten in ihren Äußerungen merklich zurück. Zumal gegenwärtig unklar ist, wer die diamantenreichen Regionen im Zentrum und Süden des Kongo in der nächsten Zeit kontrollieren wird.