Habibies starker General

In Indonesien gerät der neue Präsident unter Druck. Die Armee droht einzugreifen

Ex-Präsident Suharto müsse wegen Korruption vor Gericht gestellt werden, so vergangene Woche die Forderung von etwa 3 000 Demonstranten in Jakarta. Sie wandten sich außerdem gegen seinen Nachfolger Bacharuddin Jusuf Habibie.

Offenbar um sich von seinem politischen Ziehvater Suharto zu distanzieren, kündigte Habibie daher eine Untersuchung der Geschäftspraktiken von Suharto und dessen Familie an. Der ermittelnde Staatsanwalt Soedjono Atmonegoro betonte jedoch, die "routinemäßige Untersuchung" würde sich voraussichtlich "in die Länge ziehen". Einen offenen Angriff auf seinen Vorgänger kann sich Präsident Habibie keinesfalls leisten, da Suharto nach wie vor die Unterstützung großer Teile des Militärs genießt. Bereits kurz nach Suhartos Rücktritt am 21. Mai hatte die Armee verkündet, der Schutz Suhartos und seines Besitzes sei ihre Aufgabe.

Daß sich die Protestierenden damit zufrieden geben, ist eher unwahrscheinlich. Denn viele Indonesier sehen in dem Nepotismus Suhartos die Ursache für die finanzielle Krise des Landes. "Sie wurden reich, wir wurden arm, und jetzt stehen wir Indonesier vor der Krise und müssen für ihren Diebstahl zahlen", so z.B. ein Student. Mittlerweile geraten auch Habibie und seine Familie wegen ihres - dem der Familie Suhartos ähnlichen (Jungle World, Nr. 22/98) - Firmenkonsortiums und ihres Reichtums zunehmend unter Beschuß. Denn Habibie profitierte als Vertrauter des 32 Jahre lang herschenden Suharto ebenso vom indonesischen Crony-Kapitalismus.

Nachdem bereits mehrere Oppositionsführer ihre Unzufriedenheit mit dem neuen Präsidenten und dessen Ankündigung, Neuwahlen erst 1999 abzuhalten, äußerten, gab am Freitag vergangener Woche der als Berater Habibies kooptierte Oppositionelle Emil Salim seinen Rücktritt bekannt. Die Reformen würden zu langsam vorangehen, begründete Salim seine Entscheidung und forderte Neuwahlen spätestens für den Dezember dieses Jahres.

Andere Oppositionelle sehen die Hauptverantwortung allerdings beim Ausland. So griffen am vergangenen Freitag anti-amerikanische Demonstranten die Botschaft der USA in Jakarta an. Die Vereinigten Staaten, so behaupteten sie, würden sich gegen die Vergabe weiterer Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) an Indonesien einsetzen und somit die Ökonomie des Landes erheblich gefährden. Daß es noch vier Wochen zuvor der IWF gewesen war, dessen Sparprogramm Preiserhöhungen zur Folge hatte, schien bereits vergessen.

Dabei gibt es durchaus Hinweise auf eine Verantwortung der USA für die Situation in Indonesien. Wie die US-amerikanische Zeitschrift The Nation berichtete, trainierten US-Ausbilder Sondereinsatzkommandos der Armee, die für das "Verschwindenlassen" von indonesischen Oppositionellen verantwortlich waren. Diese und weitere Vergehen der indonesischen Armee soll der Schwiegersohn Suhartos, Prabowo Subianto, angeordnet haben. Subianto führte bis zum Februar die Spezialeinheiten Kopassus an, befehligte danach die strategische Reserveeinheiten, wurde aber kurz nach der Einsetzung Habibies sämtlicher Führungspositionen enthoben. Angeblich soll er mit einer Anzahl von Unterstützern abgetaucht sein.

Sein Gegenspieler General Wiranto, Oberbefehlshaber der indonesischen Armee und nach dem Ausbooten Prabowos der starke Mann hinter Habibie, versucht offenbar, Subianto die Verantwort zuzuschieben, um davon abzulenken, daß die in die Kritik geratenen Einsatzkommandos eigentlich seinem Befehl unterstanden. Der US-Oberbefehlshaber im pazifischen Raum, Joseph Prueher, bescheinigte dem indonesischen General dennoch, er sei "ein integrer Mann und ein wahrer indonesischer Patriot".

Wiranto seinerseits zeigte vergangene Woche, was er von der Oppositionsbewegung hält: Sollten die Proteste weitergehen, kündigte er öffentlich an, müsse die Armee innenpolitisch eingreifen. Denn in der Inselrepublik formieren sich mittlerweile auch Proteste gegen die Ordnungskräfte. Am 3. Juni veranstalteten 1 500 Studierende ein Sit-in vor der Polizeiwache der Stadt Medan im Norden Sumatras. Anlaß des Protestes waren sexuelle Übergriffe der Polizei auf 26 Studentinnen, die bei Demonstrationen im Mai verhaftet worden waren. Eine Sprecherin der Frauenrechtsgruppe Mitra Perempuan berichtete, daß während der Riots in Jakarta organisierte Gruppen Dutzende, vielleicht gar mehrere hundert Frauen vergewaltigt haben.

Von den Machtkämpfen in Jakarta erhoffen sich einige Provinzen - darunter auch das 1975 annektierte Osttimor, in dem Suhartos Truppen oft brutal gegen Gegner der indonesischen Herrschaft vorgingen - eine zumindest vorübergehende Schwächung des Zentralstaates und die Möglichkeit, gegenüber der Zentralregierung offensiver aufzutreten. Dabei hat Habibie bereits erklärt, daß er vor allem im Fall Osttimor Autonomieforderungen nicht nachgeben werde. Einige Oppositionelle wurden zwar aus der Haft entlassen, der prominente Rebellenführer Xanana Gusmao blieb allerdings inhaftiert. Auf einer Demonstration am Wochenende forderten in Dili Tausende ein Referendum über die Unabhängigkeit der Provinz, sowie die Haftentlassung Gusmaos.