Null Toleranz mal zwei

Auf übertriebene Differenziertheit legt man in der Union knapp neun Wochen vor der Bundestagswahl und zehn Prozent hinter der SPD keinen Wert mehr: "Null Toleranz" heißt der erste von insgesamt drei Teilen der gemeinsamen Wahlkampfplattform von CDU und CSU, der am Dienstag in München vorgestellt werden sollte: "Zero Tolerance against Criminals", ins Unionsdeutsche übersetzt.

"Gerade Kinder brauchen unseren besonderen Schutz", droht CSU-Chef Theo Waigel in einer flankierenden Anzeigenkampagne. Deswegen fordert die Union, daß die Kleinen künftig bis zu 15 Jahre hinter Gitter wandern sollen, wenn sie sich daneben benehmen. Straftäter im Alter von 18 bis 21 Jahren sollen nach den Vorstellungen von CDU und CSU in der Regel nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Einen Tag vor der Veröffentlichung des Papiers war noch nicht bekannt, ob sich die in jüngster Zeit vorgebrachten Forderungen nach einer Herabsetzung des strafmündigen Alters und nach geschlossenen Heimen für delinquente Kinder ebenfalls in der Wahlkampfplattform finden. Was sich dagegen auf jeden Fall findet, ist die zuerst von der CSU vorgebrachte Forderung, nach dem großen Lauschangriff nun auch die Videoüberwachung von Privatwohnungen zuzulassen.

Ihre Forderung, Deutschland dürfe kein "Einwanderungsland" sein, konnte die CSU gegenüber der CDU nicht durchsetzen. Doch auch mit der Formulierung "Wer Zuwanderung für unser dichtbesiedeltes Land fordert, gefährdet den inneren Frieden" dürften die Herren Beckstein, Protzner, Stoiber, Waigel und Gauweiler zufrieden sein. Die Herren Schily, Glogowski und Wienholtz waren auch nicht faul. Sie stellten ihrerseits ein Papier vor, das SPD-Positionen "zur inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland" wiedergibt: Besonders beunruhigend sei die "Zunahme von Gewalt, insbesondere bei der steigenden Kriminalität von Jugendlichen und Heranwachsenden". Das Rezept der SPD- Sicherheitsmänner: Jugendliche, "die durch hochgradig kriminelles Verhalten auffallen", sollen in geschlossene Heime eingewiesen werden, in besonders bösen Fällen sollen sie vor Gericht wie Erwachsene behandelt werden. Ausländer trennt die SPD, anders als die Konkurrenz, in gute und schlechte. Gut ist der Grieche von der Eckkneipe, schlecht sind die sogenannten Illegalen: Die "belasten das Ansehen der hier lebenden ausländischen Wohnbevölkerung". Sozialdemokratische Konsequenz: Straffällige Ausländer "unverzüglich" ausweisen.

Das SPD-Papier wurde übrigens schon am Montag vorgestellt. Da hatten CDU und CSU ja noch einen Tag Zeit, um die besten Passagen abzuschreiben.