Einer wird gewinnen

Die kosovo-albanische UCK hat jetzt eine politische Vertretung, aber mit der will keiner verhandeln

Sie kommen, sie reden, sie gehen - ratlos und jeglicher Perspektive beraubt. Die ausländischen Vermittler im Kosovo-Konflikt pendeln zwar seit Wochen zwischen Belgrad und Pristina, doch den Durchblick haben sie weniger denn je.

Christopher Hill, Sondervermittler der USA, weilte am 23. August in Belgrad, plauderte mal mit Slobodan Milosevic und zog wieder ab. In Washington mußte er erzählen, daß der jugoslawische Präsident ihm wieder mal das Ende der serbischen Offensive zugesagt hatte und Versprechen des Landes völlig wertlos seien.

Albert Rohan, Generalsekretär des österreichischen Außenministeriums, machte vor etwa drei Wochen an der Spitze einer EU-Delegation Smalltalk mit Milosevic, führte eine zweistündige Sightseeing-Tour nach Pristina an und flog wieder zurück nach Wien. Seitdem wird der Grandseigneur der österreichischen Diplomatie immer wieder von Brüssel angefleht, abermals ins Krisengebiet zu jetten. Doch Rohan hat genug: "Es ist völlig sinnlos, mit Milosevic zu verhandeln."

Sein Chef, der österreichische Außenminister Wolfgang Schüssel, hat Verständnis für die Bequemlichkeit des Diplomaten und meinte Mitte vergangener Woche im Rahmen des "Europäischen Forum Altbach": "Im Kosovo gibt es ein Problem, und das heißt Milosevic."

Schüssel ist über die Grenzen des kleinen Österreichs bekannt für seine ein-fachen Analysen komplizierter Konfliktsituationen. Die Frontverläufe waren zwar lange Zeit überschaubar. Mit dem Auftreten der Kosovo-Untergrundarmee UCK, deren Kommandanten sich nun erstmals in der Öffentlichkeit wagen, hat sich die Sitiuation verändert.

Die Ziele der UCK machen es den internationalen Diplomaten eher schwer. Zwar beteuert der neue politische Anführer der UCK, Adem Demaci, laufend, die Armee habe sich "von der pan-albanischen Idee getrennt". Das aber reicht noch lange nicht, um die Ausbreitung eines Flächenbrandes auf dem Balkan zu verhindern.

Nationale albanische Bestrebungen haben sich inzwischen verselbständigt. Sogar in Mazedonien, das nicht einmal in grauer UCK-Vorzeit Bestandteil der "panalbanischen Idee" war, rumort es. Der albanische Bevölkerungsteil pocht unmißverständlicher denn je auf seine Rechte und noch ein bißchen mehr.

Die Rechnung ist einfach: Wenn sich einige Kilometer entfernt die Albaner in die nationale Freiheit schießen, möchte man nicht nachstehen. Daß die Voraussetzungen in Mazedonien völlig anders sind, es keine rechtliche Benachteiligung der Albaner gibt und sie sogar als Staatsvolk gelten, spielt offenbar keine Rolle.

Die Ernennung des 62jährigen ehemaligen Häftlings Demaci zum Chefideologen der UCK schmiß endgültig die westlichen Lösungsszenarien über den Haufen. Bis zuletzt hatten sie auf den albanischen "Gandhi" Ibrahim Rugova gesetzt. Doch der ist "Vergangenheit", wie Demaci sagt.

Der Mann, der während 28 Jahren im Gefängnis für seinen "aktiven Widerstand" abgehärtet wurde, steht für das Konzept der direkten Konfrontation. Schon 1992 setzte sich Demaci für die Installierung der kosovo-albanischen Schattenregierung direkt in Pristina ein und verlangte die Rückübersiedlung der Exilministerien aus Bonn und Genf.

Auch in seinem neuen Job möchte Demaci der Regierung in Belgrad die Stirn bieten und sieht seine Konfliktlösung schon jetzt im Kampf für die Unabhängigkeit. In mehreren Interviews meinte er, die Serben hätten bereits alle Brücken abgebrochen, die einzige Lösung sei die Unabhängigkeit des Kosovo.

Rugova wird dagegen immer mehr zum Opfer der gewöhnlichen Dynamik der real existierenden Umbrüche. Demaci spricht ihm gar das Recht ab, bei künftigen Verhandlungen mit Belgrad dabeizusein. Schließlich sei Rugova, so Demaci, "Präsident einer Fiktion".

Andererseits hat Milosevic von seinen westlichen Gesprächspartnern mehrmals die Zusicherung erhalten, sie seien keineswegs am Zerfall der Bundesrepublik Jugoslawien interessiert. Ein Einsatz einer Streitkraft als "Kindergartencops" zum Schutz von Frauen und Kindern ist mehr als unwahrscheinlich, weil die Risiken einer Eskalation viel zu hoch sind.

Genauso verhält es sich mit den angedrohten Wirtschaftssanktionen. Bisher bewegen sie sich in bescheidenen Dimensionen. Und eine Verschärfung würde die Überlebenschance der Regierung von Milosevic eher erhöhen. Im vom Bosnien-Konflikt geprüften Land funktioniert die Märtyrer-Pose immer noch prächtig.

Die Kräfteverhältnisse im Kosovo lassen sich also kaum mehr überschauen. Die in der zweiten Augusthälfte zwischen Einheiten der serbischen Armee und der UCK erneut ausgebrochenen Kämpfe sind wieder nach der alten Guerilla-Taktik gestrickt.

Damit hatte der Westen nicht gerechnet. Die anstrengenden Flüge nach Jugoslawien und die langwierigen Gespräche sind seit Demacis Einstieg erfolglos. Die Balkan-Unterhändler aus Washington, Bonn und Wien sind gescheitert und entsprechend weit davon entfernt, die bemühte internationale Gemeinschaft zum Trouble-Shooter zu qualifizieren.

Denn zwischen Belgrad und Pristina wird keiner der Verhandler mehr ernstgenommen.