Richtungswahlkampf à la CDU

Die den Kohl aus dem Feuer holen

In Krisenzeiten umgibt sich Helmut Kohl gerne mit Männern fürs Grobe. Bis vor zwei Wochen war es vor allem CDU-Generalsekretär Peter Hintze, dem dieser Ruf voraneilte. Doch seit Pfingsten hat der Grobian zwei Teamgesellen: Hans-Hermann Tiedje, der schon Chefredakteur von Bunte und Bild war und schließlich die Tango auf Sand setzte, will Kohls Wahlkampf mehr Pep verleihen, der CDU-Bundestagsabgeordnete Otto Hauser wurde als Regierungssprecher die offizielle Stimme des Kanzlers.

Während Tiedje, der seine Leute bei Bild mit dem Motto "Bauchschuß, Knieschuß, Kopfschuß" auf Zack brachte, im Hintergrund agieren und darauf achten soll, daß die Sprache der CDU-Wahlkämpfer "mehr auf Emotionen ausgerichtet" ist, steht Hauser in vorderster Front. Wahrscheinlich bedarf Hauser solcher Anleitungen des Bild-Mannes gar nicht, denn ein Freund des Zauderns ist auch er nicht. "In einem Wahlkampf muß man plakativ sein und provozieren", spricht er Tiedje aus der Seele, und kaum war Hauser in sein Amt eingeführt, legte er auch schon los: Daß die SPD sich in Sachsen-Anhalt von der PDS hat mitwählen lassen, "das wäre ungefähr dasselbe, als wenn die Nationalsozialisten unter anderem Namen nach dem Krieg mitregiert hätten". Daß tatsächlich zahlreiche Nationalsozialisten unter dem Namen CDU mitregierten, sei einmal außen vor: SED=NSDAP=PDS lautet Hausers schlichte Gleichung. Die Berliner Mauer und Auschwitz dasselbe? "Verbrechen sind Verbrechen", erklärte der Regierungssprecher seine sonderbare Geschichtsarithmetik. "Kommunistische Regime haben weltweit, genauso wie die Nazis, viele Millionen Menschen umgebracht", reduzierte er den aktuellen Revisionismus-Bestseller "Schwarzbuch des Kommunismus" auf eine populäre Formel. Und so formulierte er seine Strategie: "Ich finde, man darf nicht nur auf einem Auge blind sein."

Durch die liberale Öffentlichkeit ging ein Schrei der Empörung. Doch man störte sich nicht etwa daran, daß Hauser auf unerträgliche Weise die nationalsozialistischen Vernichtungslager relativiert hatte, sondern daran, daß er solches in seiner Eigenschaft als Regierungssprecher getan hatte, mithin Amtsmißbrauch getrieben habe. Die Grünen wollen mit dieser Begründung nun gar Verfassungsklage gegen Hauser stellen. Hauser selbst dürfte sich über diese Art von Kritik nicht allzusehr grämen, erlaubt sie ihm doch, sich mit dem Hinweis zu exkulpieren, er habe die umstrittenen Äußerungen in seiner Eigenschaft als wahlkämpfender Abgeordneter getan, und nicht als Regierungssprecher.

Das gilt auch für den kleinen Erpressungsversuch, den Hauser gegenüber den Ossis unternommen hat: "Die Menschen in Ostdeutschland sollten wissen, daß die Hilfsbereitschaft mit der Wahl von Extremisten nicht überstrapaziert werden darf." Und damit nicht etwa der Verdacht aufkommt, Hauser wollte die Sachsen-Anhalter für die Rekordergebnisse bestrafen, die Nazi-Parteien östlich der Elbe erzielen, fügte er hinzu: "Wir helfen beim Aufbau im Osten, und dann wird links gewählt."

Doch Hausers Äußerungen sind mitnichten "Ausrutscher", wie es in Kommentaren immer wieder hieß. Sie entspringen dem gemeinsamem Weltbild des Bundeskanzlers und seines Sprechers, sind Teil eines Wahlkampfes, den Kohl kurz vor der Ernennung Hausers als den "härtesten in der Geschichte der Bundesrepublik" angekündigt hat. Für diesen Wahlkampf holte sich Kohl mit dem Chef der baden-württembergischen Landesgruppe, der sich öffentlich und unwidersprochen rühmt, "immer Zugang zum Kanzler" gehabt zu haben, den passenden Agitator ins Haus.

Die Idee für den "Richtungswahlkampf" ist auf Hausers Mist sowenig wie auf dem von Pfarrer Hintze gewachsen: Sie stammt von Andreas Fritzenkötter, einem der engsten persönlichen Mitarbeiter Kohls. Bereits im Wahlkampf 1994 hatte der Leiter des "Arbeitsstabs Öffentlichkeitsarbeit und Medienpolitik" im Kanzleramt die Idee für eine Kampagne, die den Händedruck auf dem SED-Signet gegen die SPD wenden sollte. Die Roten Socken setzten sich durch, vier Jahre lang ruhten die Entwürfe in den Schubladen des Bonner Konrad-Adenauer-Hauses, bis sie jetzt endlich in der Krise doch noch zum Einsatz kamen.