Hauser und Kienzle im besonderen Einsatz

Wie "Frontal" einmal eine jüdisch-amerikanische Verschwörung entlarvte

"'La Belle'-Attentat - Kumpanei von Mossad und CIA?" titelte vergangene Woche das ZDF-Magazin "Frontal".

Nicht zum ersten Mal tauchte damit die Vermutung auf, ein US-amerikanischer Geheimdienst könnte vorher von dem Attentat auf die hauptsächlich von GIs besuchte Diskothek am 5. April 1986 gewußt haben, bei dem drei Menschen starben und 230 verletzt wurden - oder gar in dessen Vorbereitung involviert gewesen sein?

Motive dafür hätte es mehr als genug gegeben: Mit der angeblich zweifelsfrei erwiesenen libyschen Urheberschaft an dem Anschlag begründete US-Präsident Ronald Reagan zehn Tage später die Bombardierung der Städte Tripolis und Bengasi. Dutzende von Menschen starben. Es war die erste solche Strafaktion außerhalb des amerikanischen Kontinents, bei der die USA als "Weltpolizist" auftraten, und sie zwang die europäischen Verbündeten, transmediterrane Wirtschaftskontakte abzubrechen, um sich unmißverständlich an die Seite der USA zu stellen. "Auge um Auge, Zahn um Zahn", stellte "Frontal"-Moderator Ulrich Kienzle fest: "Wie jetzt nach den Bombenanschlägen von Nairobi und Daressalam."

Doch viel Neues konnte die "Frontal"-Redaktion nicht vorlegen, was die gewagte These aus dem Titel des Beitrags stützen würde - trotz "monatelanger Recherche", trotz Reisen nach Malta und Norwegen und Einsichtnahme in die Vernehmungprotokolle der Hauptverdächtigen.

Vor der 39. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin stehen im aktuellen Verfahren fünf Angeklagte: Neben Andrea Häusler und Verena Chanaa, die die Bombe in die Disko gebracht haben sollen, Chanaas Ehemann Ali; außerdem der Palästinenser Yassir Chraidi, ein Fahrer des libyschen Volksbüros in Ostberlin, den die Staatsanwaltschaft für den Haupttäter hält, sowie als obskurste Gestalt der in Malta niedergelassene libysche Geschäftsmann Musbah Abulgasem Eter.

Eter hatte 1996 in der deutschen Botschaft auf Malta bei einem Treffen mit einem BND-Agenten, einem Vertreter des Berliner Landeskriminalamtes und Staatsanwalt Detlev Mehlis ein umfassendes Geständnis abgelegt, das er jedoch später widerrief. Mehlis' Versuch, Eter als De-facto-Kronzeugen gegen Chraidi aufzubauen, scheiterte am Gericht. Eine Strafminderung, wie Mehlis sie offenbar bei dem Treffen auf Malta zugesagt habe, rügten die Richter, sei bei Mordvorwurf überhaupt nicht möglich; Eters Aussage dürfe deshalb nicht verwendet werden. Mitte Juli ließ Mehlis den Konflikt eskalieren und stellte zweimal Befangenheitsantrag gegen das Gericht, der zweimal abgelehnt wurde. Wären die Anträge durchgekommen, so wäre der Prozeß geplatzt, weil das Gericht über keine Ersatzrichter mehr verfügt.

Das Verhalten der Berliner Staatsanwaltschaft hat vor allem den Effekt, den Fortgang des Verfahrens zu verzögern. Es paßt insofern nicht schlecht zur Darstellung der "Frontal"-Redaktion - wenn man unterstellt, daß die Strafverfolger als verlängerter Arm eines oder mehrerer westlicher Geheimdienste agieren. Denn nach Meinung von "Frontal"-Reporter Udo Frank zählte Chraidi nicht zu den Haupttätern, dafür aber der von der Staatsanwaltschaft hofierte Eter selbst. Der habe bei seinen Aussagen "präzises Täterwissen erkennen" lassen, habe gar "laut eigener Aussage die Bedienungsanleitung für die Bombe in die Wohnung des Mitangeklagten" gebracht. Der Libyer betreibe in Malta eine "Scheinfirma", deren Zweck es sei, "Agenten in aller Welt zu unterhalten", als "Tarnung bei seinen verschiedenen Geheimdienstoperationen". Der Knüller jedoch: "Musbah Eter hat seit Jahren für den amerikanischen Geheimdienst CIA gearbeitet."

So fügt sich eins ins andere: Die Amis haben einen ihrer Agenten damit beauftragt, eine ihrer Diskos mit ein paar ihrer Soldaten in die Luft zu sprengen, damit sie eine Begründung für einen ihrer Militärschläge hatten Imperialistenschweine enttarnt, oder: Wie am Schluß doch noch alles ganz einfach wurde.

Doch so einfach ist es leider nicht, denn die Beweise, die Hauser und Kienzle für ihre These anführen, sind mehr als dürftig: Nichts als ein Gespräch mit Chraidi-Anwalt Hans-Christian Ströbele, der von Stasi-Akten weiß, denen zufolge Eter 1986 beim Betreten der Ostberliner US-Botschaft gesehen worden sei. In einem Gespräch mit der Jungle World (Nr. 49/97) hatte Ströbele selbst darauf hingewiesen, wie mißtrauisch man gegenüber den Stasi-Akten sein sollte: "Diese Agenten standen unter großem Erfolgsdruck, wurden zum Teil auch danach bezahlt, wie wertvoll die Informationen waren, die sie lieferten. Und immer, wenn die klamm waren, mußten sie sich natürlich etwas einfallen lassen."

Doch von solcher Quellenkritik halten die "Frontal"-Redakteure wenig. Und da sie nun schon einmal am Blättern waren, lasen sie noch etwas weiter in den Aktenbündeln aus der Berliner Normannenstraße, die mittlerweile beim Landgericht in der Turmstraße lagern. Dort finden sich auch Aufzeichnungen des KGB, in denen es heißt: "Außerdem beabsichtigte die amerikanische Abwehr angeblich, den Agenten Mahmoud Ahmed Ali bei der Fabrikation einer Sache über die Beteiligung libyscher Terroristen am genannten Anschlag zu nutzen."

"Angeblich", heißt es, hätten die Amerikaner etwas "beabsichtigt". Das ist sehr vorsichtig formuliert für ein Dossier, das wohlgemerkt erst deutlich nach dem Anschlag verfertigt wurde. Gut möglich, daß etwas dran ist an der Sache. Ebenso gut möglich, daß die Russen Material sammelten, um von einer möglichen Verwicklung der eigenen Verbündeten in den Anschlag abzulenken.

Doch für die "Frontal"-Rechercheure ist schon bewiesen, daß es sich bei der Gruppe um den Palästinenser Mahmoud, der sich "Abu Jaber" (Mahmoud, der Schreckliche) nennt, nicht nur um "die eigentlichen Hintermänner" handelt, um "die, die den Anschlag vorbereitet haben", sondern daß sie außerdem "westliche Agenten" seien. Abu Jabers PFLP-CG habe damals als "Freelance-Terroristen" "für alle und gegen jeden gearbeitet". Die Antwort auf die Frage, für welchen westlichen Geheimdienst die Gruppe im April 1986 gearbeitet hat, vermutet das "Frontal"-Team in der norwegischen Hafenstadt Bergen. Dort lebt Mohamed Amairi, der früher angeblich die Berliner Dépendance der PFLP-CG leitete und den "Frontal"-Leuten als "rechte Hand" Mahmouds gilt.

Dafür, daß er einst zur Entourage eines so gefährlichen Mannes gehört haben soll, ist Amairi erstaunlich freundlich zu dem Kamerateam. Er bittet die Reporter in seine Wohnung, die Kamera schwenkt über Teetassen, man sieht den Palästinenser plaudern. Erst als die Frage gefallen sei, für welchen Geheimdienst er arbeite, erfährt man, habe Amairi das Gespräch abgebrochen: "Ende eines Interviews. Er telefoniert mit seinem Anwalt."

Die "Frontal"-Reporter dürften über diese dramatische Entwicklung nicht sehr schockiert gewesen sein. Hatte ihnen doch schon der letzte Anwalt, mit dem sie sich unterhielten, den ultimativen Beweis für die Verwicklung der USA in den La-Belle-Anschlag geliefert. Da war es allerdings nötig, das Gespräch etwas zu verkürzen, mögliche Einwände wegzulassen. Dergleichen ist bei Odd Drevland, laut "Frontal" "der norwegische Anwalt für die ganz besonderen Fälle", nicht nötig. Er weiß von Anfang an, worauf es den deutschen Journalisten ankommt, und er zeigt sich kooperativ.

Die Antwort auf die Frage, die Amairi zuerst nicht geben wollte, kennt Drevland sofort: "Es sei einer der größten Skandale in Norwegen gewesen, daß Amairi nach seiner Ankunft vom israelischen Geheimdienst betreut wurde. Heute wisse man, daß es eine gute lange Tradition in der Zusammenarbeit mit dem Mossad gegeben habe", wird er von "Frontal" zitiert. In voller Länge gibt "Frontal" das folgende Gespräch wieder:

"Frontal": "Und alles änderte sich dann für Amairi?"

Drevland: "Die Situation änderte sich."

"Frontal": "Der Mossad kam also ins Spiel, und für Amairi änderte sich alles?"

Drevland: "Der Mossad war in diesem Fall in Norwegen seit Herbst 1991 aktiv. Zuerst war Amairi im Gefängnis, dann wurde er wieder freigelassen - aufgrund der hiesigen Gesetze. Und dann änderte sich alles."

"Frontal": "War Amairi Mossad-Agent?"

Drevland (nach kurzem Zögern): "Er war ein Mossad-Mann."

Diesem Gespräch kann man entnehmen, daß Amairi 1986 eben kein Mossad-Agent war: Schließlich soll der Mossad erst im Herbst 1991 ins Spiel gekommen sein. Es würde für den Geheimdienst wohl auch kaum Sinn machen, die Betreuung eines Agenten erst fünfeinhalb Jahre nach der Tat aufzunehmen. Das ist der "Frontal"-Redaktion egal, ebenso egal wie das Interesse, das Drevland daran haben könnte, die Vergangenheit seines Mandanten einzunebeln. Schriftliche oder materielle Beweise sind nicht nötig: "Eter - ein CIA-Mann. Die Hintermänner vom Mossad. Doch der Fahrer der Libyer soll es gewesen sein." W.z.b.w.: Wo der Ami ist, ist der Jude nicht weit. Noch Fragen, Kienzle? In diesem Falle nicht, Hauser.